Letzterer wandte sich aber nun wieder dem Weibe zu.
»Habt Ihr ein Schreiben bei Euch?« fragte er.
»Nein, o Herr, wir haben kein Schreiben bei uns. Was wir zu melden haben, befahl man uns, mündlich zu thun.«
»So sprecht denn.«
Und sie wiederholte noch einmal, damit sich Jurand ja alles gut ins Gedächtnis einpräge: »Der Bruder Markwart bewacht sie gemeinsam mit dem Bruder Szomberg, deshalb mäßigt Euern Groll, o Herr. Ihr geschieht kein Leid. Denn wenn gleich Ihr seit vielen Jahren dem Orden schwere Kränkungen zugefügt habt, gedenken doch die Brüder Böses mit Gutem zu vergelten, wofern ihre gerechten Forderungen erfüllt werden.«
»Was fordern sie von mir?«
»Sie verlangen, daß Ihr den Herrn de Bergow freigebt.«
Jurand atmete tief auf.
»Ich liefere ihnen de Bergow aus!« erklärte er.
»Wie auch die andern Gefangenen, die Ihr in Spychow habt.«
»Außer den Knechten sind dies die beiden Knappen von Majneger und von de Bergow.«
»Ihr müßt sie freilassen, o Herr, und sie für ihre Gefangenschaft entschädigen.«
»Verhüte Gott, daß ich feilsche, wenn es sich um mein Kind handelt.«
»Das erwartet auch der Orden nicht anders von Euch,« fuhr das Weib fort, »allein dies ist noch nicht alles, was mir befohlen ward, Euch zu melden. Euere Tochter, o Herr, ist von irgend welchen Leuten und sicherlich deshalb entführt worden, um Lösegeld von Euch zu erhalten … Den Brüdern aber gelang deren Befreiung – und jetzt verlangen sie nichts weiter von Euch, als daß Ihr ihnen die Gefährten, die Gäste ausliefert. Dann aber sollt Ihr selbst, der Fürst dieses Landes, und alle hervorragenden Ritter aussagen – wie es ja auch der Wahrheit entspricht – nicht die Ritter, sondern Räuber hätten Euere Tochter entführt, und von den Räubern müßtet Ihr sie loskaufen.«
»Gut,« ließ sich Jurand vernehmen, »mein Kind ward von Räubern entführt, und ich muß es auslösen.«
»Keinem Menschen dürft Ihr etwas anderes sagen, denn wenn es nur ein Mensch erfährt, daß Ihr Euch mit den Brüdern verständigt habt, wenn auch nur eine lebende Seele eine Ahnung davon erhält, wenn irgend eine Klage zu dem Meister oder zu dem Kapitel dringt – dann werdet Ihr Schlimmes über Euch heraufbeschwören.«
Große Unruhe malte sich auf Jurands Zügen. Im ersten Augenblick war ihm die Angst der Komture, zur Rechenschaft gezogen zu werden, und daher deren Forderung, das Vorkommnis als Geheimnis zu betrachten, ganz natürlich erschienen, jetzt aber regte sich plötzlich der Argwohn in ihm, es könne dem allem noch eine andere Ursache zu Grunde liegen. Da er sich aber darüber keine Rechenschaft zu geben vermochte, erfaßte ihn eine entsetzliche Angst, eine Angst, die über die mutigsten Menschen zu kommen pflegt, wenn nicht sie selbst, sondern die ihrem Herzen am nächsten Stehenden von einer großen Gefahr bedroht werden.
Zuvörderst beschloß er indessen, die Abgesandte noch genauer auszuforschen.
»Die Komture wollen das Vorkommnis als Geheimnis betrachtet haben,« bemerkte er daher, »wie läßt sich aber das Geheimnis wahren, wenn ich für mein Kind de Bergow und all die andern freigeben soll?«
»Ihr sagt, Ihr hättet für Herrn de Bergow Lösegeld genommen und mit diesem Gelde die Räuber bezahlt.«
»Kein Mensch wird dies glauben, denn noch niemals habe ich Lösegeld genommen,« warf Jurand ein.
»Es hat sich auch noch niemals um Euer Kind gehandelt,« erklärte die Dienerin in klagendem Tone.
Abermals trat ein längeres Schweigen ein. Endlich ließ sich der Pilger, dessen Lebensgeister sich in der Voraussetzung wieder gehoben hatten, Jurand werde sich jetzt mehr Zwang auferlegen, also vernehmen: »So ist der Wille der Brüder Szomberg und Markwart.«
Die Frau aber hub wieder an: »Ihr sagt aus, der Pilger, welcher mit mir gekommen ist, habe Euch das Lösegeld gebracht, wir aber machen uns sofort mit dem edlen Herrn de Bergow und mit den andern Gefangenen auf den Weg.«
»Wie,« entgegnete Jurand, die Brauen runzelnd, »glaubt Ihr wohl, daß ich Euch die Gefangenen ausliefere, ehe Ihr mir mein Kind zurückgebt?«
»Ihr müßt Euch sogar noch zu etwas anderem verstehen, o Herr. Nach Szcytno müßt Ihr Euch begeben, wohin die Brüder Euere Tochter bringen werden.«
»Ich? Nach Szczytno?«
»Denn angenommen, sie würde aufs neue unterwegs von Räubern ergriffen, dann wären nicht nur Euer Gefolge sondern alle hier ansässigen Leute nur zu gerne bereit, die Brüder dafür verantwortlich zu machen. Deshalb sind letztere vornehmlich darauf bedacht, nur Euch selbst Euere Tochter auszuliefern.«
Jurand begann in der Stube auf und ab zu schreiten. Ihm ahnte, daß ihm ein Fallstrick gedreht werde, und schwere Sorge bemächtigte sich seiner. Doch, was sollte er thun? Die Kreuzritter konnten ihm irgend eine Bedingung stellen – er war machtlos ihnen gegenüber.
Plötzlich schien ihm indessen ein guter Gedanke zu kommen. Er blieb vor dem Pilger stehen, schaute ihn durchdringend an und wandte sich dann dem Weibe zu: »Gut, ich gehe nach Szczytno. Ihr aber und dieser Mensch, der das Gewand eines Pilgers trägt, Ihr bleibt bis zu meiner Rückkehr hier. Erst dann könnt Ihr mit de Bergow und mit den Gefangenen weiterziehen.«
»Ihr wollt den Ordensbrüdern keinen Glauben schenken, o Herr!« warf hier der Pilger ein, »wie sollen sie daher das Vertrauen in Euch setzen, daß Ihr uns und de Bergow nach Euerer Rückkehr entlaßt?«
Totenblässe überzog Jurands Antlitz und seine Züge verzerrten sich in einer Weise, daß es während eines Augenblicks den Anschein hatte, als ob er den Pilger an der Brust packen und ihn zu Boden werfen wolle – gleich darauf wurde er aber seiner Erregung wieder Herr, er atmete tief auf und sagte ruhig, allein in eindringlichem Tone: »Wer Ihr auch sein mögt, hütet Euch, meine Geduld auf allzugroße Probe zu stellen!«
Daraufhin trat der Pilger auf die Ordensschwester zu und sprach: »Redet weiter, wie Euch befohlen ward.«
»O Herr!« ergriff das Weib nun wieder das Wort, »wie würden wir uns erdreisten, an Euerem Eide auf das Schwert und auf Euere ritterliche Ehre zu zweifeln, aber Euch steht es wahrlich nicht zu, vor Leuten niedrigen Standes einen Eid abzulegen, und nicht eines Eides wegen sind wir zu Euch gesandt worden.«
»Was habt Ihr mir noch zu sagen?«
»Im Auftrage der Brüder erklären wir Euch: Ihr müßt Euch, ohne jemand davon in Kenntnis zu setzen, mit de Bergow und mit den Gefangenen nach Szczytno begeben.«
Bei diesen Worten zog sich Jurands ganzer Körper krampfhaft zusammen und seine Finger spreizten sich wie die Krallen eines Raubvogels aus; vor der Redenden stehen bleibend, neigte er sich zu ihr, als ob er ihr etwas ins Ohr flüstern wollte, und sagte: »Haben sie Euch auch zu wissen gethan, was ich befehle? Rings um Spychow soll mau Euere und de Bergows Glieder ausstreuen.«
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