Название: Frühlingsfluthen
Автор: Иван Тургенев
Издательство: Public Domain
Жанр: Русская классика
isbn:
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»Was ist das? Traum? Märchen? Und wie kommt er hierher?
XI
An der Thüre nach der Straße ließ sich die Klingel hören. Ein junger Bauernbursche mit Pelzmütze und rother Weste trat in die Conditorei. Vom frühen Morgen an hatte sich noch kein Käufer blicken lassen . . .
»Solche Geschäfte machen wir!« hatte beim Frühstück Frau Lenora mit einem Seufzer zu Sanin gesagt. Sie schlief weiter. Gemma hatte Angst, die Hand hinter dem Kissen vorzuziehen und flüsterte zu Sanin:
»Gehen Sie, verkaufen Sie statt meiner!« Sanin begab sich sofort auf den Zehen in den Laden.
Der Bursche wollte ein Viertel Pfund Pfeffermünzkuchen haben.
»Was habe ich von ihm zu bekommen?« fragte Sanin durch die Thüre Gemma zuflüsternd.
»Sechs Kreuzer,« antwortete sie ihm ebenfalls leise. Sanin wog ein Viertel Pfund ab, suchte Papier, machte daraus eine Düte, wollte die Kuchen hineinschütten, schüttete sie vorbei, bei wiederholtem Versuche schüttete er sie wiederum vorbei, gab sie endlich hin und bekam das Geld.
Der Bursche, der seine Mütze auf dem Bauch zusammendrückte, sah ihn verwundert an und im Nebenzimmer wollte Gemma, den Mund fest geschlossen haltend, sich fast zu Tode lachen. Kaum hatte sich dieser Käufer entfernt, da kam der zweite, dann der dritte . . .
»Ich habe wohl eine glückliche Hand!« dachte Sanin. Der zweite verlangte Orgeade, der dritte ein halbes Pfund Confect. Sanin befriedigte sie, eifrig mit den Löffeln klimpernd, die Untertassen herumschiebend und die Finger kühn in Kasten und Büchsen steckend. Bei der Berechnung stellte sich heraus, daß er die Orgeade zu billig gelassen, für das Confect zwei Kreuzer zu viel bekommen hatte. Gemma hörte nicht auf, still zu lachen und Sanin selbst fühlte eine unbeschreibliche Lustigkeit, eine besonders glückliche Gemüthsstimmung. Eine Ewigkeit wäre er hinter dem Ladentisch gestanden, hätte mit Orgeade und Confect gehandelt, während das liebe Wesen mit den freundlich-schelmischen Augen ihn durch die Thüre anblickt, die Sonne durch die mächtige Blätterschicht der vor dem Fenster auf der Straße wachsenden Castanien dringend, das ganze Zimmer mit dem grünlichen Golde der Mittagsstrahlen füllt und das Herz in der süßen Lust der Trägheit, der Sorglosigkeit und der Jugend, der urwüchsigen Jugend, schwelgt!
Der vierte Gast verlangte eine Tasse Caffee.
Man mußte sich an Pantaleone wenden (Emil war vom Herrn Klüber noch nicht zurückgekehrt), Sanin setzte sich wieder neben Gemma. Frau Lenora schlummerte immer fort, zur großen Freude ihrer Tochter.
»Bei der Mutter vergeht während des Schlafens die Migraine,« bemerkte sie. Sanin sprach flüsternd über sein »Geschäft«, erkundigte sich in allem Ernst nach den Preisen verschiedener Conditorwaaren; Gemma theilte ihm ebenso ernst diese Preise mit und unterdessen lachten Beide innerlich, als ob sie fühlten, daß sie die lustigste Komödie spielten. Plötzlich ließ auf der Straße ein Leierkasten die Arie aus dem Freischütz: »Durch die Felder, durch die Auen . . . « hören. Die weinerlichen Klagetöne des Instrumentes erklangen zitternd und pfeifend in der regungslosen Luft.
Gemma fuhr auf . . . »Er weckt die Mutter!« Sanin lief sofort auf die Straße, gab dem Leiermann einige Kreuzer, hieß ihn schweigen und sich entfernen. Als er zurückgekehrt war, dankte ihm Gemma mit leichtem Kopfnicken und, nachdenklich lächelnd, fing sie selbst, kaum hörbar, die hübsche Melodie von Weber, in welcher Max alle Bedenken der ersten Liebe ausdrückt, zu singen an. Dann fragte sie Sanin, ob er den Freischütz kenne, ob er Weber liebe und fügte hinzu, daß, obgleich sie selbst Italienerin sei, sie solche Musik über Alles liebe. Von Weber kam das Gespräch auf Poesie und Romantik, auf Hoffmann, welcher zu jener Zeit von Allen gelesen wurde . . .
Und Frau Lenora schlummerte immer zu, ja schnarchte selbst ein wenig, und die Strahlen der Sonne, in schmalen Streifen durch die Laden dringend, bewegten sich und wanderten zwar unmerklich, doch rastlos auf der Diele, über die Möbel, über das Gewand Gemmas, über die Blätter der Blumen.
XII
Es zeigte sich, daß Hoffmann in nicht allzu großem Ansehen bei Gemma stand, daß sie ihn sogar. . . langweilig fand! Das phantastisch dunkle, nordische Element seiner Erzählungen war nur wenig ihrer lichten, südlichen Natur zugänglich. »Das sind lauter Märchen, das Alles ist für Kinder geschrieben!« äußerte sie nicht ohne Geringschätzung. Der Mangel an Poesie bei Hoffmann wurde von ihr ebenfalls dunkel empfunden. Doch eine Erzählung, deren Namen sie übrigens vergessen, gefiel ihr außerordentlich; eigentlich gefiel ihr aber bloß der Anfang dieser Erzählung; ihr Ende hatte sie entweder nicht gelesen, oder ebenfalls vergessen. Es handelte sich um einen jungen Mann, der irgendwo, ich glaube in einer Conditorei, einem Mädchen von erstaunlicher Schönheit, einer Griechin, begegnet; diese wird vom einem geheimnißvollem sonderbaren, und bösartigen Greise begleitet. Der junge Mann verliebt sich vom ersten Blicke in das Mädchen; sie sieht ihn so trostlos an, als ob sie ihn anflehte, sie zu befreien . . . Er entfernt sich für einen Augenblick – in die Conditorei zurückgekehrt, findet er weder das Mädchen noch den Greis; leidenschaftlich forscht er nach den Beiden, er findet beständig ganz frische Spuren von ihnen, eilt ihnen nach – und vermag auf keine Weise, nirgends, nie sie einzuholen. – Die Schöne entschwindet ihm für alle Ewigkeit – und nicht im Stande ist er, ihren flehenden Blick zu vergessen, und es plagt ihn der Gedanke, daß vielleicht sein ganzes Glück seinen Händen entschlüpft ist. . .
Schwerlich hat Hoffmann seine Erzählung in dieser Weise beendet, doch so hatte sie sich bei Gemma gestaltet, war so in ihrer Erinnerung geblieben.
»Es scheint mir,« sagte sie, »daß solches Begegnen und Trennen häufiger in der Welt vorkomme, als wir denken.« Sanin schwieg und sprach einen Augenblick nachher. . . über Herrn Klüber. Es war das erste Mal, daß er desselben erwähnte; bis zu diesem Augenblicke hatte er sich seiner nicht einmal erinnert.
Gemma ihrerseits schwieg, wurde nachdenkend und ein wenig auf den Nagel ihres Zeigefingers beißend, wandte sie die Augen nach der Seite. Dann lobte sie ihren Bräutigam, erwähnte der von ihm auf Morgen vorbereiteten Landpartie und, nach einem raschen Blick auf Sanin, schwieg sie wieder.
Sanin wußte nicht, worüber er sprechen solle.
Emil kam geräuschvoll hereingelaufen und weckte Frau Lenora . . . Sanin war froh, daß er gekommen. Frau Lenora stand vom Sessel auf. Es erschien Pantaleone und eröffnete, daß das Mittagessen fertig sei. Der Hausfreund, der Exsänger und Diener, verwaltete ebenfalls das Amt des Koches.
XIII
Sanin blieb auch nach dem Mittagmahle. Wieder unter dem Vorwand der großen Hitze – ließ man ihn nicht fort, und als diese vergangen, schlug man ihm vor, nach dem Garten zu gehen, um im Schatten der Akazien Caffee zu trinken. Sanin willigte ein. Er fühlte sich sehr wohl. In der einförmigen und ruhigen Strömung des Lebens sind große Reize enthalten – und er überließ sich ihnen mit Entzücken, nichts Besonderes vom heutigen Tage verlangend, aber auch nicht über den künftigen nachdenkend und des gestrigen sich nicht СКАЧАТЬ