Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ über ihr Kunst­werk, den voll­komm­nen Tag, ihr Ta­ge­werk be­schließt – riß sich mit­ten durch die däm­mern­de Stil­le ein un­ge­stü­mer, ver­worr­ner Ju­bel­ruf, vom Rhei­ne her her­auf­klin­gend; vie­le Stim­men wur­den in der Fer­ne laut – das muß­ten uns­re stu­den­ti­schen Ge­fähr­ten sein, die wohl jetzt auf dem Rhei­ne in Käh­nen her­um­fah­ren moch­ten. Wir dach­ten dar­an, daß wir ver­mißt wür­den und ver­miß­ten selbst Et­was: fast gleich­zei­tig er­hob ich mit mei­nem Freund das Pis­tol: das Echo warf uns­re Schüs­se zu­rück: und mit ihm zu­sam­men kam auch schon ein wohl­be­kann­tes Ge­schrei, als Er­ken­nungs­zei­chen, aus der Tie­fe her­auf. Denn wir wa­ren bei uns­rer Ver­bin­dung als pas­sio­nir­te Pis­to­len­schüt­zen eben­so be­kannt als be­rüch­tigt. Im glei­chen Au­gen­bli­cke aber emp­fan­den wir un­ser Be­neh­men als die höchs­te Un­höf­lich­keit ge­gen die stum­men phi­lo­so­phi­schen An­kömm­lin­ge, die in ru­hi­ger Be­trach­tung bis jetzt da­ge­stan­den hat­ten und bei un­se­rem Dop­pel­schuß er­schreckt bei Sei­te ge­sprun­gen wa­ren. Wir tra­ten rasch auf sie zu und rie­fen ab­wech­selnd: »Ver­zei­hen Sie uns. Jetzt wur­de zum letz­ten Male ge­schos­sen, und das galt un­se­ren Ka­me­ra­den auf dem Rhein. Die ha­ben es auch ver­stan­den, Hö­ren Sie? – Wenn Sie durch­aus je­nen Ru­he­platz hier links im Ge­büsch ha­ben wol­len, so müs­sen Sie we­nigs­tens ge­stat­ten, daß auch wir dort uns nie­der­las­sen. Es giebt meh­re­re Bän­ke dort: wir stö­ren Sie nicht: wir sit­zen ru­hig und wer­den schwei­gen: aber sie­ben Uhr ist be­reits vor­bei und wir müs­sen jetzt dort­hin.«

      »Das klingt ge­heim­nis­vol­ler als es ist«, setz­te ich nach ei­ner Pau­se hin­zu? »es giebt un­ter uns ein erns­tes Ver­spre­chen, die­se nächs­te Stun­de dort zu ver­brin­gen; es giebt auch Grün­de da­für. Die Stät­te ist für uns durch eine gute Erin­ne­rung ge­hei­ligt, sie soll uns auch eine gute Zu­kunft in­au­gur­i­ren. Wir wer­den uns auch des­halb be­mü­hen, bei Ih­nen kei­ne schlech­te Erin­ne­rung zu hin­ter­las­sen – nach­dem wir Sie doch mehr­fach be­un­ru­higt und er­schreckt ha­ben.«

      Der Phi­lo­soph schwieg; sein jün­ge­rer Ge­fähr­te aber sag­te: »Uns­re Ver­spre­chun­gen und Verab­re­dun­gen bin­den uns lei­der in glei­cher Wei­se, so­wohl für den­sel­ben Ort als für die­sel­ben Stun­den. Wir ha­ben nun die Wahl, ob wir ir­gend ein Schick­sal oder einen Ko­bold für das Zu­sam­men­tref­fen ver­ant­wort­lich ma­chen wol­len.«

      »Im üb­ri­gen, mein Freund«, sag­te der Phi­lo­soph be­gü­tigt, »bin ich mit un­sern pis­to­len­schie­ßen­den Jüng­lin­gen zu­fried­ner als vor­dem. Hast du be­merkt, wie ru­hig sie vor­hin wa­ren, als wir nach der Son­ne sa­hen? Sie spra­chen nicht, sie rauch­ten nicht, sie stan­den still – ich glau­be fast, sie ha­ben nach­ge­dacht.«

      Und mit ra­scher Wen­dung zu uns: » Ha­ben Sie nach­ge­dacht? Das sa­gen Sie mir, wäh­rend wir zu­sam­men nach un­serm ge­mein­sa­men Ru­he­platz ge­hen.« Wir mach­ten jetzt zu­sam­men ei­ni­ge Schrit­te und ka­men ab­wärts klim­mend in die war­me duns­ti­ge At­mo­sphä­re des Wal­des, in dem es schon dunk­ler war. Im Ge­hen er­zähl­te mein Freund dem Phi­lo­so­phen un­ver­hoh­len sei­ne Ge­dan­ken: wie er ge­fürch­tet habe, daß heu­te zum ers­ten Male der Phi­lo­soph ihn am Phi­lo­so­phien hin­dern wer­de.

      Der Greis lach­te. »Wie? Sie fürch­ten, daß der Phi­lo­soph Sie am Phi­lo­so­phi­ren hin­dern wer­de? So et­was mag schon vor­kom­men: und Sie ha­ben es noch nicht er­lebt? Ha­ben Sie auf Ih­rer Uni­ver­si­tät kei­ne Er­fah­run­gen ge­macht? Und Sie hö­ren doch die phi­lo­so­phi­schen Vor­le­sun­gen?« –

      Die­se Fra­ge war für uns un­be­quem; denn es war durch­aus nichts da­von der Fall ge­we­sen. Auch hat­ten wir da­mals noch den harm­lo­sen Glau­ben, daß Je­der, der auf ei­ner Uni­ver­si­tät Amt und Wür­de ei­nes Phi­lo­so­phen be­sit­ze, auch ein Phi­lo­soph sei: wir wa­ren eben ohne Er­fah­run­gen und schlecht be­lehrt. Wir sag­ten ehr­lich, daß wir noch kei­ne phi­lo­so­phi­schen Col­le­gi­en ge­hört hät­ten, aber ge­wiß das Ver­säum­te noch ein­mal nach­ho­len wür­den.

      »Was nen­nen Sie nun aber,« frag­te er, »Ihr Phi­lo­so­phi­ren?« – »Wir sind«, sag­te ich, »um eine De­fi­ni­ti­on ver­le­gen. Doch mei­nen wir wohl un­ge­fähr so viel, daß wir uns ernst­lich be­mü­hen wol­len, nach­zu­den­ken, wie wir wohl am bes­ten ge­bil­de­te Men­schen wer­den.« »Das ist viel und we­nig«, brumm­te der Phi­lo­soph, »den­ken Sie nur recht dar­über nach! Hier sind uns­re Bän­ke: wir wol­len uns recht weit aus­ein­an­der­set­zen: ich will Sie ja nicht stö­ren nach­zu­den­ken, wie Sie zu ge­bil­de­ten Men­schen wer­den. Ich wün­sche Ih­nen Glück und – Stand­punk­te, wie in Ih­rer Duell­fra­ge, rech­te eig­ne na­gel­neue ge­bil­de­te Stand­punk­te. Der Phi­lo­soph will Sie nicht am Phi­lo­so­phi­ren hin­dern: er­schre­cken Sie ihn nur nicht durch Ihre Pis­to­len. Ma­chen Sie es heu­te ein­mal den jun­gen Py­tha­go­re­ern nach: die­se muß­ten fünf Jah­re schwei­gen, als Die­ner ei­ner rech­ten Phi­lo­so­phie – viel­leicht brin­gen Sie es für fünf Vier­tel­stun­den auch zu Stan­de, im Diens­te Ih­rer eig­nen zu­künf­ti­gen Bil­dung, mit der Sie sich ja so an­ge­le­gent­lich be­fas­sen.«

      Wir wa­ren an un­se­rem Zie­le: uns­re Erin­ne­rungs­fei­er be­gann. Wie­der wie da­mals vor fünf Jah­ren schwamm der Rhein in ei­nem zar­ten Duns­te, wie­der wie da­mals leuch­te­te der Him­mel, duf­te­te der Wald. Die ent­le­gens­te Ecke ei­ner ent­fern­ten Bank nahm uns auf; hier sa­ßen wir fast wie ver­steckt und so, daß we­der der Phi­lo­soph noch sein Beglei­ter uns in’s Ge­sicht sehn konn­ten. Wir wa­ren al­lein; wenn die Stim­me des Phi­lo­so­phen ge­dämpft zu uns her­über­kam, war sie in­zwi­schen un­ter der ra­scheln­den Be­we­gung des Lau­bes, un­ter dem sum­men­den Geräusch ei­nes tau­send­fäl­ti­gen wim­meln­den Da­seins in der Höhe des Wal­des fast zu ei­ner Na­tur­mu­sik ge­wor­den; sie wirk­te als Laut, wie eine fer­ne ein­tö­ni­ge Kla­ge. Wir wa­ren wirk­lich un­ge­stört.

      Und so ver­gieng eine Zeit, in der das Aben­d­roth im­mer mehr ver­blaß­te, und die Erin­ne­rung an uns­re ju­gend­li­che Bil­dungs­un­ter­neh­mung im­mer deut­li­cher vor uns auf­stieg. Es schi­en uns so, als ob wir je­nem son­der­ba­ren Ve­rein den höchs­ten Dank schul­dig sei­en: er war uns nicht etwa nur ein Supp­le­ment für uns­re Gym­na­si­al­stu­di­en ge­we­sen, son­dern ge­ra­de­zu die ei­gent­li­che frucht­brin­gen­de Ge­sell­schaft, in de­ren Rah­men wir auch un­ser Gym­na­si­um mit hin­ein­ge­zeich­net hat­ten, als ein ein­zel­nes Mit­tel im Diens­te un­se­res all­ge­mei­nen Stre­bens nach Bil­dung.

      Wir wa­ren uns be­wußt, daß wir da­mals an einen so­ge­nann­ten Be­ruf ins­ge­sammt nie ge­dacht hat­ten, Dank un­se­rem Verei­ne. Die nur zu häu­fi­ge Aus­beu­tung die­ser Jah­re durch den Staat, der sich mög­lichst bald brauch­ba­re Be­am­te her­an­ziehn und sich ih­rer un­be­ding­ten Füg­sam­keit durch über­mä­ßig an­stren­gen­de Exa­mi­na ver­si­chern will, war durch­aus von uns­rer Bil­dung in wei­tes­ter Ent­fer­nung ge­blie­ben; und wie we­nig ir­gend ein Nütz­lich­keits­sinn, ir­gend eine Ab­sicht auf ra­sche Be­för­de­rung und schnel­le Lauf­bahn uns be­stimmt hat­te, lag für Je­den von uns in der heu­te ein­mal tröst­lich er­schei­nen­den That­sa­che, daß wir auch jetzt СКАЧАТЬ