Название: Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee
Автор: Bartholomäus von Werner
Издательство: Bookwire
Жанр: Путеводители
isbn: 4064066112332
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Ich hatte einige Stunden geschlafen und stand nun in der rauhen Nachtluft mit der Gewißheit auf der Commandobrücke, dieselbe vor 9 Uhr abends nicht wieder verlassen zu können. Die Aufgabe, welche ich mir gestellt hatte, war, bis zum Eintritt der Dunkelheit einen Hafen zu erreichen, welcher von unserm Ausgangspunkt 170 Seemeilen entfernt lag. Der Weg dahin führte durch eine enge Felsenstraße, in welcher der Sturm stets mit der Gewalt eines Orkans wüthen soll; die in ihrer Großartigkeit auf dieser Welt einzig dastehende Gebirgswelt soll fast immer bis zum Wasserspiegel herunter in dichtes grauschwarzes Gewölk gehüllt sein, aus welchem der Regen in Strömen herniederfällt; die Navigirung soll nur dadurch möglich werden, daß der Sturm ab und zu das Gewölk auf Augenblicke zertheilt und so dem Auge Gelegenheit gibt, den Curs bis zur nächsten Zertheilung der Wolken festzustellen. Dies war der vor mir liegende Tag mit seinen Aussichten. Fand ich wirklich solches Wetter, dann war die Erfüllung meiner Aufgabe unmöglich und ich konnte höchstens zwei Drittel des vorgenommenen Weges zurücklegen, mußte dann aber auch für die ganze Passage etwa die doppelte der in Ansatz gebrachten Zeit rechnen. Einigermaßen gruselig war mir zu Muthe, als ich meine Fahrt in der dunkeln Nacht mit 10 Seemeilen Geschwindigkeit und mit der Aussicht begann, nun während etwa 10 Tagen, wenn auch in sicherm Fahrwasser, täglich 12-15 Stunden dem Regen und Sturm voll ausgesetzt auf der Commandobrücke zuzubringen. Immerhin vertraute ich aber meinem guten Glück und gab zunächst keinem Zweifel an dem Gelingen des festgesetzten Planes Raum. Allerdings hatte ich noch einen vertrauenerweckenden Führer zur Seite, nämlich den Bericht unserer Corvette „Vineta“, welche als erstes deutsches Kriegsschiff die Passage durch die Magelhaens-Straße gemacht hat. Wenn auch dieser Bericht die vorzüglichen englischen Segelanweisungen als durchaus zuverlässig anerkennt, so vertraut man dem, was Kameraden gesehen und erfahren haben, doch immer mehr; man fühlt sich dort, wo ein Bruderschiff schon gewesen ist, eher heimisch.
Bis gegen 8 Uhr morgens bleibt der Curs in offenem Fahrwasser südlich und durch die an der Westseite liegenden Berge gegen den erwarteten Weststurm geschützt. Der Morgen läßt sich gut an, der Sonnenaufgang war zwar nicht sehr vertrauenerweckend gewesen, die Sonne zeigt aber doch wenigstens ab und zu ihr erwärmendes Gesicht. Zu unserer Rechten liegen weich geformte Berge mit dichtem frischen Wald bestanden, aus dessen grünem Laub hier und dort verstreut blendend weiße Schneefelder hervorlugen. Die Berge steigen direct aus dem Wasser auf, bilden aber doch hin und wieder freundliche kleine Einbuchtungen, welche den vorbeifahrenden Schiffen gute Ankerplätze bieten, aber auch einen grell in die Augen springenden Beweis liefern, wie alles Lebende, was die Natur hervorbringt, dazu dient, von dem Stärkern wieder vernichtet zu werden. Hier in diesen geschützten lieblichen Baien steigen die der Magelhaens-Straße eigenthümlichen mächtigen Wasserpflanzen tief von dem Meeresgrunde bis zu einer Höhe von 10 m hoch aus und geben mit ihren 6-7 dcm langen und 2 dcm breiten Blättern den kleinen niedern Wasserthieren Schutz und Nahrung. In diesem Wasserpflanzenwald lebt aber auch die junge Fischbrut, welche ihr Leben mit den kleinern Thieren erhält, dieses aber auch sofort hingibt, sobald sie das schützende Dach verläßt, denn außerhalb der Pflanzen stehen Scharen von Raubfischen, welche jeden kleinen Wasserbewohner ihresgleichen erbarmungslos verschlingen, sobald er sich aus seinem Versteck hinauswagt. Wieviel Mord und Vernichtung spielt sich nicht an einem Tage in einem solch kleinen Stück Wasser ab?
Zu unserer Linken liegt eine weite Wasserfläche, begrenzt durch in blauen Dunst gehülltes Bergland, durch dessen weite Schluchten die noch hinter den Bergen niedrig stehende Sonne ihre Strahlen wirft und das wild geklüftete Alpenland magisch beleuchtet. Vor uns haben wir den Eingang zu der berüchtigten Felsenpassage mit einem Aussehen, welches einen schlimmen Tag verspricht. Das aus dem Wasser steil aufsteigende nackte Gestein ist infolge des ewigen Regens von tiefschwarzer Farbe, welche nur selten durch einige hellere Flecke unterbrochen wird. Sichtbar ist das Land dort überhaupt nur bis etwa 100 m über dem Wasser, von da ab ist alles in dicht übereinander geschichtete feste Wolkenmassen von tief blaugrauer Färbung gehüllt, in Wolkenbänke, welche so tief liegen, daß man sie mit den Mastenspitzen zu berühren glaubt und damit ihre Entladung herbeizuführen befürchtet. Regen erwartet man von ihnen aber nicht, sondern das schärfste Schneegestöber. Das Gewölk eines schweren Schneesturmes unserer Gegenden ins Vielfache übertragen gibt ein ungefähres Bild von der vor uns liegenden Wolkengestaltung und dem Aussehen der Luft. In diesen Sturm- und Regenkessel muß man hinein. Was hilft's! Mehr wie naß werden kann man ja nicht, also frisch drauf los.
Einige mächtige Walfische von 14 bis 18 m Länge — ich sehe im ganzen vier — spielen so harmlos in der Nähe des Schiffes, daß das Behagen, welches sie athmen, sich unwillkürlich dem Menschen mittheilt und sein Gemüth beruhigt. Hoch werfen sie aus ihren Spritzlöchern das Wasser in die Luft, strecken ihren mächtigen Kopf aus dem Wasser oder heben ihren kolossalen Rücken wie eine kleine Insel über die Wasserfläche, tauchen dann in die Tiefe und schnellen dabei den riesigen Schwanz aus dem Wasser, daß das hinterste Drittheil des Fisches für einen Augenblick senkrecht in die Luft ragt. Solch ein harmloses Spiel übt eine beruhigende Wirkung auf uns Zuschauer aus, die Gegend vor uns sieht sich schon gar nicht mehr so erschreckend an. Ein tüchtiges warmes Frühstück war oben in der frischen Luft mit köstlichem Appetit eingenommen; der kurze Rock, unter welchem eine warme wollene Weste sitzt, wird fest zugeknöpft, die Mütze fest in die Stirn gedrückt, der Kneifer auf der Nase zurechtgerückt und dann um 8 Uhr um das verschriene Cap Froward herumgejagt. Jetzt soll es kommen, Sturm und peitschender Regen! Ein frischer Sturm, welcher in diese 100 Seemeilen lange unabsehbare Felsenstraße eingekeilt an Stärke gewinnt, weht uns zwar in die Zähne, die Wolken über uns bilden eine feste undurchdringliche Decke; unten aber ist es schön klar, kein Hagel und kein Regen, kalte frische Luft und überall viel zu schauen. Was es zu sehen gibt läßt sich aber nur schwer schildern.
Die Gestaltung des Landes ändert unausgesetzt. Hier springt ein hohes, steiles Cap trotzig in die Straße vor und deckt die hinter ihm liegende tiefe Bucht; dort läuft das Land in eine weit vorgeschobene flache Spitze aus; an jener Stelle brechen aus den vorbeijagenden Wolken für Augenblicke scharf gezackte Bergkämme hervor; hier steigt senkrecht aus dem Wasser eine Felsenwand von dem Aussehen einer von Menschenhand sorgsam aufgebauten Riesenmauer auf; dort ziehen sich mächtige Kanäle, welche große Wasserstraßen nach einem andern Theil des Weltmeeres bilden, hin; hier liegen kleine, in frischem Laub prangende Inseln oder einzelne nur mit ihrer Spitze aus dem Wasser hervorragende Klippen, dort mehrere Quadratmeilen umfassende Inseln. Das alles vermag das Auge wol für Stunden und Tage, ja Wochen unausgesetzt zu fesseln, da es in seiner natürlichen Großartigkeit immer Neues und Interessantes bietet, in der Beschreibung wird es aber immer nur ein sehr verblaßtes Bild geben.
Ab und zu fegt der Sturm das Gewölk stellenweise fort und gestattet dann einen Blick in dieses eigenartige Gebirgsland, das noch im Hochsommer seine ewig starren Gletscher bis zum Meeresrand hinabsendet und gleichzeitig den an die Tropensonne gewöhnten Zugvögeln ein begehrenswerthes Asyl gewährt. Der Grundton des sich entrollenden Bildes ist Grau in Grau: eine grau erscheinende Wasserfläche als Vordergrund, graues Gewölk als Hintergrund. Aus diesem unbestimmbaren, farblosen und doch auf das Auge so mächtig wirkenden Grundton treten riesige Steinmassen, tiefschwarz gefärbte oder mit einer blendenden Schneedecke überzogene hohe Berge mit ihren entschiedenen und wilden Contouren scharf heraus. Das massige Unterland entsendet ungezählte scharfgeschnittene Pics in die Lüfte, welche bei annähernd gleicher Höhe scheinbar ganz willkürlich theilweise mit ewigem Schnee überzogen sind, theilweise mit vollkommenster Nacktheit prahlen und ebenso allen Unbilden des Wetters trotzen, wie die an ihrem Fuß lebenden Eingeborenen, mit welchen sie so große Charakterähnlichkeit haben. Zwischen jenen blendend weißen, zart überhauchten Berggipfeln und diesen schwarzen rauhen Gesellen liegen in tiefen unheimlichen Schluchten große, in ihrer ganzen Ausdehnung wol noch von keinem Menschenauge berührte Schneefelder, welche sich bis zum Meeresspiegel, bis dicht an die vorbeipassirenden Schiffe hinabsenken und auf ihrer Wanderung dahin sich allmählich aus duftiger Schneedecke von dem reinsten Weiß in starrende zerklüftete Gletscher von heller, bläulich-grüner Farbe umbilden, deren Mächtigkeit СКАЧАТЬ