»Das seht Ihr doch. Ich jage,« antwortete lächelnd Jagienka.
»In fremden Wäldern?«
»Der Abt gab mir die Erlaubnis. Er schickte mir sogar zu dem Behufe Knechte und Hunde.«
Hier wendete sie sich an ihre Leute. »Scheucht die Hunde hinweg,« befahl sie, »denn sie verderben das Fell. O, wie froh, wie froh bin ich, daß ich Euch wiedersehe,« beteuerte sie hierauf dem Vater von neuem. »Bei uns ist alles wohlauf.«
»Und bin ich vielleicht nicht froh?« antwortete Zych. »Reich mir Dein Mäulchen.«
Und abermals küßten sie sich, als ob dies kein Ende nehmen wolle.
»Wir legten einen beschwerlichen Weg zurück, um diese Bestie zu erjagen. Abgesehen davon, daß zwei der Jägersleute stürzten, waren auch die Pferde ganz erschöpft. Das ist aber auch ein mächtiger Auerochse, seht nur! Drei Pfeile habe ich auf ihn abgeschossen, dem dritten erlag er.«
»Der letzte Pfeilschuß tötete ihn. Der Pfeil kam aber nicht von Dir. Dieser Ritter hier schoß ihn ab.«
Jagienka strich die Haare zurück, die ihr über die Augen fielen, und schaute scheu und nicht allzu wohlwollend auf Zbyszko.
»Weißt Du, wer das ist?« fragte Zych.
»Nein, das weiß ich nicht.«
»Ich glaube es, daß Du ihn nicht kennst. Wie ist er auch gewachsen. Aber vielleicht erinnerst Du Dich des alten Macko aus Bogdaniec?«
»Bei Gott, das ist Macko aus Bogdaniec!« rief Jagienka.
Unverweilt eilte sie auf den Wagen zu und küßte Macko die Hände. »So seid Ihr es wirklich?«
»Ich bin es, und im Wagen muß ich fahren, weil ich von den Deutschen verwundet worden bin!«
»Wieso von den Deutschen? Das geschah doch gewiß in dem Kriege mit den Tataren. Ich weiß davon, denn mehr als einmal habe ich den Vater gebeten, mich mit sich zu nehmen.«
»Wohl zog er gegen die Tataren aus, aber wir waren nicht dabei, wir gingen mit den Litauern in den Krieg, sowohl ich wie Zbyszko.«
»Wo ist aber jetzt Zbyszko?«
»Siehst Du denn nicht, daß dies Zbyszko ist?« bemerkte Macko lächelnd.
»Das ist Zbyszko?« rief das Mädchen, den jungen Ritter aufs neue anschauend.
»Freilich!«
»Gieb ihm zur Begrüßung einen Kuß!« meinte Zych fröhlich.
Jagienka wandte sich lebhaft zu Zbyszko, plötzlich aber fuhr sie zurück und erklärte, die Augen mit den Händen bedeckend: »Nein, das will ich nicht!«
»Wir kennen uns doch von klein auf!« ließ sich Zbyszko vernehmen.
»Ach ja, wir kennen uns gut. Ich erinnere mich wohl, ich erinnere mich! Vor acht Jahren ungefähr, da kamt Ihr mit Macko zu uns, und das verstorbene Mütterlein setzte uns Nüsse mit Honig vor. Kaum waren aber die Alten aus der Stube, da hieltet Ihr mir die Faust unter die Nase, die Nüsse aber verspeistet Ihr allein.«
»Das würde er jetzt nicht mehr thun!« rief Macko. »Bei dem Fürsten Witold ist er gewesen, im Schlosse in Krakau war er, die höfischen Sitten kennt er jetzt.«
Aber Jagienka schien etwas anderes durch den Kopf zu gehen, denn, sich zu Zbyszko wendend, fragte sie: »Ihr habt also den Auerochsen getötet?«
»Ja.«
»Ich möchte doch sehen, wo die Spitze steckt.«
»Ihr könnt das nicht sehen, denn der Pfeil steckt fast vollständig unter der Schaufel.«
»Beruhige Dich, er spricht die Wahrheit!« ergriff Zych das Wort. »Wir alle sahen es, daß er das Tier tötete, ich aber habe noch etwas ganz anderes wahrgenommen. Ich war Zeuge, wie er in einem Nu die Armbrust ohne Kurbel spannte.«
Zum drittenmale blickte Jagienka auf Zbyszko, diesmal jedoch voll Bewunderung.
»Ihr spanntet die Armbrust ohne Kurbel?« fragte sie.
Zbyszko bemerkte sofort an dem Ton ihrer Stimme, daß sie ihm mißtraute. Er stemmte daher sofort die Armbrust abermals zur Erde, spannte sie in einem Nu so stark, daß der Bogen krachte, und ließ sich dann, wohl zum Beweise, wie gut er höfische Sitte kenne, auf ein Knie nieder, um der Maid die Armbrust zu überreichen.
Statt die Waffe entgegenzunehmen, errötete indessen Jagienka, ohne zu wissen weshalb, und nestelte an dem Kleide, das sich während des tollen Rittes im Walde verschoben hatte.
Fünftes Kapitel.
Am Tage nach ihrer Ankunft in Bogdaniec hielten Macko und Zbyszko Umschau auf ihrem alten Besitztum und überzeugten sich binnen kurzem, daß Zych aus Zgorzelic recht gehabt hatte, als er behauptete, daß sie anfänglich mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben würden.
Mit der Bewirtschaftung des Feldes ging es noch einigermaßen. Mehrere Hufen Ackerlandes waren von den früher ansässigen Bauern oder von den durch den Abt neu angesiedelten bebaut worden. Dereinst pflegten in Bogdaniec weit größere Länderstrecken bestellt zu sein, allein seit der Zeit, in welcher durch die Schlacht bei Plowce das Geschlecht der »Grade« fast gänzlich vernichtet worden war, fehlte es an Arbeitskräften, und nach den Einfällen der Deutsch-Schlesier, sowie nach den Kämpfen der Grzymaliten mit Naleczy entstanden auf den ehemals so fruchtbaren Gefilden von Bogdaniec zum größten Teile Wälder. Macko war dem allem ratlos gegenüber gestanden. Vergeblich hatte er Jahre hindurch versucht, freie Bauern aus Krzesnia herbeizuziehen. Diese zogen es aber vor, auf ihrem eigenen »Hufen« zu sitzen, statt fremden Ackerboden zu bestellen. Mit einigen heimatlosen Leuten war es ihm indessen besser gelungen, aus verschiedenen Kriegen hatte er auch Gefangene mitgebracht, die sich Weiber nahmen, die sich Hütten bauten – und auf diese Weise entstand aufs neue ein Dorf. So schwer war ihm dies aber alles geworden, daß Macko sofort ganz Bogdaniec verpfändete, sobald sich ihm die Gelegenheit dazu bot. Dabei ging er auch von zwei Voraussetzungen aus. Dem mächtigen Abte, so rechnete er, würde es erstens leichter fallen, das Land zu bebauen als ihm, und zweitens konnte er mittlerweile gemeinsam mit Zbyszko im Kriege Geld und Beute gewinnen. Der Abt wirtschaftete mit großer Umsicht. Die Arbeitskräfte in Bogdaniec vermehrte er um fünf Bauernfamilien, den Viehstand und die Zahl der Pferde vergrößerte er, und ließ nicht nur Speicher, sondern auch Vieh-und Pferdeställe aus Reisig errichten. Dagegen kümmerte der Abt sich nicht viel um die Gebäude, da er nur selten in Bogdaniec weilte, und Macko, der zuweilen geglaubt hatte, er werde bei seiner Heimkehr die Burg mit Wällen und Gräben umzogen finden, traf alles so an, wie es bei seinem Weggange gewesen war, vielleicht höchstens mit dem Unterschiede, daß einige der Pfeiler etwas schief standen, daß die Mauern niedriger erschienen, weil sie sich ein wenig gesenkt hatten.
Der Herrenhof bestand aus einer ungeheuern Halle, zwei geräumigen Stuben, aus Kammern und aus einer Küche. In den Stuben waren Fenster СКАЧАТЬ