Название: Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten
Автор: Friedrich Glauser
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075834973
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Studer schlich sich ans Haus heran. Er blickte durchs erleuchtete Fenster. Drei Personen standen im Zimmer. In einer Ecke der junge blonde Mann, der auf dem Ruhebett geweint hatte. Er hielt eine Browningpistole in der Hand. Ihm gegenüber, in starrer Haltung, saß der Abteiliger Jutzeler. Dann wurde die Türe leise geöffnet. Der Portier Dreyer betrat das Zimmer, sah sich um, schwang einen Stuhl an der Lehne zu sich heran und setzte sich neben Herbert Caplaun.
Studer betrat das Haus…
Ein chinesisches Sprichwort
Am Montagmorgen, gegen neun Uhr, trat Studer aus dem Gastzimmer. Er trug seine ramponierte Handtasche aus Schweinsleder. Im Gange traf er Frau Laduner.
– Ob der Wachtmeister verreisen wolle? fragte die Frau. Studer zog die Uhr aus dem Gilettäschli, nickte, meinte dann, soviel er wisse, fahre um elf Uhr ein Zug nach Bern. Den wolle er nehmen. Ob er vorher noch den Herrn Doktor sprechen könne?
– Ihr Mann sei nicht wohl, sagte Frau Laduner. Er liege noch im Bett. Aber wenn es etwas Wichtiges sei, wolle sie ihn rufen gehen. Ihre Augen blickten ängstlich. Ob der Herr Wachtmeister nicht zuerst frühstücken wolle?
Studer besann sich eine Weile. Dann nickte er schwerfällig. Wenn er um eine Tasse Kaffee bitten dürfe… Und dann möge die Frau Doktor so gut sein und dem Herrn Doktor sagen, er warte im Arbeitszimmer. Er werde etwa eine Stunde zu erzählen haben, und sie möge dem Herrn Doktor sagen, er, Studer, wolle gern die Wahrheit erzählen, falls der Herr Doktor die Wahrheit zu wissen wünsche… Frau Doktor möge so gut sein, diese Worte genau zu wiederholen…
– Ja, ja… Das wolle sie tun. Aber inzwischen möge der Herr Wachtmeister z'Morgen essen… Der Kaffee stehe noch auf dem Tisch.
Studer hielt noch immer seine Handtasche in der Hand, als er ins Eßzimmer trat. Eine bleiche Sonne, die kaum den Nebel zu zerteilen vermochte, schien ins Zimmer. Studer trank, aß. Dann packte er seine Handtasche, die er neben sich gestellt hatte, stand auf, trat ins Arbeitszimmer, setzte sich in einen Lehnstuhl und wartete. Die Handtasche hielt er auf den Knieen…
Dr. Laduner trug über einem Pyjama einen grauen Schlafrock. Seine nackten Füße steckten in Lederpantoffeln.
»Sie wollen mit mir sprechen, Studer?« fragte er. Um seinen Kopf lag ein weißer Verband, der seine Gesichtshaut noch brauner erscheinen ließ. Er setzte sich; seine Züge waren schlaff. Er bedeckte die Augen mit der Hand und schwieg.
Studer öffnete die Handtasche und legte nacheinander verschiedene Gegenstände auf den runden Tisch, der einmal, an einem Abend, der fern schien, eine Lampe mit leuchtendem Blumenschirm getragen hatte, und neben der Lampe hatten die Akten gelegen des Demonstrationsobjektes Pieterlen.
Dr. Laduner nahm die Hand von den Augen und blickte auf die Tischplatte. Auf ihr lagen, fein säuberlich, folgende Gegenstände:
Eine alte Brieftasche, ein Sandsack, der aussah wie ein riesiger, grauer Schüblig, ein Stück groben, grauen Stoffes, zwei Enveloppen, ein beschriebenes Blatt und ein Bündel Hunderternoten.
»Nett«, sagte Dr. Laduner. »Wollen Sie die Gegenstände einem Polizeimuseum schenken, Studer?«
Bevor Studer antworten konnte, schrillte die Klingel des Tischtelephons. Dr. Laduner stand auf. Eine aufgeregte Stimme sprach am andern Ende. Laduner bedeckte die Muschel mit der Hand und fragte Studer:
»Wissen Sie, wo der Portier Dreyer ist?«
»Wenn der Landjäger von Randlingen meinen Befehl ausgeführt hat, so ist der Dreyer wahrscheinlich jetzt schon im Amtshaus in Bern…«
Laduner hielt noch immer die Hand über der Muschel, sein Maskenlächeln erschien wieder.
»Unter welcher Anklage?« fragte er.
Studer sagte trocken:
»Diebstahl und Mord…«
»Mord? Mord am Direktor?«
»Nein, an Herbert Caplaun…« Studers Stimme war so ruhig, daß Laduner den Wachtmeister einen Augenblick erstaunt anstarrte. Dann nahm er die Hand von der Muschel und sagte: »Ich komme später selbst. Augenblicklich habe ich eine wichtige Besprechung… Nein«, schrie er plötzlich, und seine Stimme überschlug sich. »Ich habe jetzt keine Zeit!« und schmiß das Hörrohr auf die Gabel.
Er setzte sich wieder, lehnte sich zuerst zurück, schloß einen Augenblick die Augen, beugte sich dann vor und nahm, einen nach dem andern, die Gegenstände in die Hand, die auf dem Tisch lagen, Studer gab mit leiser Stimme Erklärungen:
»Das«, sagte er, als Laduner den Sandsack aufhob, »habe ich auf der Plattform gefunden, von der die Leiter zum Feuerloch führt… Das«, damit meinte er das Stück Stoff, »lag versteckt unter der Matratze von Pieterlens Bett, und diese Brieftasche lag dort hinter den Büchern, ich hab' sie durch Zufall gefunden… Sie hat mir schwer Kopfzerbrechen gemacht, denn ich fand sie, gleich nachdem Gilgen bei euch gewesen war, Herr Doktor…«
»Und die Enveloppen?«
Studer lächelte.
»Man muß doch zeigen«, sagte er, »daß man kriminologisch geschult ist…« Er hob die eine Enveloppe in die Höhe: »Sand!« sagte er. Dann die andere: »Staub aus den Haaren der Leiche…« Er schwieg. »Übrigens ist der Direktor nicht mit einem Sandsack niedergeschlagen worden. Er ist ganz einfach… Aber ihr könnt das ja selbst lesen, Herr Doktor…« Damit nahm Studer das handgeschriebene Blatt auf, faltete es auseinander, zögerte einen Augenblick… »Ich will's euch lieber selbst vorlesen…«, sagte er, räusperte sich, sagte:
»Geständnis«,
machte eine Pause und las dann mit eintöniger Stimme:
»Ich, Endesunterzeichneter, Herbert Caplaun, erkläre hiermit, daß ich am Tode des Direktors der Heil- und Pflegeanstalt Randlingen, Herrn Dr. Ulrich Borstli, schuldig bin. Ich habe am 1. September, 20 Uhr, von der Portierloge aus Herrn Dr. Borstli, der sich auf einem Patientenfest befand, angeläutet und ihn unter dem Vorwand, ich hätte ihm Wichtiges mitzuteilen, auf halb zwei Uhr in eine Ecke des Hofes gelockt. Ich hatte ihn zu gleicher Zeit gebeten, die Dokumente, die sich auf die Sterbefälle im U 1 der Anstalt Randlingen bezogen, mitzubringen. jedoch war dies nur ein Vorwand. Denn ich hatte erfahren, daß Direktor Ulrich Borstli sich mit meinem Vater in Verbindung gesetzt hatte, um meine zeitweilige Internierung in einer Strafanstalt zu erwirken. Ich hatte mir einen Sandsack verschafft und hatte beschlossen, den Direktor niederzuschlagen und seinen Körper in der Heizung zu verstecken. Jedoch kam es anders. Wir gerieten in Streit, und der Direktor wollte mich schlagen. Darauf rief ich um Hilfe. Um einen Skandal zu vermeiden, befahl mir der Direktor, mit ihm in die Heizung zu kommen. Ich folgte ihm. Er zündete das Licht an, öffnete seine Mappe und zeigte mir die Kopie eines Briefes an meinen Vater. Als ich diese gelesen hatte, ergriff mich die Wut und ich hob den Sandsack. Der Direktor wich zurück, trat ins Leere und fiel rücklings hinab. Ich verschloß die Heizung, vergaß aber das Licht zu löschen. In den folgenden Tagen habe ich mich in der Wohnung des Pflegers Gilgen versteckt gehalten.
Randlingen, den 5. September 19.. Herbert Caplaun.
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