Название: Die Unglückliche
Автор: Иван Тургенев
Издательство: Public Domain
Жанр: Русская классика
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»Der Möbelhändler.«
»Der Möbelhändler . . . Wofür denn?«
»Auf Abrechnung.«
»Auf Abrechnung Zeige her!« – Er riß Susannen das Buch aus der Hand, setzte eine runde Brille in silberner Fassung auf die Nase und fuhr mit dem Finger die Zeilen entlang. – »Dein Möbelhändler . . . dem Möbelhändler . . . Wenn Ihr nur das Geld aus dem Hause bringen könnt! Dann seid ihr glücklich! . . . Wie die Croaten! Aqubrechnung! Uebrigens,« fügte er laut hinzu, die Brille von der Nase ziehend und sich mir wieder zuwendend – »was thue ich denn eigentlich da? Dieses langweilige Zeug kann auch später vorgenommen werden. Susanna Ivanowna, schleppen Sie diese Buchhalterei an ihren Platz zurück, und kommen Sie dann wieder her, ich bitte, und entzücken Sie das Ohr dieses unseres liebenswürdigen Gastes durch Ihr musikalisches Werkzeug, nämlich durch Ihr Clavierspiel . . . Eh?« –
Susanne wandte den Kopf ab.
»Ich wäre sehr glücklich,« sagte ich schnell, – »es wäre mir außerordentlich angenehm, Susanne Ivanowna spielen zu hören. Aber ich möchte Sie für Nichts in der Welt belästigen.«
»Was, belästigen! Wie das? Nun Susanne Ivanowna, eins, zwei, drei!«
Susanne antwortete nicht, und ging hinaus.
XIII
Ich erwartete nicht, daß sie zurückkehren würde; aber sie erschien bald wieder. Sie hatte ihren Anzug nicht gewechselt, setzte sich in einen Winkel, und sah mich ein paar Mal aufmerksam an. Fühlte sie nun in meiner Art sie zu behandeln, jene unwillkürliche, mir selbst unerklärliche Hochachtung durch, welche sie in mir erweckte; denn es war mehr als Neugierde, mehr sogar als Theilnahme; oder war sie heute weicher gestimmt, – genug, sie trat plötzlich zum Clavier. Die Hände unsicher auf die Tasten legend, und den Kopf ein wenig über die Schulter zu mir wendend, fragte sie mich, was sie mir vorspielen solle? Allein, ehe ich noch Zeit gehabt hatte zu antworten, hatte sie sich schon gesetzt, hatte ein Notenheft genommen, dasselbe aufgeschlagen und bereits angefangen zu spielen. Ich liebte die Musik von Kindheit auf; zu jener Zeit verstand ich sie aber noch wenig, und kannte nur launige Schöpfungen der großen Meister, und wenn Herr Ratsch nicht mit einigem Unwillen gebrummt hätte: »Aha! wieder dieser Beethoven!« so hätte ich nicht gewußt, worauf Susannens Wahl gefallen war. Sie spielte, wie ich später erfuhr, die berühmte F-moll-Sonate, Op. 57. Susannens Spiel ergriff mich unaussprechlich: ich hatte diese Kraft, dieses Feuer, diesen kühnen Schwung gar nicht erwartet. Von den allerersten Tacten des hinreißend leidenschaftlichen Allegro, dem Anfange der Sonate, an empfand ich jenes Erstarren, jene Kälte und süßen Schauer des Entzückens, welche augenblicklich unsere Seele erfassen, wenn die Schönheit, in ihrem Fluge unerwartet in dieselbe eindringt. Ich bewegte bis zum Ende kein Glied; ich wollte immer athmen, und wagte es nicht. Es fügte sich, daß ich hinter Susanne saß; ich konnte ihr Gesicht nicht sehen; ich sah nur, wie ihre langen, schwarzen Haare zuweilen sprangen und an ihre Schultern schlugen, wie ihre Gestalt sich ruckweise wiegte und wie ihre feinen Hände und entblößten Ellenbogen sich rasch und etwas eckig bewegten. Die letzten Klänge verhallten. Ich athmete endlich auf. Susanne blieb noch am Clavier sitzen.
»Ja, ja,« bemerkte Herr Ratsch, welcher übrigens auch aufmerksam zugehört hatte, – »romantische Musik! Das ist jetzt Mode. Aber warum unrein spielen? Eh? Zwei Noten zugleich mit dem Fingerchen anschlagen? – Warum? Eh? Das ist es; wir wollen immer schneller. Das giebt mehr Feuer. Eh? – Heiße Pfannkuchen!!« dröhnte Herr Ratsch plötzlich, wie ein Verkäufer.
Susanne hatte sich ein wenig zu Herrn Ratsch gewandt; ich sah ihr Gesicht im Profil. Die feinen Augenbrauen waren hoch hinaufgezogen über dem gesenkten Lide, ein ungleiches Roth übergoß ihre Wange, das kleine Ohr brannte unter den zurückgeworfenen Locken.
»Ich habe alle die besten Virtuosen persönlich gehört,« fuhr Herr Ratsch, plötzlich die Stirne runzelnd, fort, – »und alle sind sie im Vergleich mit dem verstorbenen Field – Tfu! – Null! Zero!! Das war ein Kerl! Und eins o reines Spiel! Und auch seine Compositionen – sind die allerschönsten. Aber alle diese neuen »tlu – tu – tu« und »tra – ta ta«, die sind, glaube ich, mehr für Schüler geschrieben. Da braucht man keine Delicatesse! Da kann man auf die Tasten schlagen, gleichviel auf welche Weise . . . es thut nichts! Kommt immer Etwas heraus! Janitscharen-Musik! Pcha! (Ivan Demjanitsch wischte sich die Stirn mit seinem Tuche.) Uebrigens habe ich das nicht in Bezug auf Sie gesagt, Susanne Ivanowna; Sie haben gut gepielt, und meine Bemerkungen dürfen Sie nicht beleidigen.«
»Ein Jeder hat seinen eigenen Geschmack,« sagte Susanne mit leiser Stimme, und ihre Lippen bebten; – »und was Ihre Bemerkungen anbetrifft, Ivan Demjanitsch, so wissen Sie wohl, daß mich dieselben nicht beleidigen können.«
»Ah, freilich! Denken Sie nur nicht,« wandte sich Ratsch zu mir, – »denken Sie nur ja nicht, geehrtester Herr, daß dieses aus übergroßer Herzensgüte und aus Demuth der Seele geschieht; wir dünken uns vielmehr so hoch gestiegen, daß – uh – uh! – die Mütze uns vom Kopfe fällt, wie man auf Russisch sagt, und keine Critik sich bis zu uns versteigen kann. Eigenliebe, mein werther Herr, Eigenliebe reitet uns, ja, ja!«
Nicht ohne Bestürzung hörte ich Herrn Ratsch an. Galle, giftige Galle kochte in jedem seiner Worte . . . Sie hatte sich lange angesammelt, sie erstickte ihn. Er versuchte seine Tirade mit dem gewöhnlichen Lachen zu schließen, und – hustete nur krampfhaft und heiser. Susanne hatte ihm nicht ein einziges Wort geantwortet; sie schüttelte nur den Kopf, erhob das Gesicht, faßte sich mit beiden Händen an den Ellenbogen, und fixirte ihn scharf. In der Tiefe ihrer unbeweglichen, erweiterten Augen glimmte altgewohnter Haß mit dunklem, unanslöschlichem Feuer.
»Sie gehören zu zwei verschiedenen musikalischen Geschlechtern,« fing ich mit möglichster Ungezwungenheit an, indem ich durch diese Ungezwungenheit zu verstehen geben wollte, daß ich Nichts bemerkt habe; – »darum ist nicht zu verwundern, daß Sie in Ihren Ansichten nicht übereinstimmen. . . . Aber, Ivan Demjanitsch, Sie werden mir gestatten, mich aus die Seite des jüngeren Geschlechtes zu stellen. Ich bin freilich nur Laie; aber ich gestehe,daß noch Nichts in der Musik einen solchen Eindruck auf mich gemacht hat, wie . . . wie das, was Susanne Ivanowna uns so eben vorgespielt hat.«
Ratsch warf sich mit plötzlich auf.
»Und warum glauben Sie,« schrie er, noch ganz roth vom Husten, – »daß wir Sie für unser Lager zu werben wünschen?« (Er sagte das Wort Lager auf Deutsch.) »Wir bedürfen dessen durchaus nicht. Dem Freien seinen Willen: dem Behüteten – Rettung! Aber, was die beiden musikalischen Geschlechter anbetrifft, so ist das richtig; uns Alten ist es überhaupt schwer, mit der Jugend zu leben, sehr schwer! Unsere Ansichten stimmen in gar Nichts überein; weder in der Kunst, noch im Leben, nicht einmal in der Moral. Nicht wahr, Susanne Ivanowna?«
Susanne lächelte mit verächtlicher Ironie.
»Wie Sie sagen,« antwortete sie; – »besonders in Bezug auf die Moral stimmen unsere Ansichten nicht, und können nicht zusammen stimmen,« und etwas Finsteres lief über ihre Züge hin, und ihre Lippen bebten leise.
»Freilich, freilich!« unterbrach sie Ratsch, – »ich bin kein Philosoph! Ich verstehe nicht . . . mich so hoch zu stellen! Ich bin ein einfacher Mensch, ein Sclave der Vorurtheile.«
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