Aphorismen zur Lebensweisheit. Georg Schwikart
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Название: Aphorismen zur Lebensweisheit

Автор: Georg Schwikart

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker der Weltliteratur

isbn: 9783843800266

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      Dieser Autor hat etwas zu sagen. Und man hört hin. Das war während seines Lebens nicht immer so. Der Erfolg stellte sich bei ihm erst spät ein, dafür nachhaltig. Noch 150 Jahre nach seinem Tod lesen wir seine Schriften. Er belehrt darin, unterhält auch, regt zum Nachdenken an. Selbst wenn er doziert und wie ein Prediger erklärt, was ohnehin jeder weiß, kann man es sich von ihm noch einmal sagen lassen. Auch wenn sich im Leser da und dort Widerspruch regen mag.

      Dieses Buch kann einen nämlich nicht kalt lassen: Entweder man wehrt sich gegen Schopenhauers Weltsicht, und schärft dadurch die eigene Anschauung. Oder man findet bei ihm Erkenntnisse, die tatsächlich helfen, das Dasein auf Erden leichter zu meistern. Auf jeden Fall bietet er keine »Fünf-Minuten-Lebenshilfe«, sondern eine, die Zeit und Anstrengung fordert.

      Kurzum, ein Muss für alle Philosophie-Interessierten. Ein Buch, das in die Bibliothek jedes aufgeklärten, also selbst denkenden Menschen gehört.

       Sankt Augustin, im Dezember 2009

      Georg Schwikart

      Einleitung

       Das Glück ist kein leichtes Ding. Nur sehr schwer finden wir es in uns und anderswo gar nicht.Chamfort1.

      Ich nehme den Begriff der Lebensweisheit hier gänzlich im immanenten2 Sinne, nämlich in dem der Kunst, das Leben möglichst angenehm und glücklich durchzuführen, die Anleitung zu welcher auch Eudämonologie3 genannt werden könnte: sie wäre demnach die Anweisung zu einem glücklichen Dasein. Dieses nun wieder ließe sich allenfalls definieren als ein solches, welches, rein objektiv4 betrachtet, oder vielmehr (da es hier auf ein subjektives5 Urteil ankommt) bei kalter und reiflicher Überlegung, dem Nichtsein entschieden vorzuziehen wäre. Aus diesem Begriffe desselben folgt, dass wir daran hingen, seiner selbst wegen, nicht aber bloß aus Furcht vor dem Tode; und hieraus wieder, dass wir es von endloser Dauer sehen möchten. Ob nun das menschliche Leben dem Begriff eines solchen Daseins entspreche, oder auch nur entsprechen könne, ist eine Frage, welche bekanntlich meine Philosophie verneint; während die Eudämonologie die Bejahung derselben voraussetzt. Diese nämlich beruht eben auf dem angeborenen Irrtum, dessen Rüge das 49. Kapitel im 2. Bande meines Hauptwerkes6 eröffnet. Um eine solche dennoch ausarbeiten zu können, habe ich daher gänzlich abgehen müssen von dem höheren, metaphysisch-ethischen7 Standpunkte, zu welchem meine eigentliche Philosophie hinleitet. Folglich beruht die ganze hier zu gebende Auseinandersetzung gewissermaßen auf einer Akommodation8, sofern sie nämlich auf dem gewöhnlichen, empirischen9 Standpunkte bleibt und dessen Irrtum festhält. Demnach kann auch ihr Wert nur ein bedingter sein, da selbst das Wort Eudämonologie nur ein Euphemismus10 ist. – Ferner macht auch dieselbe keinen Anspruch auf Vollständigkeit; teils weil das Thema unerschöpflich ist; teils weil ich sonst das von andern bereits Gesagte hätte wiederholen müssen.

      Als in ähnlicher Absicht, wie gegenwärtige Aphorismen, abgefasst, ist mir nur das sehr lesenswerte Buch des Cardanus11 de utilitate ex adversis capienda12 erinnerlich, durch welches man also das hier gegebene vervollständigen kann. Zwar hat auch Aristoteles13 dem 5. Kapitel des 1. Buches seiner Rhetorik eine kurze Eudämonologie eingeflochten: sie ist jedoch sehr nüchtern ausgefallen. Benutzt habe ich diese Vorgänger nicht; da Kompilieren14 nicht meine Sache ist; und umso weniger, als durch dasselbe die Einheit der Ansicht verloren geht, welche die Seele der Werke dieser Art ist. – Im allgemeinen freilich haben die Weisen aller Zeiten immer dasselbe gesagt, und die Toren, d. h. die unermessliche Majorität aller Zeiten, haben immer dasselbe, nämlich das Gegenteil, getan: und so wird es denn auch ferner bleiben. Darum sagt Voltaire15: Wir werden diese Welt ebenso dumm und ebenso schlecht verlassen, wie wir sie vorfanden, als wir in ihr ankamen.

      Kapitel I

      Grundeinteilung

      Aristoteles hat die Güter des menschlichen Lebens in drei Klassen geteilt – die äußeren, die der Seele und die des Leibes. Hievon nun nichts, als die Dreizahl beibehaltend, sage ich, dass was den Unterschied im Lose der Sterblichen begründet, sich auf drei Grundbestimmungen zurückführen lässt. Sie sind:

      Was Einer ist: also die Persönlichkeit, im weitesten Sinne. Sonach ist hierunter Gesundheit, Kraft, Schönheit, Temperament, moralischer Charakter, Intelligenz und Ausbildung derselben begriffen.

      Was Einer hat: also Eigentum und Besitz in jeglichem Sinne.

      Was Einer vorstellt: unter diesem Ausdruck wird bekanntlich verstanden, was er in der Vorstellung anderer ist, also eigentlich wie er von ihnen vorgestellt wird. Es besteht demnach in ihrer Meinung von ihm, und zerfällt in Ehre, Rang und Ruhm.

      Die unter der ersten Rubrik zu betrachtenden Unterschiede sind solche, welche die Natur selbst zwischen Menschen gesetzt hat; woraus sich schon abnehmen lässt, dass der Einfluss derselben auf ihr Glück, oder Unglück, viel wesentlicher und durchgreifender sein werde, als was die bloß aus menschlichen Bestimmungen hervorgehenden, unter den zwei folgenden Rubriken angegebenen Verschiedenheiten herbeiführen. Zu den echten persönlichen Vorzügen, dem großen Geiste, oder großen Herzen, verhalten sich alle Vorzüge des Ranges, der Geburt, selbst der königlichen, des Reichtums u. dgl., wie die Theater-Könige zu den wirklichen.

      Allerdings ist für das Wohlsein des Menschen, ja für die ganze Weise seines Daseins die Hauptsache offenbar das, was in ihm selbst besteht, oder vergeht. Hier nämlich liegt unmittelbar sein inneres Behagen, oder Unbehagen, als welches zunächst das Resultat seines Empfindens, Wollens und Denkens ist; während alles außerhalb Gelegene doch nur mittelbar darauf Einfluss hat. Daher affizieren16 dieselben äußeren Vorgänge, oder Verhältnisse, jeden ganz anders, und bei gleicher Umgebung lebt doch jeder in einer anderen Welt. Denn nur mit seinen eigenen Vorstellungen, Gefühlen und Willensbewegungen hat er es unmittelbar zu tun: die Außendinge haben nur, sofern sie diese veranlassen, Einfluss auf ihn. Die Welt, in der jeder lebt, hängt zunächst ab von seiner Auffassung derselben, richtet sich daher nach der Verschiedenheit der Köpfe: dieser gemäß wird sie arm, schal und flach, oder reich, interessant und bedeutungsvoll ausfallen. Während z. B. mancher den andern beneidet um die interessanten Begebenheiten, die ihm in seinem Leben aufgestoßen sind, sollte er ihn vielmehr um die Auffassungsgabe beneiden, welche jenen Begebenheiten die Bedeutsamkeit verlieh, die sie in seiner Beschreibung haben: denn dieselbe Begebenheit, welche in einem geistreichen Kopfe sich so interessant darstellt, würde, von einem flachen Alltagskopf aufgefasst, auch nur eine schale Szene aus der Alltagswelt sein. Im höchsten Grade zeigte sich dies bei manchen Gedichten Goethes17 und Byrons18, denen offenbar reale Vorgänge zugrunde liegen: ein törichter Leser ist imstande, dabei den Dichter um die allerliebste Begebenheit zu beneiden, statt um die mächtige Phantasie, welche aus einem ziemlich alltäglichen Vorfall etwas so Großes und Schönes zu machen fähig war. Desgleichen sieht der Melancholikus19 eine Trauerspielszene, wo der Sanguinikus20 nur einen interessanten Konflikt und der Phlegmatikus21 etwas Unbedeutendes vor sich hat. Dies alles beruht darauf, dass jede Wirklichkeit, d. h. jede erfüllte Gegenwart, aus zwei Hälften besteht, dem Subjekt und dem Objekt, wiewohl in so notwendiger und enger Verbindung, wie Oxygen und Hydrogen22 im Wasser. Bei völlig gleicher objektiver Hälfte, aber verschiedener subjektiver, ist daher, so gut wie im umgekehrten Fall, die gegenwärtige Wirklichkeit eine ganz andere: die schönste und beste objektive Hälfte, bei stumpfer, schlechter subjektiver, gibt doch nur eine schlechte Wirklichkeit und Gegenwart; gleich einer schönen Gegend in schlechtem Wetter, oder im Reflex23 einer schlechten camera obscura24. Oder planer25 zu reden: Jeder steckt in seinem Bewusstsein, wie in seiner Haut, und lebt unmittelbar nur in demselben: daher ist ihm von außen nicht sehr zu helfen. Auf der Bühne spielt einer den Fürsten, ein anderer den Rat, ein dritter den Diener, oder den Soldaten, oder den General usf. Aber diese Unterschiede sind bloß im Äußeren vorhanden, im Innern, als Kern einer solchen Erscheinung, steckt bei allen dasselbe: ein armer Komödiant mit seiner Plage СКАЧАТЬ