Название: Im Namen des Kindes
Автор: Martina Leibovici-Muhlberger
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783902862464
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Der Beziehungsvater, der selbstständig und zuverlässig Zeitsegmente mit seinem drei Monate alten Sohn zu betreuen vermag, dem man nicht sagen muss, welche Windelgröße gerade angesagt ist und der selbstständig notwendige Impftermine in Evidenz hält, ist, im Unterschied zum reinen, sich für das wirtschaftliche Wohlergehen seiner Familie zuständig fühlenden Versorgervater, der seinen Sohn mit sechs Jahren zum ersten Mal zum Fußballspiel mitnimmt, in. Gerade diese Beziehungsväter setzen, als kontinuierlich und intensiv in die Betreuung ihrer bereits sehr jungen Kinder einbezogene Bezugspersonen, wertvolle Bindungsangebote an ihre Kinder.
Umso befremdlicher erscheint es, wenn dann im Zuge von Scheidung und Obsorge-/Kontaktregelung diese gegebene Lebenssituation des Kindes außer Acht gelassen wird und der Vater sich für das bisherige wie zukünftige Gedeihen des jungen Kindes zu einem inferioren Wasserträger degradiert wiederfindet. Diese Entsorgung der Väter, die sie in den Rang von Zahlstellen verweisen möchte, stärkt kein Mutterrecht, sondern missachtet in erster Linie Kinderrechte und reduziert die Chancen der betroffenen Kinder auf eine unbeschädigte Zukunftsgestaltung.
Da im »Kampf ums Kind« ein heftiger, mehr von narzisstischen denn sachlichen Begründungen geleiteter Ideologienkrieg der Geschlechter tobt, gilt es, an dieser Stelle kritisch anzumerken, dass keinem der Geschlechter eine a priori bessere Eignung zukommt. Der Blickwinkel der Bedürfnislage und Lernsituation für das Kind favorisiert eindeutig beide Elternteile gemeinsam als »best option« – und im jeweiligen Einzelfall sind das persönliche Engagement und die vorhandene erzieherische Kompetenz für die situationsbeste Lösungsfindung als Bezugsmaß anzuwenden. Es geht, so sehr es manchmal den Anschein hat, dass dies vergessen wird, nicht um Männerrechte oder Frauenrechte, sondern um Kinderrechte.
Kinder wollen beide Eltern – schon aus evolutionsbiologischen Gründen
* Die Paarbildung ermöglichte es, dass mit dem kontinuierlichen aufrechten Gang der volle evolutionsbiologische Vorteil entfaltet werden konnte.
* Eine lange postnatale Phase intensiver Betreuung der Nachkommen ergab sich als notwendige Konsequenz des aufrechten Gangs und einer beschränkten Beckendurchgangsöffnung für die Geburt von Nachkommen.
* Die Arbeitsteiligkeit und Notwendigkeit beider Elternteile in der Betreuung der Nachkommen führt beim Kind zu einem grundsätzlichen Bindungswunsch zu beiden Elternteilen.
* Das Kind bezieht von beiden Elternteilen während seiner Kindheit wesentliche identitäts- und selbstbildbegründende Einflüsse. Diese sind unterschiedlich, jedoch gleichwertig.
* Eine Trennung/Scheidung des Elternpaares läuft den Interessen und Beziehungsbedürfnissen des Kindes für ein unbeeinträchtigtes Aufwachsen primär entgegen und löst Verlustangst aus.
* Ist die Trennung/Scheidung des Elternpaares bedingt durch unüberwindbare Konfliktspannung und Entfremdung unausweichlich, so liegt es im entwicklungspsychologischen Interesse des Kindes, zu beiden Elternteilen einen gleichmäßigen und unbehinderten Zugang zu entwickeln – die Entwicklung einer kooperativen statt gemeinsamen Elternschaft.
3.
Die Trennung/Scheidung der Eltern – Ein lebenslanges Trauma?
Claudia hat erst vor Kurzem ihren 30. Geburtstag gefeiert. Eine strahlende, temperamentvolle, gutaussehende junge Frau, noch dazu mit einem Sub-auspiciis-Abschluss der Wirtschaftsuniversität und einer guten Einstiegsposition ins Berufsleben, sitzt mir da gegenüber. Von Kollegen und Freunden wird Claudia hoch geschätzt. Sie ist einfühlsam, belastbar, zuverlässig und hat stets einen aufmunternden Scherz, auch unter höchster Arbeitsanforderung, parat. Sie ist mehr als eine faire Kollegin – und eine Prachtfrau, wenn man die gängigen optischen Maßstäbe anlegen will, noch dazu.
Dass um Claudia also eine Schar junger Männer zirkuliert, ist für jeden nahe liegend, und dass sich da scheinbar nie etwas Längeres entwickelt, verorten die meisten darin, dass eine Frau wie Claudia eben die Qual der Wahl hat. Keiner ihrer Kollegen oder Freunde würde den Grund vermuten, warum Claudia mich zur Therapie aufsucht: Claudia gelingt es nicht, eine stabile Beziehung zu einem Mann aufzubauen.
Anfangs läuft es immer sehr gut, ein Feuerwerk an Sinnlichkeit und Euphorie begleitet die ersten Wochen, doch schon bald stellen sich – aus, wie ihr bewusst ist, nichtigen Gründen – härteste Zweifel an der Beziehung und ein nagendes Misstrauen dem Partner gegenüber ein. In der Folge fühlt sie sich zu unkontrollierten, scharfen Auseinandersetzungen angetrieben und bespitzelt ihre Partner in dieser sehr frühen Beziehungsphase, um sich so »Gewissheit« zu verschaffen.
»Solange mir ein Typ egal ist, gibt es überhaupt kein Problem für mich«, beschreibt sie das sich immer wiederholende Muster, »aber in dem Moment, in dem ich realisiere, dass er mir etwas bedeutet, legt sich ein Schalter um. Ich bin dann wie besessen von dem Gedanken, dass er mich betrügen könnte, muss ständig an ihn denken und mir die schrecklichsten Dinge vorstellen ...«
Kein Wunder also, dass Claudia, von ihren Ängsten gequält, meint, sich wider ihr besseres Wissen beständig »Klarheit« verschaffen zu müssen, damit allerdings gleichzeitig der noch jungen Beziehung das Grab schaufelt.
Claudia ist mit ihrer Mutter, einer sehr verhärmten und verbitterten Frau, wie sie sie beschreibt, aufgewachsen. Die Ehe der Eltern wurde geschieden, als Claudia acht Jahre alt war. Dem vorausgegangen war eine intensive Periode elterlichen Konflikts. Claudia kann sich nicht erinnern, ihre Eltern anders als in feindlicher Anspannung zueinander erlebt zu haben. Der Vater hatte die Mutter mehrere Male betrogen. Als besonders unangenehm erinnert Claudia Szenen, in denen ihre Mutter sie antreten ließ, um dann den Vater vor ihr wegen seiner Verfehlungen zu beschimpfen. In diesen erzwungenen Situationen von Zeugenschaft habe sie sich völlig orientierungslos gefühlt und gewünscht, sich verstecken zu können.
Nach der Scheidung, die Claudias Vater schließlich anstrebte, gestaltet sich die Beziehung zu ihrem Vater, mit dem sie sehr warme, liebevolle Erinnerungen aus ihrer frühen Kindheit verbinden, äußerst belastet. Wenn sie zur Mutter heimkommt, wird sie hochnotpeinlich befragt, wobei alles, was sie von gemeinsamen Erlebnissen mit dem Vater erzählt, abgewertet wird. Claudias Vater heiratet ein paar Jahre später ein zweites Mal, Claudias Mutter baut ein sehr zurückgezogenes, auf die Betreuung ihrer Tochter ausgerichtetes Leben auf.
»Mama hat nie mehr jemanden an sich herangelassen«, beschreibt Claudia die Situation des Zusammenlebens mit ihrer Mutter. »Da war so eine grundsätzliche Schwere, es gab nur sie und mich, und alles war immer irgendwie negativ, egal, ob es das Wetter war, die Nachbarn oder was so in der Welt passierte«, ist das atmosphärische Stimmungsbild nach der Scheidung der Eltern.
Claudia, deren weiterer Kontakt zu ihrem Vater nach seiner neuerlichen Eheschließung von der Mutter erfolgreich unterlaufen wird, versucht in dieser symbiotischen Konstruktion über hervorragende Schulleistungen der Mutter Freude zu bereiten. Sie durchläuft eine unspektakuläre Pubertät und hat kaum Interesse, von der Seite ihrer Mutter zu weichen, um sich dann mit Studienbeginn, »in die Realität geworfen«, wie sie es nennt, wiederzufinden. Trotz massiver Schuldgefühle der Mutter gegenüber, die die Verselbstständigung der Tochter nun intensiv bekämpft, ihr nachspioniert und sie mit Vorwürfen überschüttet, gelingt es ihr, wenn auch von einem nachfolgenden jahrelangen Bruch mit der Mutter begleitet, ihre Unabhängigkeit zu erlangen.
Nicht verwunderlich, dass in diese Periode auch ihre neuerliche Kontaktaufnahme mit dem Vater fällt, und ebenfalls nicht verwunderlich, dass sie von der Begegnung mit ihm enttäuscht ist. »Irgendwie konnte ich ihm nicht verzeihen, dass er nicht um den Kontakt zu mir gekämpft hat, als meine СКАЧАТЬ