Название: Streifzüge an der Riviera
Автор: Eduard Strasburger
Издательство: Bookwire
Жанр: Путеводители
isbn: 4064066117696
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Die katholische Kirche hat sich in Betreff der Palmen, welche der Palmsonntag verlangt, viel nachsichtiger gezeigt. In nordischen Ländern hat der Buchsbaum, ja selbst der kätzchentragende Weidenzweig, das Palmenblatt ersetzt. An der Mosel wird der Buchsbaum geradezu als »Palm« bezeichnet, und auch die aus Weiden gebundenen Festzweige heißen Palmen in slawischen Ländern.
Die Palmen hatten im Winter 1890/91 eine schwere Probe an der Riviera zu bestehen, als das Thermometer für mehrere Stunden auf 6° C. unter 0 gesunken war. Besonders bewährten sich bis jetzt im bordighesischen Klima, außer den Dattelpalmen (Phoenix dactylifera), die canarische Phoenix canariensis, die kalifornische Pritchardia filifera, die australische Livistona australis [pg 020] und die chinesische Chamaerops excelsa. Daß außerdem die Zwergpalme, Chamaerops humilis, gut in Bordighera gedeihe, ist nicht wunderbar, da sie der Mittelmeerflora thatsächlich angehört; sie ist unsere einzige europäische Palme, in Sicilien heimisch. In Algier deckt sie große Flächen. Man suchte sie dort auszurotten, um den Boden für neue Culturpflanzen zu gewinnen, jetzt sorgt man für ihre Verbreitung. Vom lästigen Unkraut, als welches sie betrachtet wurde, ist sie zu einer wichtigen Nutzpflanze avancirt. Entsprechend zubereitet, liefern nämlich die Blätter der Zwergpalme sehr elastische Fasern, die gleich Pferdehaaren zum Ausstopfen der Möbel und Matratzen dienen können. Den Pferdehaaren gegenüber zeichnen sie sich nicht nur durch ihre Billigkeit, sondern auch dadurch aus, daß sie nicht von Motten befallen werden. Im Gegensatz zu den Phoenix-Arten, die gefiederte Blätter besitzen, sind die Pritchardien, Coryphen, Chamaerops-Arten mit fächerförmigen Blättern versehen. Ihr Aussehen weicht somit nicht unwesentlich von demjenigen der Dattelpalmen ab, so daß ihre Acclimatisation an der Riviera auch in landschaftlicher Beziehung als ein Gewinn betrachtet werden kann. Zu bedeutender Höhe ist in zahlreichen Gärten die Chamaerops excelsa bereits emporgewachsen. Sie gehört zu den härtesten der eingeführten Arten, so daß sie ohne Bedeckung selbst das Klima der Insel Wight verträgt. Pritchardia filifera ist der zahlreichen weißen Fäden wegen, die den Blatträndern entspringen, sehr beliebt, verbreitet sich demgemäß auch rasch an der ganzen Riviera. Zu den häufigsten Palmen dürfte dort auch bald die Phoenix canariensis gehören, welche der Dattelpalme sehr ähnlich ist, sich aber vor ihr durch gedrängteren üppigeren Wuchs und kräftigere Blattentwickelung auszeichnet. – An geschützten Stellen der Riviera gedeihen auch verschiedene Arten der Palmengattung Cocos, so Cocos flexuosa, und Romanzoffiana mit äußerer eleganter Tracht, auch die blaugrüne Cocos australis. Die echte Cocospalme (Cocos nucifera), welche die Cocosnüsse liefert, kommt hier hingegen, sowie auch [pg 021] an den Südrändern des Mittelmeers, nicht fort. Ihre Cultur ist nur innerhalb der Wendekreise möglich. In der Form ihrer Blätter stimmen die Cocospalmen mit den Dattelpalmen überein. Ähnliche Blätter haben auch die Areca-Arten (Areca sapida, Baueri), welche an der Riviera gut aushalten. Es sind das nahe Verwandte der Betelnußpalme (Areca catechu), welcher die Betelnüsse entstammen, jene Nüsse, die mit Kalkpulver bestreut, und in Blätter des Betelpfefferstrauchs (Piper Betle) gewickelt, von Jung und Alt in Südasien gekaut werden. Zu den Palmen mit fächerförmigen Blättern, welche die Gärten der Riviera zieren, gehören auch zwei Livistona-Arten, die Livistona chinensis und australis, mit mächtigen Blättern, Palmen, die häufig in unseren Gewächshäusern anzutreffen sind. Schön macht sich unter den anderen Fächerpalmen der Riviera die blaugrüne Brahea Roezli, dann die stattlichen Sabal-Arten, deren zähe Fasern für Seilerwaaren, Hüte, Körbe und Säcke verwandt werden, auch die wichtige Carnaubapalme Brasiliens, die Copernicia cerifera. Mit den Blättern dieser Palme wird in der brasilianischen Provinz Ceara ein großer Theil der Hütten gedeckt, ihre Fasern ähnlich wie Stroh verwandt, der harte Stamm liefert Bau- und Tischlerholz, die Wurzeln ein Heilmittel, die bitteren Früchte dienen als Nahrung, aus dem Saft wird Sirup und Arrak bereitet, kurzum diese Palme zeigt uns so recht ein Bild von dem Nutzen, den eine einzige Art dieser segensreichen Pflanzenfamilie in den Tropen stiften kann. Ihren Artennamen cerifera, sowie ihren deutschen Namen dankt aber die Wachspalme ihrem wichtigsten Erzeugniß, dem vegetabilischen Wachs, das sie in Schuppenform aus ihren Blättern ausscheidet. Diese Schuppen werden von jungen, getrockneten Blättern abgeklopft und dann in Wasser gekocht, auf dessen Oberfläche das flüssige Wachs sich sammelt. Man versetzt es mit Talg und formt es zu Kerzen, welchen beim Brennen ein angenehmer Duft entströmt.
Bordighera begnügte sich nicht damit, seine Palmwedel für [pg 022] Cultuszwecke zu ziehen, es suchte sie auch im Kunsthandwerk zu verwerthen. So entstand die Palmenflechterei, die in letzter Zeit Dank dem Winter'schen Einfluß, eine ungeahnte Entwickelung nahm. In der Winter'schen Kunstgärtnerei wird jetzt die Palmenflechterei im Großen betrieben. Die Dattelpalme, die Chamaerops-Arten, Livistona australis und Pritchardia filifera geben im Besonderen das Material dazu her. Zur Verwendung kommen Blattspreiten, Blattstiele und Blattscheiden dieser Pflanzen, und wo Behälter nöthig, helfen auch wohl Flaschenkürbisse aus. Alle Theile der Palmen werden entsprechend gebogen und dann getrocknet, und hierauf zu Blumenvasen, Ampeln, Körbchen, Fruchtschalen, Lichtschirmen und anderen zierlichen Gegenständen stilgerecht vereint.
Auch die Nachtigallen an der Riviera suchen Nutzen aus der neuen Palmen-Cultur zu ziehen. Sie fanden heraus, daß die langen großen Fäden am Blattrand der Pritchardien für Nesterbau vortrefflich geeignet sind. Sie zwicken sie ab und tragen sie zusammen, um sich aus denselben ihr flüchtiges Heim zu flechten. –
IV.
Die zahlreichen Ausflüge, die sich landeinwärts von den Stationen der Riviera unternehmen lassen, haben in den Reisehandbüchern bis jetzt eine höchst unvollkommene Behandlung erfahren. Meist findet man in denselben nur eine Aufzählung der etwa zu besuchenden Orte, wobei die nächste, oft lohnendste Umgebung vernachlässigt ist, entferntere, beschwerliche, nicht immer lohnende Touren besonders empfohlen werden. Da die Wirksamkeit der Alpenvereine sich andererseits nicht bis zur Riviera erstreckt, die Wegweiser dort fehlen, die Einheimischen nur selten Auskunft über den Weg und niemals über die Schönheit desselben zu ertheilen vermögen, so wären grade für jene Gegenden gut orientirende СКАЧАТЬ