Das Erbe der Macht - Die komplette Schattenchronik. Andreas Suchanek
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Читать онлайн книгу Das Erbe der Macht - Die komplette Schattenchronik - Andreas Suchanek страница 11

СКАЧАТЬ neben dem Tischchen. Dort lag ein Buch mit fleckigem Einband.

      Sie nickte schweigend. Es wurde auf den ersten Blick deutlich, dass hier jemand etwas gesucht hatte. Die Luft quoll geradezu über von dem fauligen, verdorbenen Atem dunkler Magie. »Sie haben eine Wächtergruppe angegriffen und waren auch noch erfolgreich«, flüsterte Jen. Langsam schritt sie durch den Raum. »Wie kann das nur sein? Das Haus muss eine Festung gewesen sein. Wächtergruppen bewachen die gefährlichsten Gegenstände. Und woher wussten die überhaupt davon?«

      Mark ging zum Regal und fuhr mit der Hand über die Buchrücken. »Mal ehrlich, wer kann schon voraussagen, was Saint Germain und die anderen Wahnsinnigen wieder ausbrüten. Auf jeden Fall nichts Gutes.«

      Mark kniff die Augen zusammen. Stirnrunzelnd trat er in die Mitte des Raumes. »Hier wurde eine Lokalisierung versucht.«

      »Sie wollten den Folianten. Aber erfolgreich waren sie nicht.« Jen trat zielsicher an eines der Regale, stieg die angebrachte Leiter empor und zog ein dünnes Heft hervor.

      »Okay«, kam es von Mark, »wenn du das einen Folianten nennst, dann müssen wir noch mal über die Definition sprechen.«

      »Spinner.« Er wusste genau, dass der äußere Schein trügen konnte.

      Jen legte das Heftchen – ein alter Groschenroman – auf dem Lesetisch ab. Auf dem Cover stand ein verwegen aussehender Pirat mit nacktem Oberkörper auf dem Deck seines Schiffes. Vor ihm kniete eine Frau, den Kopf leicht zur Seite geneigt und dem Betrachter zugewandt. Die Lippen des Piraten berührten ihren Hals.

      »Gib es zu, du willst ihn unbedingt lesen.«, sagte Mark.

      »Unbedingt. Ich stehe auf romantische Literatur«, sie grinste ihn an. »Damit kann man so schön Feuer machen.«

      Sie zog ihren Essenzstab hervor. Bei dem Zauber, den sie nun auszuführen gedachte, musste die Magie direkt im Gegenstand wirken. Es reichte nicht aus, die Machtsymbole in die Luft zu zeichnen. Doch damit sie in Material einwirken konnten, bedurfte es immer eines Essenzstabes. Er kanalisierte die Magie und übertrug sie in den jeweiligen Rohstoff. Nimags – Nichtmagier, also gewöhnliche Menschen – hätten wohl Zauberstab dazu gesagt.

      Sie zeichnete das Bild der Desillusionierung auf das Papier, verknüpfte es mit dem Mal der Wächtergruppe und erschuf so ein völlig neues Machtsymbol. Ihr Essenzstab formte den Zauber aus violetter Essenz. Am Ende sickerte er in das Heftchen.

      Im nächsten Augenblick zog und wand sich das Papier, wurde größer, dicker, schwerer.

      »Tadaaa«, sagte Jen.

      »Das ist es also«, kam es von Mark. »Seltsam, ich erkenne keine schwarzmagische Ausstrahlung. Was könnten die Schattenkämpfer damit gewollt haben?«

      Gute Frage. »Vielleicht gehört es zur undefinierten Magie und sie wollten es formen.« Sie schlug die Seiten auf. Die Zeichen blieben unleserlich, glichen chinesischen Schriftzeichen, die bei genauerer Betrachtung zu keltisch anmutenden Symbolen wurden. »Da muss ein Bibliothekar drüberschauen.« Sie schloss den Folianten.

      Es rauschte. Kutten flatterten, als zahlreiche Personen aus der Luft entstanden. Entsetzt blickte Jen auf die Neuankömmlinge, die dunkle Mönchskutten und Kapuzen trugen. Auf die Stirn eines jeden dunklen Mönchs war ein schwarzes Auge geritzt worden. Ihr Unsichtbarkeitszauber war so perfekt gewesen, dass sie keinen Hauch wahrgenommen hatte.

      Einer der Mönchskrieger trat vor. »Der Foliant!«

      »Nein, ich denke nicht«, sagte Mark.

      Dann ging alles rasend schnell. Ein Schlag traf Jen, schleuderte sie beiseite. Aus dem Nichts entstand eine unterarmlange Holzfigur. Der Foliant flog in die Hand eines Feindes, die Figur landete neben Mark. Er schrie. Tentakel aus Holz bohrten sich in seine Brust, als sei das Totem lebendig. Blut spritzte. Knochen knirschten.

      Jen kam in die Höhe.

      Die Mönchskrieger verschwanden vor ihren Augen, als seien sie nicht mehr als Nebelgebilde, die den Folianten mit sich nahmen.

      Jen wandte sich Mark zu …

      … und erschrak.

      Der Freund und Kampfgefährte wurde von einer Sphäre aus Nebelfetzen umhüllt. Langsam stieg er in die Luft empor. Die Figur pulsierte, wie das schlagende Herz einer unheiligen Kreatur. Sie konnte spüren, was das Ding tat.

      »Lauf«, krächzte Mark.

      »Vergiss es.« Blitzschnell führte Jen mehrere Kraftschläge aus. Doch der Nebel wehrte alle ab. Sie versuchte, ruhig zu bleiben. Ein Teil des Wissens, das sie zu ihrer Erweckung erhalten hatte, war verloren gegangen – wie bei jedem. Sie hatte es nicht vertieft. Aber die essenziellen Gesetze des Zauberausgleichs waren ihr noch vertraut.

      Sie griff auf ihr Sigil zu und leitete eigene magische Essenz in die Sphäre. Ein Ausgleich war geschaffen. Damit erkaufte sie Zeit. Doch die Kreatur reagierte. Ein Rückstoß schleuderte Jen durch den Raum und gegen ein Regal. Das Artefakt zehrte weiter von Marks innerer Kraft, wie ein Schmarotzer.

      Seine Essenz war auf ein bedrohliches Minimum reduziert worden.

      »Lauf«, krächzte er. »Sonst sterben wir beide.«

      Jen ballte die Fäuste. Wut schoss in ihr empor. Es musste einfach eine Möglichkeit geben. »Nein.«

      »Doch«, sagte Mark sanft. »Du hast nur noch Minuten.«

      Sie schaltete jede Emotion ab, warf sich herum und rannte davon. Im Laufen berührte sie den Kontaktstein unter ihrem Shirt, versuchte, das Castillo zu informieren. Die schwarze Magie, die überall ringsum in der Luft lag, verhinderte es.

      Im Geiste sah sie, wie die letzte Essenz, die Marks Sigil innewohnte, aufgezehrt wurde.

      Ab einem solchen Moment war jeder Magier in Lebensgefahr, musste er jede magische Aktivität sofort einstellen. Denn nun bediente sich der gewobene Zauberspruch über das Sigil an der Auraenergie.

      Sie rannte polternd die Treppe hinab, ließ aber ihren Weitblick – der mühelos die Wände durchdrang – auf dem Freund und Gefährten ruhen.

      Marks Aura flammte auf; eine grünliche Sphäre, die seine Körperkonturen nachbildete. Das Artefakt zog Energie davon ab, zehrte die letzte schützende Hülle auf, die normalerweise dazu gedacht war, das Sigil zu bändigen und gleichermaßen zu schützen.

      Jen knallte in vollem Lauf gegen die Eingangstür. Der Nebeleffekt war längst fort. Mit zitternden Fingern riss sie ihren Essenzstab in die Höhe und zeichnete das Symbol für den Materietransfer.

      Holz zu Nebel.

      Endlich wich das Hindernis, sie hetzte hinaus.

      Ein Blick zurück zeigte ihr, dass das Ende gekommen war. Marks Aura verschwand. Es gab keine Essenz und keine Aura mehr, nichts, dass das Sigil hielt. Es expandierte abrupt. Eine Aura aus purem Feuer äscherte Mark augenblicklich ein. Das gesamte Herrenhaus erbebte, die Wände brachen fort, Fensterscheiben explodierten. Die Druckwelle schleuderte Jen davon.

      Ihr Bewusstsein erlosch.

      Kevins СКАЧАТЬ