Название: Das Dekameron
Автор: Giovanni Boccaccio
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Literatur (Leinen)
isbn: 9783843804066
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Weil sie sich aber von den Übrigen verlassen fand und nicht wusste, wo sie war, so zwang sie die Not, diejenigen, in denen noch einiges Leben zu sein schien, so lange zu rütteln, bis sie sie auf die Beine brachte. Da ihr nun diese auch nicht zu sagen wussten, wohin die Mannschaft gekommen war, und sie fand, dass das Schiff ganz voll Wasser auf dem Strande saß, so fing sie mit ihren Frauen bitterlich zu weinen an. Schon kam die neunte Stunde heran, und noch hatte sich weder nahe am Ufer noch in der Ferne ein Mensch sehen lassen, von dem sie sich Mitleid oder Hilfe versprechen konnten. Endlich kam um die neunte Stunde ein Edelmann namens Pericone da Visalgo mit verschiedenen seiner Diener zu Pferde auf dem Rückweg von einem seiner Landgüter vorbei, der das Schiff gewahr wurde und gleich erriet, wie es darum stände. Unverzüglich befahl er einem seiner Diener, womöglich an Bord zu gehen und ihm Nachricht zu bringen, wer sich auf dem Wrack befände. Dem Diener gelang es mit Mühe, hinaufzukommen, und er fand die Schöne mit ihren wenigen Gefährtinnen, die sich unter dem Verdeck verborgen hatten. Als sie ihn sahen, fingen sie an zu weinen und ihn um Barmherzigkeit zu bitten. Sie merkten bald, dass er ihre Worte nicht verstand, und versuchten durch Gebärden, ihm ihre Not zu klagen. Der Diener bestrebte sich, nachdem er alles in Augenschein genommen, seinem Herrn genaue Nachricht zu geben, wie er alles auf dem Schiffe vorgefunden hatte. Als dieser die Frauen und sonst das Wertvollste, soweit man es erreichen konnte, von Bord hatte holen lassen, begab er sich mit ihnen nach einem seiner Schlösser, wo er ihnen Speisen und Erquickung reichen ließ, und an dem köstlichen Gerät sowie an der Ehrerbietung, welche die übrigen Frauen der Alatiel bewiesen, bald erkannte, dass sie eine Person von vornehmem Stande sein musste. So blass und abgespannt sie auch von dem Ungemach, das sie auf der See ausgestanden hatte, war, so fand Pericone dennoch ihre Gestalt außerordentlich schön und ward in seinen Gedanken schon mit sich einig, sie zur Gemahlin zu nehmen, wenn sie noch unverheiratet wäre, oder, wenn das nicht anginge, sie zu seiner Geliebten zu machen. Dieser Pericone war ein Mann von wildem Aussehen und starkem Gliederbau. Nachdem er nun die Dame eine Zeitlang aufs Beste hatte bedienen lassen und sie, als ihre Kräfte völlig wiederhergestellt waren, über alle Begriffe schön fand, war es ihm sehr peinlich, dass er sie weder verstehen, noch sich ihr verständlich machen, und folglich nicht erfahren konnte, wer sie war. Weil er sich aber nichtsdestoweniger ganz von ihrer Schönheit hingerissen fühlte, so gab er sich alle Mühe, sie durch ein gefälliges und liebkosendes Betragen zu bewegen, sich ihm ohne Widerstand zu ergeben. Allein es war alles umsonst, und sie versagte ihm durchaus jede Vertraulichkeit, wodurch indessen seine Begierden nur noch mehr erregt wurden. Wie sie dieses bemerkte und nach einem Aufenthalt von mehreren Tagen aus manchen Gebräuchen, die sie beobachtet hatte, schloss, dass sie sich unter Christen befände, in einem Lande, wo es ihr nichts helfen würde, wenn sie auch Mittel fände, sich jemandem zu entdecken, und wie sie glaubte, dass sie am Ende, sei es aus Zwang oder aus Liebe, dahin würde gebracht werden, den Wünschen des Pericone nachzugeben, so fasste sie den heldenmütigen Entschluss, ihrem harten Schicksal mutig die Stirne zu bieten. Sie empfahl demnach ihren Frauen, deren ihr nur noch drei übrig geblieben waren, keinem Menschen zu offenbaren, wer sie wären, wenn sie nicht etwa an einen Ort kommen sollten, wo sie sich ganz gewiss Hilfe versprechen könnten, um ihre Befreiung zu erwirken. Zugleich empfahl sie ihnen aufs Angelegentlichste, ihre Keuschheit zu bewahren, und versicherte, dass sie selbst sich gewiss keinem Menschen, außer ihrem rechtmäßigen Gemahl, überlassen würde. Die guten Frauen lobten ihren Entschluss und versprachen, ihren Befehlen zu folgen, so gut sie könnten.
Pericone, dessen Leidenschaft immer stärker aufflammte, und zwar desto mehr, da er ihren Gegenstand täglich vor Augen hatte und ihn immer widerspenstiger fand, entschloss sich, weil er sah, dass er durch Bitten nichts ausrichten konnte, List und Kunst zu versuchen, und wenn auch diese nicht helfen wollten, am Ende Gewalt zu gebrauchen. Als er einst bemerkte, dass die Dame den Wein liebte, den sie nicht gewohnt war, weil ihre Religion seinen Genuss untersagte, so nahm er sich vor, sie durch diesen Kuppler der Venus zu fangen. Er stellte sich, als ob er nicht mehr nach dem trachte, was sie ihm so hartnäckig verweigerte, und veranstaltete an einem Abend ein herrliches Gastmahl, bei dem auch die Dame erschien, und wie es dabei auf mancherlei Art sehr fröhlich herging, befahl er dem Schenken, der sie bediente, ihr verschiedene Weine durcheinander gemischt zu trinken zu geben. Dieser richtete es auch sehr geschickt ein, und weil sie nichts davon argwöhnte, so nahm sie, durch den Wohlgeschmack verführt, mehr davon zu sich, als ihrer Sittsamkeit zuträglich war. Sie vergaß darüber all ihre Trübsal und wurde ganz ausgelassen, und wie sie einige Weiber nach majolikanischer Weise tanzen sah, fing sie auch an, auf alexandrinisch zu tanzen. Als Pericone dies sah, glaubte er dem Ziele seiner Wünsche nähergekommen zu sein. Er verlängerte die Abendmahlzeit bis tief in die Nacht. Nach aufgehobener Tafel führte er sie in eine Kammer. Vom Wein berauscht und erhitzt, begann sie sich hemmungslos vor Pericone auszuziehen, als wäre er eines ihrer Kammermädchen, und legte sich dann ins Bett. Pericone löschte die Lichter und legte sich ihr zur Seite, schloss sie brünstig in seine Arme und begann, ohne von ihrer Seite einem Widerstand zu begegnen, die Wonnen der Liebe zu genießen. Als Alatiel, die das vorher noch nie erfahren, spürte, mit was für einem Horn die Männer stoßen, gereute es sie fast, den Werbungen Pericones nicht früher nachgegeben zu haben. Sie war in der Folge süßer Nächte oft diejenige, die, ohne sich erst selber bitten zu lassen, zum Liebesspiel einlud, und zwar, als sie sich mit Worten nicht verständlich machen konnte, ziemlich handgreiflich. Dem Schicksal war es nicht genug damit, sie von der Braut eines Königs zur Geliebten eines Landjunkers gemacht zu haben. Ihre und Pericones Freuden wurden grausam durch ein neues Abenteuer gestört.
Pericone hatte nämlich einen Bruder von fünfundzwanzig Jahren, schön und blühend wie eine Rose, namens Marato, der, wie er sie sah, sich nicht nur sterblich in sie verliebte, sondern auch aus ihrem Betragen schloss, dass er ihr nicht gleichgültig sei, und dass seinen Wünschen nichts im Wege stände als die Eifersucht, womit Pericone sie bewache. Er fasste daher einen ruchlosen Entschluss, der auch augenblicklich zur Tat reifte. Es befand sich zufällig ein Schiff im Hafen, welches mit Waren СКАЧАТЬ