Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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СКАЧАТЬ Klei­dern ta­del­te. Ich be­schaff­te mir also einen klei­nen Kar­ton, in den ich all mei­ne Hab­se­lig­kei­ten tat, ein biss­chen Salz, ein etwa ge­spar­tes Stück Brot, die Pfei­fe und den Ta­bak. Die­sen Kar­ton hat­te ich im­mer bei mir, beim Es­sen und auf dem Klo, im Bett und so­gar bei mei­nen Arzt­be­su­chen. Spä­ter mach­te mir der wohl­ge­sinn­te Qual, der ja in der Tisch­le­rei ar­bei­te­te, ein klei­nes Holz­käst­chen mit Schie­be­de­ckel und einen Bind­fa­den­griff und nahm nicht ein­mal was da­für.

      Ja, ich war nun wirk­lich ein­ge­reiht und ge­hör­te dazu, und wenn ich die Wahr­heit ge­ste­hen soll, fühl­te ich mich nach den ers­ten Wo­chen der Ein­ge­wöh­nung nicht ein­mal so schlecht. Ich hat­te mich an Hun­gern und stän­di­gen Streit, an schlech­te Luft und Schweins­beu­len ge­wöhnt, vie­le mei­ner Ka­me­ra­den, die ganz un­aus­gie­big und stumpf wa­ren, sah ich gar nicht mehr. Ich ge­hör­te dazu, und doch ge­hör­te ich nicht ganz dazu, ich war nur »vor­läu­fig un­ter­ge­bracht«, und spä­ter war ich so­gar nur »zur Be­gut­ach­tung« un­ter­ge­bracht. Ei­nes Ta­ges wür­de es Ter­min für mich ge­ben, ich wür­de mei­ne Stra­fe für die Be­dro­hung er­hal­ten, und dann wür­de ich – hof­fent­lich, hof­fent­lich! – wie­der in die Frei­heit zu­rück­keh­ren kön­nen. Was ich dort an­fan­gen wür­de, das wuss­te ich noch nicht. Ziem­lich si­cher aber schi­en mir, dass ich nicht wie­der in mein Haus und zu Mag­da zu­rück­keh­ren wür­de, auch in mei­nem al­ten Ge­schäft woll­te ich nicht wie­der ar­bei­ten.

      Der Auf­ent­halt in der Zel­le hat­te mich ein we­nig men­schen­scheu ge­macht, die­ses stän­di­ge Iso­liert­sein, ich war ger­ne im en­gen Raum bei mei­nen Bürs­ten und dach­te mit Ab­nei­gung an die lärm- und men­schen­er­füll­ten Stra­ßen mei­ner Va­ter­stadt. Mir schweb­te so et­was vor, auf ein stil­les Dorf zu zie­hen und dort als ein un­be­kann­ter, rasch al­tern­der Mann mei­nen Le­bens­abend zu ver­brin­gen, in ei­ner stil­len Stu­be, in der ich im­mer wei­ter Bürs­ten ma­chen wür­de …

      So et­was schweb­te mir vor. Ja, es war ein we­nig Freu­de in mich ein­ge­kehrt, eine fast be­hag­li­che Selbst­ge­nüg­sam­keit er­füll­te mich – am bes­ten ist die­se Zeit mit je­ner zu ver­glei­chen, die ich auf dem Holz­hof des Un­ter­su­chungs­ge­fäng­nis­ses ver­brach­te. Frei­lich fehl­te hier der Mord­horst, aber ei­gent­lich fehl­te er mir nicht. Mord­horst hat­te im­mer ge­trie­ben, ge­ta­delt und ge­hetzt – und ich lieb­te jetzt den Frie­den. Der Bau mit sei­nem Schmutz und Geiz und Neid war ent­setz­lich, aber er war nun ein­mal so – was hat­te es für einen Zweck, sich da­ge­gen auf­zu­leh­nen? Wir Ge­fan­ge­ne, wir Kran­ke gal­ten doch gar nichts!

      Am Schluss des zwei­ten Mo­nats ver­tausch­te ich mein gan­zes Pa­ket Fein­schnitt­ta­bak ge­gen ein un­ge­fass­tes Brenn­glas und konn­te mir nun, auch in mei­ner Ar­beits­zel­le, die Pfei­fe im­mer an­bren­nen, wenn die Son­ne schi­en. Da kam ich mir rei­cher und glück­li­cher als je in mei­nem Le­ben vor, wenn ich so an mei­nem Fens­ter lehn­te und mit tiefer Freu­de mei­ne zehn oder zwölf Züge Ta­ba­krauch in mich hin­ein­sog. Es war mir, als habe ich in mei­nem Le­ben noch nie so tief ge­nos­sen und mich ge­freut wie hier in der war­men Zel­le. Vi­el­leicht hat­te da die Ge­nüg­sam­keit mei­nes Schlaf­ka­me­ra­den Holz, sei­ne Gabe, sich auch an den kleins­ten Din­gen zu freu­en, schon auf mich ab­ge­färbt.

      1 der zwei­te Gras­schnitt <<<

      56

      Un­ru­he tru­gen in den stil­len Frie­den die­ser Tage nur mei­ne Un­ter­hal­tun­gen mit dem Arzt, meist dau­er­te es ein paar Tage, bis ich mich nach ih­nen wie­der völ­lig be­ru­higt hat­te und zu mei­nem stil­len Be­ha­gen zu­rück­ge­kehrt war. Im Gan­zen ver­lie­fen sie nicht güns­tig für mich, wenn auch kei­ne so schlimm wur­de wie jene Ers­te. Es war mir lei­der ganz un­mög­lich, mich ihm ge­gen­über so zu ge­ben, wie ich wirk­lich war. Nie ge­wann ich im Ver­kehr mit ihm jene Frei­heit und Selbst­si­cher­heit, die mir doch drau­ßen selbst­ver­ständ­lich ge­we­sen wa­ren. Im­mer be­drück­te mich ein dunkles Schuld­ge­fühl, als müss­te ich vor ihm um je­den Preis et­was ver­ber­gen und ver­heim­li­chen. Nie wur­de ich ganz mei­ne Furcht vor sei­nen ge­hei­men Lis­ten und Knif­fen los; bei der harm­lo­ses­ten Fra­ge plag­te mich der Ge­dan­ke: ›Wie will er dich jetzt wie­der rein­le­gen?‹ Nie sah ich den hel­fen­den Arzt in ihm, son­dern im­mer den Ge­hil­fen des Staats­an­wal­tes, der mich in schwe­rer, ver­wor­re­ner Stun­de des Mord­ver­suchs an mei­ner Frau be­schul­digt hat­te und der al­les auf­bie­ten wür­de, mich in die­sen Mau­ern zu hal­ten.

      Wenn ich mich wirk­lich ein­mal über­wand und dem Me­di­zi­nal­rat er­zähl­te, was mein Herz be­weg­te, fiel ich auch da­mit re­gel­mä­ßig her­ein. Zum Bei­spiel er­zähl­te ich ihm ei­nes Ta­ges ganz frei­mü­tig von mei­nen so ver­än­der­ten Zu­kunfts­plä­nen, mich auf ein stil­les Dorf zu­rück­zu­zie­hen und ganz der Bürs­ten­ma­che­rei zu le­ben. Ich hat­te ge­glaubt, für die­se Plä­ne die Bil­li­gung des Arz­tes zu fin­den, ja sein Lob, und war über­rascht und maß­los ent­täuscht, als er ener­gisch den Kopf schüt­tel­te und sag­te: »Das sind ja blo­ße Fan­tas­te­rei­en, Som­mer. Sie streu­en sich ja selbst Sand in die Au­gen. So kön­nen Sie nicht le­ben, und so wol­len Sie auch gar nicht le­ben. Sie brau­chen Ihre Mit­menschen, und vor al­lem, Som­mer, brau­chen Sie eine füh­ren­de, hel­fen­de Hand. Nein, das ha­ben Sie sich wie­der nur in Ih­rer ganz un­be­grün­de­ten Aver­si­on ge­gen Ihre Frau aus­ge­dacht. Ma­chen Sie sich doch ein­mal von dem Ge­dan­ken frei, dass Ihre Frau Ih­nen scha­den will! Sie, Sie al­lein ha­ben ihr viel Bö­ses ge­tan, und wenn Ihre Frau nicht ein so an­stän­di­ger Mensch wäre, hät­te sie alle Ur­sa­che, ein biss­chen böse über Sie zu sein. Aber nicht ein ab­fäl­li­ges Wort über Sie hat sie zu Pro­to­koll ge­ge­ben, im­mer sucht sie, Sie zu ent­schul­di­gen! Und da er­zäh­len Sie mir, dass Sie nicht mehr mit ihr le­ben und ar­bei­ten wol­len! Was für ein Mensch sind Sie doch, Som­mer! Kön­nen Sie denn nie eine Sa­che se­hen, wie sie wirk­lich ist? Müs­sen Sie sich im­mer Flau­sen vor­ma­chen?«

      Ich war na­tür­lich ver­wirrt und em­pört über die­sen ganz un­mo­ti­vier­ten An­griff; da Mag­da mir kei­ne Zei­le ge­schrie­ben, nie einen Ver­such ge­macht hat­te, mich zu se­hen, muss­te ich wohl mit Recht an­neh­men, dass ich ihr läs­tig, dass ich für sie tot und be­gra­ben war. Und wie es eben Sit­te ist, sprach sie über einen To­ten nichts Schlech­tes. Aber an­stän­dig war es von mir, ihr dar­auf­hin still aus dem Wege zu ge­hen, ihr kei­ne Schwie­rig­kei­ten zu ma­chen, sie im frei­en Be­sitz mei­nes Ei­gen­tums zu las­sen.

      Dass der Arzt die­sen mei­nen Edel­mut nicht se­hen woll­te, son­dern mit har­ten, bö­sen Wor­ten über mich her­fiel, das be­wies mir, wie vor­ein­ge­nom­men er ge­gen mich war, und das ver­schloss für die Zu­kunft noch fes­ter mei­nen Mund, mach­te mich noch be­fan­ge­ner und un­frei­er. Ei­gent­lich war er nichts an­de­res als mein Feind, ein er­bar­mungs­lo­ser Feind, der da­nach trach­te­te, mich mit al­len Mit­teln zu über­lis­ten, und der das Über­ge­wicht als An­stalts­lei­ter rück­sichts­los mir ge­gen­über aus­nutz­te. Die an­de­ren Ge­fan­ge­nen hat­ten ganz recht, mich im­mer wie­der vor ihm zu war­nen. »Trau nur dem Stie­bing nicht! Ins Ge­sicht freund­lich, und hin­ter dei­nem Rücken macht er ein Gut­ach­ten über dich, dass du dein Leb­tag СКАЧАТЬ