Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
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Название: Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)

Автор: Peter Rosegger

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075837325

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СКАЧАТЬ Wagen ist dahier nicht zu haben; so gehen wir zusammen, Bursche, und benützen den Schirm gemeinsam; letztlich magst ihn behalten oder das Geld dafür haben.«

      Gottesschad' wär's um den feinen Rock, den er anhat, denk' ich, und sag': »So ist es mir recht.«

      Arm in Arm bin ich, der Schirmmacherbursch, mit dem vornehmen Herrn in die Stadt gegangen. Wir haben unterwegs miteinander geplaudert. Er hat es so zu fügen gewußt, daß ich ihm nach und nach all meine Umstände und meine ganze Lebensgeschichte erzählt hab.

      Der Regen hörte auf; die Sonne scheint, ich trage den Schirm noch offen über der Achsel, daß er trocknen mag. Wir kommen zur Stadt, da will ich zurückbleiben – es ist nicht schicksam, daß ich mit einem so feinen Herrn durch die Stadt gehe. Er hat mich aber freundlich eingeladen, nur mit ihm zu kommen. Er hat mich zuletzt mit in sein Haus geführt, hat mir Speise und Trank vorsetzen lassen, hat mich endlich gar gefragt, ob ich nicht bei ihm bleiben wolle, er stehe einer Bücherei vor und benötige in ihr einen Handlanger.

      Was weiß ich unfertiger Mensch mit der Schirmmacherei anzufangen? Ich werde Handlanger in der Bücherei.

      Damalen hab' ich's gut gehabt. Mit meinem Herrn bin ich zufrieden gewesen; der hat mir das Regenschirmdach reichlich erstattet; kein Lüftlein hat mich beleidigt unter seinem Dach. Aber die Handlangerarbeit hat mir nicht vonstatten gehen wollen. Der helle Fürwitz ist's gewesen; mit jedem Buch, das ich zur Hand bekommen, hätt' ich auch gleich Bekanntschaft machen mögen. Allerweile hab ich's mit den Aufschriftblättern und Inhaltsverzeichnissen zu tun gehabt, und ich hab das, was mir insonderheit erfahrungswert geschienen, gar zu lesen angefangen. Auf das Zurechtstellen und Ordnen der Bücher hab' ich vergessen.

      Was sagt mein Herr eines Tages zu mir? – »Bursche, für das Auswendige der Bücher bist du nicht zu brauchen, du mußt in das Inwendige hinein. Mir dünkt es gut, daß ich dich in einer Lehranstalt unterbringe.«

      »Ja freilich, ja freilich – das ist mein heimlich Verlangen.«

      »Es wird gelingen, dich in die dasige GelehrtenschuleHier scheint ein Irrtum obzuwalten; unseres Wissens hat zu jener Zeit in Salzburg keine Gelehrtenschule bestanden. Vielleicht ist der wahre Name der Anstalt absichtlich verhüllt worden. (Der Herausgeber) zu stellen, du wirst rechtschaffen und fleißig sein, wirst Unterstützung finden; es geht rasch aufwärts und, kehr' die Hand, wird's heißen: Herr Doktor Erdmann!«

      Ganz heiß wird mir bei diesen Worten. Nicht gar lange nachher und mir ist noch heißer geworden. Mein Brotherr hat es durchgesetzt; ich bin in die Gelehrtenschule gekommen und schnurgerade mitten hinein in das Innere der Bücher. Aber in der Schule, da werden einem trutz die allerlangweiligsten Bücher in die Hand gegeben; die kurzweiligen sind allesamt verboten. Dinge, die mich auswendig und einwendig gar nichts angegangen, hab' ich müssen in meinen Kopf hineinpressen. Das ist eine Pein gewesen; denn damalen haben mir meine Jahre und Lebensumstände den Kopf schon hübsch vollgepfropft gehabt mit anderen Dingen.

      Eine siebenfältige Speiskarte ist mein Wochenkalender gewesen. Mein Mittagstisch ist gestanden: am Montag bei einem Lehrer; am Dienstag bei einem Freiherrn; am Mittwoch bei einem Kaufmann; am Donnerstag bei einem Schulgenossen, der ein reicher Tuchmacherssohn gewesen und mich zu sich in einen Gasthof geladen hat. Am Freitag hab' ich bei einem alten Obersten gegessen; am Samstag bei sehr armen Leuten in einer Dachstube, denen ich dafür die Kinder im Rechnen unterrichtet; und am Sonntag bin ich bei meinem Schutzherrn gewesen, dem Vorsteher der Bücherei. Auch habe ich von all diesen Menschen Kleider an meinem Leibe getragen.

      So ist es jahrelang gewesen. Da hat mich mein Dienstag-Tischherr für sein Söhnlein zum Hauslehrer bestellt. Jetzo ist's schon besser gegangen. Zuerst habe ich den armen Leuten in der Dachstube das Mittagsmahl nachgelassen, aber die Pflicht empfunden, den Unterricht ihrer Kinder doch fortzusetzen. Ein weiteres ist gewesen, daß ich einmal meinen Frack anziehe – der ist sehr fein und vornehm, ist auch für mich nicht gemacht worden – und meine Muhme besuche. Meine Muhme macht zierliche Bücklinge und nennt mich ihren lieben, sehr lieben Herrn Vetter.

      Wie freudig ich auch anfangs d'rein gegangen bin in meinem Lernen, es ist mir gar bald verleidet worden. Da habe ich vormalen immer gemeint, in einer Gelehrtenschule würde man Himmel und Erde erfassen und alles, was darin ist, im schönen Zusammenhange erkennen lernen; sie tun ja so, als ob sie das alles innehätten, die Herren Gelehrten, wenn sie mit hoher Würde über die Gasse gehen. Das hat mich sauber betrogen. Für einen, der nur studiert, um ein lustiger Student sein zu können; für einen, der nur lernt, um dereinstmalen als »Gelehrter« zu prangen oder als solcher sein Brot zu erwerben – für so einen mag diese Gelehrtenschule taugen. Für einen nach wahrem Wissen und Erkennen Strebenden aber ist sie ein erbärmlich Ding. Ein sehr erbärmlich Ding.

      Schöne Gegenstände sind auf dem Lehrplan gestanden. Schon in den unteren Abteilungen haben wir Erdbeschreibung, Geschichte, Meß- und Größenlehre, Sprachlehre usw. gehabt. Die verkehrte Welt ist's gewesen. In der Erdbeschreibung haben wir statt Länder- und Völkerkunde nur die Größe der Fürstentümer und ihrer Städte vor Augen gehabt. In der Geschichte haben wir, anstatt der naturgemäßen Entwicklung der Menschheit nachzuspüren, spitzfindige Staatenklügelei getrieben; der Lehrer hat allfort nur von hohen Fürstenhäusern und ihren Stammbäumen, Umtrieben und Schlachten geschwätzt; sonst hat der Wicht nichts gewußt. In der Meßlehre haben wir uns mit Beispielen abgeplagt, die weder der Lehrer noch der Schüler verstanden und im Leben selten vorkommen. Die Sprachlehre ist schon gar ein Elend gewesen. Ach, die schöne arme deutsche Sprache ist zugerichtet, daß einem das Herz möcht' brechen. Seit vielen Jahren ist sie von der welschen belagert, ja hochnotpeinlich auf die Folter gespannt. Und wollt's ein deutscher Bursche einmal versuchen, seine reinen Mutterlaute wieder zu Ehren zu bringen, alsogleich taten die hochgelahrten Herren herbeistürzen mit ihrem Griechisch und Latein, um mit dem toten Buchstaben der toten Sprachen auch den deutschen Laut zu töten. Ich weiß recht gut, welchen Segen die Sprache des Homer und Virgil in sich trägt; davon zeugt unser Klopstock und Schiller. Aber die gelehrten Pharisäer, von denen ich rede, gehen auf den Buchstaben und nicht auf den Geist. Mit überflüssigen Dingen pferchen sie uns den Kopf voll. Die unsinnigsten Lehrsätze, vor Jahrhunderten von verkehrten Köpfen erfunden, müssen wir auswendig lernen; ... ja, wenn ich all das Erbärmliche wollte beschreiben! – Und wer das dürre Zeug nicht mag und kann, der wird von den Lehrern mißhandelt. Wir sind schutzlos; sie haben uns in ihrer Gewalt. Beliebt es ihnen, Spaße zu machen, so müssen die uns ergötzlich sein. Haben sie Zahnschmerz, so müssen wir es entgelten. Ach, das ist ein böses Gehetze und Geplage; für unbemittelte Bursche schon gar ein Elend!

      Während ich in der Anstalt gewesen, haben sich zwei Schüler ums Leben gebracht. – Auch gut, hat der Leiter der Schule gesagt, was sich nicht biegt, das muß brechen. Und das ist die Grabrede gewesen.

      Da ist am ersten Tage nach einem solchen Selbstmord, daß ich daran komme, in der lateinischen Sprache über das Wesen der römischen Könige vor meinen Lehrern und Lerngenossen eine Rede zu halten. Ich komme geradewegs von der Bahre meines unglücklichen Kameraden, und hocherregten Gemütes besteige ich den Redestuhl. »Ich will vergleichen zwischen den Römern und den Deutschen«, rufe ich, »die alten Tyrannen haben den Körper geknechtet, die neuen knechten den Geist. Da draußen in der finsteren Kammer, verlassen und aller Ehre beraubt, liegt einer, zu Tode gehetzt...«

      Ich mag noch einige Worte gesagt haben; dann aber nahen sie und führen mich lächelnd vom Redestuhl herab. »Der Erdmann ist verwirrt«, sagte einer der Lehrer, »nicht deutsch, sondern lateinisch soll er sprechen. Demnächst wird er's besser machen.«

      Bin nach Hause getaumelt wie ein Narr. Heinrich, der Tuchmacherssohn, mein Tisch- und Schulgenosse, eilt mir nach: »Andreas, was hast du getan? Was hast du geredet?«

      »Zuwenig, zuwenig«, sage ich.

      »Das wird dich verderben, Andreas; kehre sogleich um und leiste СКАЧАТЬ