Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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СКАЧАТЬ umso bes­ser! Dar­über woll­te er mit kei­nem re­den. Und wenn sie hier so dach­ten, wür­den sie ihn mit al­len Fra­gen ver­scho­nen. Sie wür­den höchs­tens hin­ter sei­nem Rücken über ihn la­chen, und das soll­ten sie ru­hig, das war ihm egal. Er woll­te jetzt ar­bei­ten, wun­dern soll­ten sich die über ihn!

      Be­schei­den lä­chelnd und doch nicht ohne Stolz ließ sich Enno Klu­ge für die frei­wil­li­ge Sonn­tags­schicht auf­schrei­ben. Ein paar äl­te­re Ar­beits­kol­le­gen, die ihn noch von frü­her her kann­ten, mach­ten spöt­ti­sche Be­mer­kun­gen. Er lach­te ein­fach mit und sah es ger­ne, dass auch der Meis­ter grins­te.

      Üb­ri­gens hat­te ihm die irr­tüm­li­che An­nah­me des Meis­ters, er habe die Schlä­ge we­gen sei­ner Ar­beits­scheu be­zo­gen, si­cher auch bei der Di­rek­ti­on genützt. Dor­thin war er gleich nach der Mit­tags­pau­se ge­ru­fen wor­den. Wie ein An­ge­klag­ter stand er dort, und dass von sei­nen Rich­tern ei­ner in Wehr­machts­uni­form, ei­ner in SA-Uni­form steck­te, wäh­rend nur ei­ner Zi­vil trug, frei­lich auch mit dem Ho­heits­zei­chen ge­schmückt, das er­höh­te noch sei­ne Angst.

      Der Wehr­machts­of­fi­zier blät­ter­te in ei­nem Ak­ten­stück und hielt Enno Klu­ge mit ei­ner eben­so gleich­gül­ti­gen wie an­ge­ekel­ten Stim­me sei­ne Sün­den vor. Den und den Tag von der Wehr­macht zur Rüs­tungs­in­dus­trie ent­las­sen, dann und dann erst Mel­dung in dem zu­ge­wie­se­nen Be­trieb, elf Tage ge­ar­bei­tet, krank­ge­schrie­ben we­gen Ma­gen­blu­tun­gen, drei Ärz­te, zwei Kran­ken­häu­ser in An­spruch ge­nom­men. Dann und dann ar­beits­fä­hig ge­sund­ge­schrie­ben, fünf Tage ge­ar­bei­tet, drei Tage blau­ge­macht, einen Tag ge­ar­bei­tet, wie­der Ma­gen­blu­tun­gen usw. usw.

      Der Wehr­machts­of­fi­zier leg­te das Ak­ten­stück weg, er sah an­ge­ekelt den Klu­ge an, das heißt, er rich­te­te sei­nen Blick etwa auf den obers­ten Knopf von En­nos Jackett und sag­te mit er­ho­be­ner Stim­me: »Was denkst du dir ei­gent­lich, du Schwein?« Plötz­lich schrie er, aber man sah es ihm an, dass er ganz ge­wohn­heits­mä­ßig schrie, ohne jede in­ne­re Er­re­gung. »Denkst du, du kannst hier einen Ein­zi­gen mit dei­nen duss­li­gen Ma­gen­blu­tun­gen an der Nase rum­füh­ren? Ich wer­de dich zu ei­ner Straf­kom­pa­nie schi­cken, da wer­den sie dir dei­ne stin­ken­den Ge­där­me aus dem Lei­be rei­ßen, da sollst du ler­nen, was Ma­gen­blu­tun­gen sind!«

      So schrie der Of­fi­zier noch eine gan­ze Wei­le. Enno war das vom Mi­li­tär her ge­wohnt, es konn­te ihn nicht be­son­ders schre­cken. Er hör­te sich die­se Straf­pre­digt an, die Hän­de vor­schrifts­mä­ßig an die Naht sei­ner Zi­vil­ho­se ge­legt, das Auge auf­merk­sam auf den Schel­ten­den ge­hef­tet. Muss­te der Of­fi­zier ein­mal Luft ho­len, so sag­te Enno im vor­ge­schrie­be­nen Ton, klar und deut­lich, aber we­der de­mü­tig noch frech, son­dern sach­lich: »Ja­wohl, Herr Ober­leut­nant! Zu Be­fehl, Herr Ober­leut­nant!« An ei­ner Stel­le ge­lang es ihm so­gar, frei­lich ohne jede sicht­ba­re Wir­kung, den Satz ein­zu­schie­ben: »Mel­de mich ge­hor­samst ge­sund, Herr Ober­leut­nant! Mel­de ge­hor­samst, wer­de ar­bei­ten!«

      Eben­so plötz­lich, wie er mit dem Schrei­en be­gon­nen hat­te, hör­te der Of­fi­zier wie­der da­mit auf. Er mach­te den Mund zu, nahm den Blick von dem obers­ten Rock­knopf Klu­ges und rich­te­te ihn auf sei­nen Nach­bar in Braun. »Sonst noch was?«, frag­te er an­ge­ekelt.

      Ja­wohl, auch die­ser Herr hat­te noch et­was zu sa­gen oder viel­mehr zu schrei­en – alle die­se Her­ren Vor­ge­setz­ten schie­nen ja nur mit ih­ren Leu­ten schrei­en zu kön­nen. Die­ser schrie von Volks­ver­rat und Ar­beitssa­bo­ta­ge, vom Füh­rer, der kei­ne Ver­rä­ter in den ei­ge­nen Rei­hen dul­de­te, und von den KZs, wo ihm schon sein Recht wer­den sol­le.

      »Und wie kommst du zu uns?«, schrie der Brau­ne plötz­lich. »Wie has­te dich zu­ge­rich­tet, du Schwein, du? Mit sol­cher Fres­se kommst du zur Ar­beit? Bei den Wei­bern has­te rum­ge­hurt, du Hu­ren­bock! Da läss­te dei­ne Kraft, und wir dür­fen dich hier be­zah­len! Wo bis­te ge­we­sen, wo has­te dich so zu­ge­rich­tet, du elen­der Zu­häl­ter, du?«

      »Mich ha­ben sie durch die Rol­le ge­dreht«, sag­te Enno, ver­schüch­tert un­ter dem Blick des an­de­ren.

      »Wer, wer hat dich so zu­ge­rich­tet, ich will’s wis­sen!«, schrie das Braun­hemd. Und er fuch­tel­te mit der Faust un­ter der Nase des an­de­ren und stampf­te mit dem Fuße auf.

      Hier war der Au­gen­blick ge­kom­men, wo je­der ei­ge­ne Ge­dan­ke den Schä­del Enno Klu­ges ver­ließ. Un­ter der Be­dro­hung mit neu­en Schlä­gen ent­lie­fen ihm Vor­satz wie Vor­sicht, er flüs­ter­te angst­voll: »Mel­de ge­hor­samst, die SS hat mich so zu­ge­rich­tet.«

      In der sinn­lo­sen Angst die­ses Man­nes lag et­was so Über­zeu­gen­des, dass die drei Män­ner am Tisch ihm so­fort Glau­ben schenk­ten. Ein ver­ständ­nis­vol­les, bil­li­gen­des Lä­cheln trat auf ihre Ge­sich­ter. Der Brau­ne schrie noch: »Zu­ge­rich­tet nennst du das? Ge­züch­tigt heißt das, zu Recht be­straft! Wie heißt das?«

      »Mel­de ge­hor­samst, es heißt: zu Recht be­straft!«

      »Na, ich hof­fe, du wirst es dir mer­ken. Das nächs­te Mal kommst du nicht so bil­lig da­von weg! Ab­tre­ten!«

      Noch eine hal­be Stun­de da­nach zit­ter­te Enno Klu­ge so stark, dass er sei­ne Ar­beit an der Dreh­bank nicht ver­rich­ten konn­te. Er drück­te sich auf dem Ab­tritt her­um, wo ihn der Meis­ter schließ­lich auf­stö­ber­te und schel­tend an die Ar­beit jag­te. Der Meis­ter stell­te sich dann da­ne­ben und sah schimp­fend zu, wie Enno Klu­ge ein Werk­stück nach dem an­de­ren verd­arb. In dem Kopf des klei­nen Kerls dreh­te sich noch al­les: vom Meis­ter be­schimpft, von den Ar­beits­kol­le­gen ver­spot­tet, von Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger und Straf­kom­pa­nie be­droht, ver­moch­te er nichts mehr klar zu se­hen. Die sonst so ge­schick­ten Hän­de ver­wei­ger­ten ihm den Dienst. Er konn­te nicht, und doch muss­te er, sonst war er ganz ver­lo­ren.

      Schließ­lich sah es selbst der Meis­ter ein, dass hier nicht üb­ler Wil­le und Ar­beits­scheu vor­la­gen. »Wenn du nicht ge­ra­de krank ge­we­sen wärst, wür­de ich sa­gen, leg dich erst ein paar Tage ins Bett und ku­ri­er dich ge­sund.« Mit die­sen Wor­ten ver­ließ ihn der Meis­ter. Und er setz­te hin­zu: »Aber du weißt ja wohl, was dir dann pas­siert!«

      Ja, er wuss­te es. Er mach­te im­mer wei­ter, ver­such­te, nicht an die Schmer­zen, an den un­er­träg­li­chen Druck in sei­nem Kopf zu den­ken. Eine Wei­le zog ihn das sich schim­mernd dre­hen­de Ei­sen ma­gisch an. Er brauch­te nur die Fin­ger da­zwi­schen­zu­hal­ten, und er hat­te Ruhe, kam in ein Bett, konn­te lie­gen, aus­ru­hen, schla­fen, ver­ges­sen! Aber gleich dach­te er wie­der dar­an, dass mit dem Tode be­straft wird, wer sich mut­wil­lig selbst ver­stüm­melt, und die Hand zuck­te zu­rück …

      Und so war es: Tod in der Straf­kom­pa­nie, Tod in ei­nem KZ, Tod auf ei­nem Ge­fäng­nis­hof, das wa­ren die Din­ge, die ihn täg­lich be­droh­ten, die er von sich ab­wen­den muss­te. Und er hat­te so we­nig Kraft …

      Ir­gend­wie ging die­ser Nach­mit­tag hin, ir­gend­wie СКАЧАТЬ