Im Hause des Kommerzienrates. Eugenie Marlitt
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Im Hause des Kommerzienrates - Eugenie Marlitt страница 19

Название: Im Hause des Kommerzienrates

Автор: Eugenie Marlitt

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066111663

isbn:

СКАЧАТЬ schuld sein müssen an dem Anfall,« sagte sie geärgert, »aber ich weiß es besser. Du gehörtest von Rechts wegen ins Bett, Henriette, und nicht in die trockene Frühlingsluft hinaus, die für Leute deines Schlages wahres Gift ist — ich habe dich gleich gewarnt, aber du hast ja nie Ohren für einen wohlgemeinten Rat und möchtest einem am liebsten weismachen, du strotzest von Gesundheit wie ein Posaunenengel. Ebenso obstinat bist du bezüglich der ärztlichen Hilfe —«

      »Weil ich meine kranke Lunge nicht dem ersten besten Giftmischer anvertraue,« ergänzte Henriette in mattem, aber sehr entschiedenem Tone.

      »O weh, das geht meinem armen alten Medizinalrate an die Ehre,« rief Flora lächelnd. Sie zog die Schulter empor. »Immerhin, Kind, wenn es dir Vergnügen macht! Ich kann ja auch nicht wissen, wie er seine Mixturen mischt, so viel aber darf ich behaupten, daß er noch nie einem Patienten ungeschickterweise nahezu — den Hals abgeschnitten hat.«

      Der Kommerzienrat fuhr mit bleichem Gesichte herum und hob unwillkürlich die Hand, als wolle er sie auf den impertinenten, lästernden Frauenmund pressen; er schien sprachlos — sein Blick streifte scheu Käthens Gesicht.

      »Du Herzlose!« stieß Henriette hervor.

      »Herzlos bin ich nicht, aber unerschrocken genug, böse Dinge beim Namen zu nennen, selbst wenn die harten Worte auf eigene Wunden zurückschlagen sollten. Wo bliebe dann auch das Verdienst der strengen Wahrhaftigkeit? ... Denke an jenen schlimmen Abend und frage dich, wer recht behalten hat! Ich wußte, daß ein tiefer Sturz aus den Höhen fälschlich erträumter Berühmtheit erfolgen mußte — er ist erfolgt, zermalmender, rettungsloser als ich selbst gefürchtet, oder wollt ihr auch die einstimmige Verurteilung von seiten des Publikums wegdisputieren? Daß ich aber nicht mit stürzen will, wird jeder begreifen, der mich kennt ... Ich kann nicht beschönigen und vertuschen, wie es z. B. die Großmama aus dem Fundament versteht; ich will es auch gar nicht. Keine Rolle ist lächerlicher als die jener ahnungslosen Frauenseelen, die da noch öffentlich anbeten, wo, wie die Welt sich zuzischelt, längst nichts mehr zu verehren ist.«

       Sie schlug auch den anderen Thürflügel zurück und trat hinaus auf den Söller. Sie hatte in leidenschaftlicher Steigerung gesprochen; der bleiche Marmorton ihres vom blauen Frühlingshimmel sich scharf abhebenden Römergesichts belebte sich unheimlich; mit den flimmernden Augen voll abweisender Verachtung, mit den nervös bebenden Nasenflügeln war sie die personifizierte brennende Ungeduld.

      »Uebrigens hat es ja in seiner Hand gelegen, mich zu bekehren — wie hätte ich ihn dann verteidigen wollen mit Mund und Feder!« fuhr sie fort, während sich ihre feinen Finger in das rasselnde Geflecht verdorrter Schlingpflanzen verstrickten. »Aber er hat es vorgezogen, auf meine erste und einzige dahin zielende Frage stolz wie ein Spanier mit einem Eisesblicke zu antworten —«

      »Diese Antwort sollte dir genug sein —«

      »Ganz und gar nicht, mein lieber Moritz; ich finde sie sehr bequem und wohlfeil, und in Bezug auf sprechende Blicke und Gesten bin ich skeptisch — ich verlange mehr ... Aber ich will dir zeigen, daß mir der gute Wille nicht fehlt, indem ich dir hiermit noch einmal wiederhole, was ich gleich zu Anfang verlangt habe: Beweise mir und der Welt, daß er seine Schuldigkeit gethan hat, denn du warst Zeuge!«

      Er trat rasch von der Thürschwelle zurück und legte die Hand schützend über die Augen — das Sonnenlicht, das den Balkon grell überströmte, belästigte ihn unerträglich. »Du weißt allzu gut, daß ich das nicht in der Weise kann, wie du es forderst — ich bin kein Mediziner,« versetzte er mit tief herabgedrückter Stimme; sie verlor sich fast in einer Art von Murmeln.

      »Kein Wort mehr, Moritz!« rief Henriette. An ihrem Körper bebte jede Fiber. »Mit jedem Verteidigungsversuch gibst du zu, daß diese edle Braut einen Anschein von Berechtigung für sich hat, feig und wankelmütig zu sein.« Ihre großen Augen, in denen das innere Fieber aufglühte, richteten sich haßerfüllt auf das schöne Gesicht der Schwester. »Im Grunde kann man nur wünschen, daß deine grausamen Manöver möglichst rasch zum Ziele führen möchten, das heißt — sei es endlich einmal in dürren Worten ausgesprochen — daß er infolge deiner sichtlichen Entfremdung freiwillig das Verhältnis lösen hilft; denn er verliert wahrlich nichts an deiner kalten Seele, die sich nur an äußere Erfolge klammert, aber er liebt dich und wird weit eher mit vollem Bewußtsein in eine unglückliche Ehe gehen, als sich von dir trennen — das beweist sein ganzes Verhalten —«

       »Leider,« warf Flora über die Schulter herüber ein.

      »Und aus dem Grunde werde ich zu ihm stehen und deine Machinationen vereiteln, wo ich kann,« vollendete Henriette mit zuckenden Lippen und gesteigerter Stimme.

      Der mitleidige Seitenblick, mit welchem Flora das tief erregte gebrechliche Mädchen langsam maß, funkelte förmlich in grausamem Spott, aber es war auch, als käme ihr bei dieser Musterung eine überraschende Erkenntnis; sie legte plötzlich den rechten Arm um Henriettens Schulter, zog die Widerstrebende an sich heran und flüsterte ihr mit einem sardonischen Lächeln ins Ohr: »Beglücke du ihn doch, Kleine! Ich werde ganz gewiß keinen Einspruch erheben — davor bist du sicher.«

      Bis zu welchem frevelhaften Uebermute konnte sich doch solch eine eitle Frauenseele versteigen, die sich gefeiert und heiß begehrt wußte! Käthe stand nahe genug, um das Gezischel zu verstehen, und so passiv sie sich auch bisher verhalten, jetzt sprühte ein ehrlicher Zorn aus ihren Augen.

      Flora fing den Blick auf. »Schau, was das Mädchen für Augen machen kann! Verstehst du denn keinen Spaß, Käthe?« sagte sie halb amüsiert, halb betroffen. »Ich thue deinem verhätschelten Pflegling nichts, obschon ich das gute Recht hätte, Henriettens kleine Bosheiten endlich einmal derb abzufertigen ... Diese zwei Menschen,« sie zeigte auf den Kommerzienrat und Henriette, »bilden sich ein, über meine Sitten wachen zu müssen, und du, Jüngstes, eben aus dem Pensionsnest geschlüpft, Häkel- und Stricktouren und ein paar französische Brocken im Kopfe, hältst sofort zu ihnen und machst Front gegen mich — Närrchen, meinst du wirklich ein Urteil über deine Schwester Flora zu haben?« Sie lachte belustigt auf und streckte die Hand gegen einen der Nußbäume aus, von welchen eben eine Taube emporflog; der blendendweiße Vogel stieg hoch in den flimmernden Himmel hinein. »Siehst du, Kleine, eben noch hockte sie neben den anderen auf dem Aste dort, und die anderen waren ihresgleichen — und jetzt werfen ihre ausgebreiteten Flügel förmlich Silberfunken, und in der einsamen blauen Höhe wird sie eine selbständige stolze Erscheinung für die Menschenaugen drunten. Vielleicht lernst du dermaleinst verstehen, auf welche feurige, dürstende Menschenseele das Bild paßt. Apropos, Moritz,« unterbrach sie sich lebhaft und winkte den Kommerzienrat zu sich heraus auf den Söller, »dort hinter dem Gehölze muß ja wohl Brucks Acquisition, das alte Wirtschaftsgebäude, liegen — ich sehe starken Rauch über den Bäumen —«

      »Aus dem einfachen Grunde, weil Feuer auf dem Herde brennt,« versetzte lächelnd der Kommerzienrat; »die Tante Diakonus zieht seit gestern ein.«

      »In das verwahrloste Nest, wie es ist?«

      »Wie es ist. Uebrigens war der Schloßmüller ein viel zu guter Wirt, um seine Gebäulichkeiten verfallen zu lassen; in dem Hause fehlt kein Nagel, kein Ziegel auf dem Dache.«

      »Nun, Glück zu! Im Grunde ist die Sache so übel nicht. Die vorweltlichen Ausstattungsmöbel der Tante und das Bild des seligen Diakonus passen an die Wände; Platz genug für die Einmachbüchsen, und das Backobst wird ja auch da sein, und das Scheuerwasser fließt direkt und unerschöpflich am Hause vorbei.« Sie affektierte einen leichten Nervenschauer und nahm wie unwillkürlich den reich garnierten Kleidersaum auf, als fühle sie sich plötzlich auf einen frisch gescheuerten Dielenboden versetzt. »Es wird gut sein, die Thüren zu schließen,« sagte sie rasch in das Zimmer zurücktretend; »der Wind trägt den Rauch und СКАЧАТЬ