Автор: Булат Дамирович Нуриев
Издательство: ЮРАЙТ
Жанр: Учебная литература
Серия: Высшее образование
isbn: 9785534123975
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Inzwischen hatte ich natürlich bemerkt, dass er mit Cloward befreundet war, aber das hinderte Kolczyk nicht im Geringsten daran, den naiven Amerikaner zum Instrument seiner schmutzigen Pläne zu machen. Offenbar hatte Cloward ihm erzählt, dass ich öfter zu ihm herüberkam, um mir Zigaretten zu borgen. Ich traute mich ja nach Sonnenuntergang kaum noch auf die Straße hinunter, und manchmal gingen mir abends die Zigaretten aus. Da ich mir das Kettenrauchen angewöhnt hatte, war das immer besonders schmerzlich. Und was hatte Kolczyk mit dieser Information angefangen? Er hatte Cloward Zigaretten geschenkt und bei einigen von ihnen kleine Knallkörper in den Tabak gesteckt.
Nichts ahnend und in die Lektüre der Blechtrommel vertieft, lag ich an einem Sonnabend im Bett, als meine Zigarette mit einem mächtigen Knall auseinander flog und der Tabak wie Schnee von der Decke rieselte. Ein Schuss, war mein erster Gedanke, ein Kopfschuss, aus! Es dauerte Sekunden, bis ich begriff, was los war. Und auch als Cloward in der Tür stand und sich vor Lachen bog, zitterte ich noch immer am ganzen Körper. Es dauerte wohl eine halbe Stunde, bis sich mein Puls wieder normalisiert hatte. Und erst als ich eine halbe Flasche Dujardin ausgetrunken hatte, konnte ich einschlafen. Am nächsten Morgen, als ich dann brechend vor der Toilette kniete und sich mein Herz zusammenkrampfte, glaubte ich wirklich, mein letztes Stündchen habe geschlagen. Aber schweißüberströmt hatte ich mich noch einmal aufrappeln können.
Der schlimmste Schlag aber traf mich, als ich eines Abends leise die Treppe hinunterging, um meinen Abfalleimer auszuleeren. Ich hörte Cloward im Zimmer von Muttchen Braatz, offenbar sprach er von mir.
„... ein armer Kerl. Von seinem Arzt weiß ich, dass er an Leukämie leidet. Da ist nichts mehr zu machen!“
„Mein Gott!“, rief Muttchen Braatz.
Das hörte ich noch, dann brach ich auf der Treppe zusammen. Ich kam erst wieder zu mir, als mir Dr. Sievers eine mächtige Spritze in den Arm jagte. Als ich meine Befürchtung hervorstieß, lachte er nur und erzählte was von den verschiedenen Phobien, die es gibt. Es dauerte vierzehn Tage, bis meine total verkrampfte Galle wieder einigermaßen arbeitete und ich etwas anderes als Haferschleim zu mir nehmen konnte. Dann stellte ich mich dumm und fragte, ob er Kolczyk kennen würde. Dr. Sievers lächelte: Natürlich, einer meiner besten Freunde ... Also hatte Kolczyk das eingefädelt. Dieses Schwein! Verzeihung, aber ich war völlig fertig, völlig mit den Nerven runter.
Langsam begann ich mich zu fragen, ob ich mein Parasitentum nicht zu teuer bezahlte. Lange hielt ich diese nervlichen Belastungen nicht mehr aus. Je mehr ich durch drehte, desto schlimmer wurde die Wirkung der nächsten Attacke. Am Ende würde es noch so kommen, dass ich einen Herzschlag erlitt, wenn Kolczyk eine Papiertüte zerplatzen ließ. Ich war zu labil, ich war nicht zum Erpresser geboren, und die Nervenheilanstalt schien mir sicher. Es war schon so weit mit mir, dass ich Eier ohne Wasser zu kochen versuchte, meine Unterhose mit dem Schlitz nach hinten anzog und mich am Telefon mit Kolczyk meldete. Aber einen Weg zurück gab es nicht mehr!
Auch das Telefon nutzte Kolczyk für seine Zwecke aus, und mitunter klingelte es nachts und eine verzerrte Stimme stieß Drohungen aus oder ich hörte minutenlang nur ein metallisches Klicken, manchmal auch ein hämisches Lachen.
Ich erzähle Ihnen das nicht, weil ich auf mildernde Umstände oder auf den Paragraphen 51 hoffe, sondern nur, um zur Wahrheitsfindung beizutragen. Aber ich bitte Sie ganz inständig, sich einmal zu fragen, ob Kolczyk nicht ein wenig verrückt gewesen ist, ob er nicht einen kleinen Dachschaden hatte.
Aber damit nicht genug, Kolczyk schickte mir auch ab und zu recht zwielichtig aussehende Vertreter ins Haus, in denen ich jedes Mal professionelle Killer vermutete. Die meisten wollten mir Möbel, Fernlehrgänge, Versicherungspolicen, Autos und Zeitschriften verkaufen.
Mittlerweile wurde ich immer sicherer, dass Kolczyk mich schließlich doch ermorden würde, wenn er es nicht schaffte, mich zum Selbstmord zu treiben. Sehen Sie, erst hatte ich ja nur Angst vor einem gewaltsamen Tod haben sollen, um dann – nervlich völlig zerrüttet – Selbstmord zu begehen; jetzt aber, wo sein Rezept zu versagen drohte, musste er zur direkten Aktion übergehen, zum Mord. Anders konnte er mich nicht mehr loswerden, schließlich hatte seine psychologische Kriegsführung nicht zum gewünschten Ergebnis geführt. Zwei Selbstmordversuche reichten mir!
Am 20. Dezember, einem Mittwoch, geschah es dann. Es mochte gegen sechzehn Uhr sein, ich hatte gerade Nabokovs Lolita vor, als es klopfte.
„Herein!“ Ich hoffte im Stillen auf eine gut gebaute Kosmetik-Vertreterin, die sich vielleicht zu einer speziellen Vorführung eines Intim-Sprays überlisten ließ. Aber es war nur Muttchen Braatz. Sie hielt ein Päckchen in der Hand, nicht größer als eine Zigarrenkiste.
„... der Postbote hat es vorhin abgegeben. Und ich wollte mal sehen, wie’s Ihnen geht. Huch, es schellt schon wieder!“ Damit eilte sie nach unten.
Es war ein ganz gewöhnliches Päckchen, hellbraunes Packpapier, Tesafilm, zwei Briefmarken. Ich wog es kurz in der Hand, es mochte 500 Gramm wiegen, vielleicht auch ein wenig mehr. Ein Absender war nicht vermerkt – wer sollte mir auch schon ein Päckchen schicken. Aber irgendwie wurde ich jetzt stutzig.
Da! Ich hörte ein leises Ticken.
„Eine Höllenmaschine!“ Ich federte hoch, riss die Tür auf, stürzte auf den Korridor, griff meinen Mantel und sprang die Treppen hinunter. Nur weg hier, sollte doch der ganze Schuppen in die Luft fliegen! Wenn sie Clowards Leiche fanden, war Kolczyk ein Mörder, und ich hatte meine Rache!
Erst unten im Wagen kam ich wieder zu mir. Natürlich war keine Detonation erfolgt, Kolczyk hatte mir einen großen Wecker geschickt ...
Ich schaltete das Radio ein und steckte mir eine Zigarette an. Diesmal überwand ich den Schock schneller als sonst, weil ich mir sofort geschworen hatte, dem ganzen Spuk ein für alle Mal ein Ende zu bereiten. Zwar verspürte ich wieder einen heftigen Brechreiz, und in meinen Ohren dröhnte es, als stünde ich unter einem Wasserfall, aber zugleich durchströmte mich eine lange nicht gespürte Kraft.
Jetzt wusste ich, was ich zu tun hatte. Ich war sicher, dass Kolczyk wie die meisten Intellektuellen unter einer tief verwurzelten Furcht vor körperlichen Schmerzen litt, und ich hatte dutzende von Schlägereien durchgestanden, ich kannte alle Kniffe, ich beherrschte eine Menge Judogriffe, und meine Aufwärtshaken hatten schon manchen Gegner zu Boden geschickt.
„Jetzt schlage ich zurück, jetzt schlage ich dich zusammen ...“, flüsterte ich, berauscht von meinem eigenen Mut. „Du wirst mir nie wieder ein Päckchen ins Haus schicken, du wirst mich nie wieder zum Narren halten! Ich mache dich fertig, ich verprügle dich wie einen räudigen Hund, ich bügle dir die Kimme aus dem Arsch – und du wirst alles einstecken, ohne um Hilfe zu rufen, ohne zur Polizei zu rennen, denn du hast viel zu große Angst, dass alles auffliegt. Du wirst mir für alles büßen, für die Zigaretten, für die Pillen, für die Vertreter, für das Päckchen, das garantiere ich dir!“
Es war dunkel geworden, und ich fuhr los, um mit Kolczyk abzurechnen.
Zehn Minuten später hielt ich in der Eppinger Straße, keine zwanzig Meter von seinem Anwesen entfernt. Der Platz war gut gewählt, denn von den ohnehin weit verstreuten Laternen war eine ausgefallen, sodass Passanten, die die Breisacher Straße entlangkamen, mich kaum sehen konnten. Und wenn wirklich jemand um die Ecke bog oder seine Gartentür öffnete, dann war es auch nicht weiter schlimm, СКАЧАТЬ