Название: Karin Bucha Staffel 4 – Liebesroman
Автор: Karin Bucha
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Karin Bucha Staffel
isbn: 9783740921576
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Mit tiefer Sorge bemerkt Frau Hanna den inneren Verfall ihres Sohnes. Seine Haltung ist nicht mehr so straff wie einst; er beginnt, sich in seiner Kleidung zu vernachlässigen; und wenn Frau Hanna nicht wäre, stünde es noch weit schlimmer um ihn.
In ihrer Ratlosigkeit setzt Frau Hanna sich mit Christoph Rodisch in Verbindung. Der alte Herr und Bob wären freilich auch ohne ihre Aufforderung gekommen, denn mit Schrecken haben sie die Veränderung in Bernds Wesen wahrgenommen. Sie warten tatsächlich nur auf den Augenblick, der ihnen als günstig erscheint, um ihn wachzurütteln.
Vater und Sohn betreten Bernds Büro, als dieser gerade im Begriff ist, das Werk zu verlassen.
»Na, da sind wir ja gerade zur rechten Zeit gekommen«, beginnt der alte Rodisch. »Wir fuhren zufällig vorbei, Bernd, und wollten Ihnen nur mal die Hand drücken.«
»Machst dich recht selten bei uns, alter Junge«, schließt sich Bob den Worten seines Vaters an und langt in die von Bernd gereichte Zigarrenkiste.
»Keine Zeit«, sagt Bernd kurz und abwehrend.
»Das hört sich gut an«, lacht Rodisch, »Zeit ist Geld, also müssen Sie gutes Geld verdienen.«
»Danke, bin zufrieden«, erwidert Bernd und schweigt.
Auch darüber wundern sich die beiden Besucher sehr, Bernd, der ihnen gegenüber allzeit aufgeschlossene Bernd, hat sich in das Gegenteil verwandelt, ist in ihrer Gegenwart wortkarg und zurückhaltend geworden. Wo ist der liebenswürdige Plauderer von einst geblieben?
Christoph Rodisch läßt seine klugen Augen forschend auf dem leidgezeichneten Männergesicht ruhen. »Sie gefallen mir nicht, Bernd«, bemerkte er teilnehmend.
»Ich gefalle mir selbst schon lange nicht mehr.« Der gequälte Zug um den schmalen Mund tritt stärker hervor. Aber da kommt ihm ein Gedanke, der ihn selbst überrascht. »Trägt Ihr Besuch geschäftlichen Charakter?« fragt er mit einer gewissen Spannung.
»Wie man’s nimmt«, erwidert Rodisch vorsichtig. Er hat die Führung des Gesprächs übernommen, Bob beschränkt sich vorläufig aufs Zuhören. Er empfindet tiefes Mitleid mit dem Freunde.
»Also doch geschäftlich«, versetzt Bernd.
Rodisch beugt sich vor. »Sie sind in Verhandlungen mit der Westram AG getreten. Wollen Sie den Auftrag annehmen?«
Erstaunt sieht Bernd hoch. »Woher wissen Sie das?«
»Ich weiß noch mehr«, lächelt Rodisch geheimnisvoll. »Ich weiß zum Beispiel auch, daß Sie so, wie es um Ihre Finanzen bestellt ist, den Auftrag kaum durchführen können.«
»Wir sind gut beschäftigt.«
»Wollen Sie damit behaupten, daß Sie gut auf diesen Auftrag verzichten können?«
»Ja.«
Rodisch fährt sich mit einer verzweifelten Gebärde durch das dichte Haar. »Da haben wir’s! Dacht’ ich mir’s doch!« Erblickt den Fabrikanten vorwurfsvoll an. »Ist das Ihr Vertrauen, dessen Sie mich seinerzeit versicherten?«
»Es hat doch alles keinen Zweck«, meint Bernd.
»Sie denken zuviel an Ihre unglückliche Frau, der Sie mit dieser Gleichgültigkeit ganz gewiß nicht helfen können! Denken Sie an die Menschen, die vertrauensvoll zu Ihnen aufschauen! Denken Sie an Ihre Kinder!«
Rodisch hat sich vorgenommen, ganz hart zu Bernd zu sein. Er ist der Ansicht, daß nur rücksichtslose Offenheit hier zum Ziele führen kann.
»Wie würde ich schuften, wenn ich wüßte, daß ich dadurch meinen Kindern die Mutter zurückgeben könnte!«
Nach dieser Äußerung, die der Ausdruck tiefster innerer Not ist, bleibt es eine Weile still zwischen den drei Männern.
Rodischs Worte haben dennoch Widerhall in Bernds Herzen gefunden. Kann er sich deren Wahrheit verschließen? Nein! Er hat eine Verantwortung übernommen, warum ist er sich dessen nicht mehr bewußt?
»Vermeiden Sie für eine gewisse Zeit das Wiedersehen mit Maria. Werden Sie erst einmal gesund, Bernd. Sie sind krank an Leib und Seele. Ein kranker Mensch ist nur ein halber Mensch, von dem man niemals gute Leistungen erwarten kann«, nimmt Rodisch abermals das Wort.
Bernds Augen starren ins Leere. »Ja, Sie haben recht, ich bin krank«, wiederholt er leise.
Rodischs Stimme wird um einen Ton wärmer. »Nehmen Sie an, Bernd, ich sei Arzt und verschriebe Ihnen eine wirksame Arznei. Vor allem, reißen Sie sich von der Vergangenheit los. Denken Sie an Ihre Frau wie an einen Menschen, der sich in seinem Zustand, obwohl er an sich überaus traurig ist, dennoch in gewissem Sinne glücklich fühlt. Nehmen Sie Zuflucht zu Ihrer Arbeit. Schaffen Sie aber nicht ohne innere Hingabe, denken Sie an Ihre Arbeiter, an Ihre Kinder, an Ihre Mutter. Wir sind doch Ihre Freunde, muß ich Ihnen das noch besonders ins Gedächtnis zurückrufen?«
Bernds Stimme verdüstert sich, und langsam kommt seine Frage: »Sie sorgen sich um das Kapital, das Sie mir geliehen haben?«
Der Alte lacht unbekümmert auf. »Unsinn!« Dann wird er sofort wieder ernst. »Wenn ich sie hätte, würde ich Ihnen die gleiche Summe noch einmal auf den Tisch legen. Aber soviel habe ich leider nicht mehr. Doch Sie brauchen Geld, Bernd! Eine offene Frage: Wieviel benötigen Sie?«
Mit einem energischen Ruck wendet Bernd sich ihm zu, seine Augen flammen jetzt von eiserner Entschlossenheit. »Nichts brauche ich!« sagt er fest und faßt nach Rodischs Hand. »Schon einmal habe ich ein Versprechen Ihnen gegenüber schlecht gehalten. Aber ich danke Ihnen, daß Sie mir die Augen geöffnet haben. Schlimm genug, daß ich es so weit kommen ließ!«
»Sie werden schon wieder alles in Ordnung bringen.« Rodisch drückt die ihm dargebotene Hand, seine hellen Augen blitzen unter den buschigen Brauen.
»Können wir wissen, ob wir immer das Rechte tun?«
»Das ist ein Wort!« fällt Bob ein, und er weiß, diesmal ist es Bernd bitter ernst.
»Es ist kein falscher Stolz, der mich Ihr Anerbieten ausschlagen läßt«, spricht Bernd weiter. »Ich will einfach den Beweis erbringen, daß man mir nicht umsonst vertraut hat. Verstehen Sie mich?«
Rodisch nickt, aber ganz einverstanden ist er nicht. Ganz richtig vermutet er, daß Bernd vielleicht vorzeitig erlahmen könnte, wenn er sieht, daß er nicht so kann, wie er will.
»Gut«, sagt er dennoch, »versuchen Sie es, Bernd! Wenn Sie es schaffen, dann haben Sie bewiesen, daß Sie ein ganzer Kerl sind!«
Der Herbst ist gekommen, und mit ihm hat sich manches geändert.
In den Imhoff-Werken herrscht wieder straffe Zucht und Ordnung wie früher, seit der Fabrikherr die Zügel fest in die Hand genommen hat. Neue Aufträge fließen dem Werk zu.
Aber nicht alles geht gut aus. Er hat schwer zu kämpfen, und manchmal kommt ihm der Gedanke, daß er es leichter haben könnte, wenn er Christoph Rodischs Angebot angenommen hätte.
Dann regt sich jedoch wieder der alte Stolz in ihm. Nein! Nur durch Kampf gelangt man zum Ziel! Warum soll er es sich so leicht machen? Und mit gesteigerter Willenskraft СКАЧАТЬ