Historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre. Henryk Sienkiewicz
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Читать онлайн книгу Historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre - Henryk Sienkiewicz страница 171

СКАЧАТЬ oft er sich allein befindet, hört er neben sich ein Schnauben, gerade wie wenn jemand bei ihm stünde, dem der Atem ausgegangen ist. Und das ist jener Danveld, welcher durch den furchtbaren Gebieter von Spychow erschlagen ward. Zygfryd sagt dann zu ihm: ›Was willst Du? Eine Messe kann Dir nicht helfen, weshalb kommst Du?‹ Und jener knirscht nur mit den Zähnen und fängt wieder an zu schnauben. Aber noch häufiger kommt Rotgier, der einen Geruch von Schwefel in der Stube zurückläßt, und mit dem der Komtur noch mehr spricht. ›Ich kann nicht,‹ sagt er zu ihm. ›Ich kann nicht! Wenn es mir später möglich ist, so will ich es thun, aber jetzt kann ich es nicht!‹ Ich hörte auch, wie er ihn fragte: ›Würde es Dir denn Erleichterung bringen, mein Söhnchen?‹ Und so geht es in einem Zuge fort. Gewöhnlich redet er nach einem solchen Besuche zwei oder drei Tage mit niemand ein Wort, auf seinem Gesichte aber drückt sich dann eine furchtbare Pein aus. Die Tragbahre wird von ihm und der Dienerin sorgfältig gehütet, so daß kein Mensch jemals die junge Herrin erblicken kann.«

      »Und wird sie nicht von ihnen gequält?« fragte Zbyszko in dumpfem Tone.

      »Ich will Euer Gnaden die reine Wahrheit sagen. Schläge und Geschrei habe ich nicht gehört, wohl aber einen wehmütigen Gesang und zuweilen etwas wie das angstvolle Gezwitscher eines Vogels.«

      »Wehe ihnen!« stieß Zbyszko zwischen den zusammengepreßten Zähnen hervor.

      Doch Macko that seinen weiteren Fragen Einhalt.

      »Genug davon,« sagte er. »Erzähle jetzt von der Schlacht. Hast Du sie mitangesehen? Wie sind die Feinde entkommen und was ist aus ihnen geworden?«

      »Ich habe alles mitangesehen,« erwiderte Sanderus, »und will es getreulich berichten. Sie kämpften anfangs mit wahrer Wut, aber als sie erkannten, daß sie von allen Seiten umringt waren, da überlegten sie, auf welche Weise sie sich durchschlagen könnten. Der Ritter Arnold, welcher ein wahrer Riese ist, durchbrach zuerst den Ring und machte für sich, den alten Komtur, sowie für einige Kriegsknechte und für die zwischen zwei Pferden befestigte Tragbahre die Bahn frei.«

      »Und fand keine Verfolgung statt? Wie kommt es, daß sie nicht eingeholt wurden?«

      »Eine Verfolgung fand statt, aber sie fruchtete nichts, denn sobald die Verfolger dem Ritter Arnold zu nahe kamen, wandte er sich um und kämpfte Mit allen. Gott behüte jeden vor einem Tressen mit ihm, denn er hat eine so furchtbare Kraft, daß es ihm ein Leichtes ist, den Kampf mit hundert Mannen allein aufzunehmen. Dreimal wandte er sich um, und dreimal mußten sich die Verfolger zurückziehen. Die Kriegsknechte, welche sich bei ihm befanden, kamen alle um. Er selbst war meines Erachtens auch verwundet, doch er rettete sich und gab auch dem alten Komtur Gelegenheit zu einer glücklichen Flucht.«

      Während Macko diesem Berichte lauschte, sagte er sich, Sanderus müsse die Wahrheit sprechen, denn er erinnerte sich, daß von dem Platze an, wo Skirvoillo die Schlacht geliefert hatte, der ganze Weg mit Leichen von Samogitiern bedeckt gewesen, von denen eine jede so furchtbar verstümmelt war, als ob die Hand eines Riesen hier gewütet hätte.

      »Wie hast Du es aber zu stande gebracht, daß Du all dies mitansehen konntest?« fragte er.

      »Ich sah alles mit an,« antwortete der Landstreicher, »weil ich mich hinter den Schwanz eines der Pferde verborgen hatte, an denen die Tragbahre befestigt war, und ich lief hinter diesen her, bis mich ein Hufschlag an den Bauch traf. Da fiel ich in Ohnmacht, und dadurch geriet ich in die Hände von Euer Gnaden.«

      »So mag es sich wohl zugetragen haben,« bemerkte Hlawa, »aber hüte Dich, zu lügen, denn es würde Dir sonst übel ergehen.«

      »Die Spuren jenes Schlages sind noch an mir wahrzunehmen,« erwiderte Sanderus, »wer den Wunsch hegt, kann sich davon überzeugen, indessen ist es besser, meinen Worten zu glauben, als wegen Unglauben verdammt zu sein.«

      »Wenn schon Du auch zuweilen unwillkürlich die Wahrheit sagst, wirst Du doch durch Heulen und Zähneklappern für Deinen Reliquienhandel büßen müssen,« setzte Hlawa hinzu.

      Und sie ergingen sich in Spottreden, wie es früher ihre Gewohnheit gewesen, doch ihr Gespräch ward durch Zbyszko unterbrochen. »Du bist durch dies Land gezogen, daher mußt Du es kennen. Was für Burgen befinden sich in der Umgegend, und wo glaubst Du, können sich Zygfryd und Arnold verborgen halten?«

      »Burgen giebt es nicht in dieser Gegend, alles ringsumher ist Wüstenei, durch welche die erst vor kurzem angelegte Landstraße führt. Dörfer und Ansiedelungen giebt es ebensowenig, denn alles, was früher hier gegründet ward, haben die Deutschen niedergebrannt und zwar aus der alleinigen Ursache, weil die hier ansässigen Leute, welche dem nämlichen Volke entstammen wie das einheimische, sich bei Ausbruch des Krieges gleichfalls gegen die Herrschaft des Ordens auflehnten. Ich glaube, daß Zygfryd und Arnold jetzt im Walde umherwandern, und daß sie entweder dahin zurückkehren, woher sie kamen, oder sich heimlich nach jener Feste begeben wollen, nach der wir vor der unglückseligen Schlacht auszogen.«

      »So verhält es sich gewiß!« sagte Zbyszko.

      Und er versank in tiefes Sinnen. An seiner gerunzelten Stirne, an seinem Gesichtsausdruck war leicht zu erkennen, wie angestrengt er nachdachte, aber dies währte nicht lange. Nach einer Weile erhob er das Haupt und sagte: »Hlawa, sorge, daß Pferde und Mannen bereit sind, denn wir brechen sogleich auf.«

      Der Knappe, welcher nicht die Gewohnheit hatte, nach dem Grund eines Befehles zu fragen, erhob sich und eilte auf die Pferde zu, ohne ein Wort zu sprechen. Macko hingegen blickte mit weitaufgerissenen Augen auf seinen Bruderssohn und fragte voll Verwunderung: »Aber Zbyszko! Wohin willst Du Dich denn wenden? Wie? Was hast Du vor?«

      Doch Zbyszko antwortete wieder mit einer Frage: »Was denkt Ihr denn? Thue ich denn nicht meine Pflicht?«

      Der alte Ritter verstummte. Er schaute jetzt nicht mehr verwundert darein, sondern schüttelte nur den Kopf. Schließlich atmete er tief auf und sagte gleichsam zu sich selbst: »Wohlan! Mag es denn so sein. Anders geht es nicht!«

      Und er begab sich ebenfalls zu den Pferden. Zbyszko indessen wendete sich an Herrn de Lorche, und indem er sich mit Hilfe eines Masuren, welcher der deutschen Sprache mächtig war, verständlich machte, sagte er zu ihm: »Von Dir kann ich nicht verlangen, daß Du mir gegen Leute beistehst, mit denen Du unter derselben Fahne dienst, daher bist Du frei. Gehe, wohin Du willst.«

      »Ich kann Dir jetzt nicht mit dem Schwerte beistehen, weil es meiner Ritterehre widerstreitet,« entgegnete de Lorche, »aber meiner Freiheit bediene ich mich jetzt auch nicht. Dein Gefangener bleibe ich auf Ehrenwort und auf Deine Aufforderung werde ich mich stellen, sobald Du mich berufst. Und im Notfalle vergiß nicht, daß für mich der Orden jeden Gefangenen auswechseln wird, da ich einem mächtigen Geschlechte entstamme, das zudem dem Orden treu gedient hat.«

      So sagten sie sich denn Lebewohl, wie es Brauch war, einer die Hände auf des andern Schultern legend und sich auf die Wange küssend, wobei de Lorche hinzufügte: »Ich gehe nach Marienburg oder an den Hof von Masovien, Du weißt also, daß Du mich da oder dort finden kannst. Dein Gesandter mag mir nur zwei Worte sagen: ›Lothringen – Geldern‹.«

      »Gut,« antwortete Zbyszko, »ich gehe zu Skirwoillo, damit er Dir das Losungswort gebe, das alle Samogitier kennen und ehren.«

      Er begab sich zu Skirwoillo. Der alte Heerführer gab das Losungswort und widersetzte sich auch dem Aufbruch Zbyszkos nicht, denn er wußte, um was es sich handelte. Er liebte den jungen Kämpen, war ihm dankbar für die letzte Schlacht und hatte zudem kein Recht, einen Ritter zurückzuhalten, der aus fremdem Lande war und sich nur aus eigenem Antriebe zu ihm gesellt hatte. Indem er daher Zbyszko für den bedeutenden, ihm geleisteten Dienst dankte, versorgte СКАЧАТЬ