Die Schlucht. Иван Гончаров
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Schlucht - Иван Гончаров страница 4

Название: Die Schlucht

Автор: Иван Гончаров

Издательство: Public Domain

Жанр: Русская классика

Серия:

isbn:

isbn:

СКАЧАТЬ Naturell,« sagte Ajanow; »man merkt es gleich, daß du nicht in strengen Händen und harter Schule warst – darum sinnst du jetzt auf tolle Streiche . . . Weißt du noch, was du von deiner Natascha erzähltest, als die noch lebte? . . .«

      Raiski blieb plötzlich stehen und faßte mit einem Ausdruck der Schwermut im Gesichte die Hand seines Begleiters.

      »Natascha!« wiederholte er leise – »das ist der einzige schwere Stein, der meine Seele drückt! Laß die Erinnerung an sie ruhen, jetzt, da dieser bestrickend schöne Zauber mit seinen Reizen auf mich wirkt . . .«

      Raiski seufzte. Sie gingen schweigend bis zur Wladimirkirche weiter, bogen dort in eine Seitengasse ein und betraten die Einfahrt eines herrschaftlichen Hauses.

      Zweites Kapitel

      Erst vor einem Jahre hatte Raiski die Bekanntschaft von Sophie Nikolajewna gemacht, einer jungen Witwe von fünfundzwanzig Jahren, die in erster, nur kurzer Ehe mit dem Diplomaten Bjelowodow verheiratet gewesen war.

      Sie stammte aus dem reichen alten Hause der Pachotins. Ihre Mutter hatte sie schon vor der Verheiratung verloren; ihr Vater, der als Ehemann ganz unter dem Pantoffel seiner Frau gestanden hatte, war nach Wiedererlangung seiner Freiheit plötzlich dahintergekommen, daß er viel zu früh ins Ehejoch gespannt worden sei und daher nie Gelegenheit gehabt habe, das Leben so recht aus dem Vollen zu genießen.

      Er führte das Leben eines Hagestolzes und mutete sich Dinge zu, die über seine Kräfte und sein Alter weit hinausgingen, und während andere auf seine Kosten schmausten und zechten, saß er mit krankem Magen dabei und sah zu. Das hatte seinem Vermögen den Todesstoß versetzt. Als Ersatz für die Genußfähigkeit, die ihm abging, hatte sich bei ihm der greisenhafte Ehrgeiz eingestellt, als Leichtfuß und Lebemann zu gelten, und für die Treue, die er in der Ehe notgedrungen hatte halten müssen, suchte er sich nun durch allerhand verrückte Liaisons schadlos zu halten, die in kurzer Zeit seine Barmittel, die Brillanten seiner Frau und schließlich auch einen großen Teil der Mitgift seiner Tochter verschlangen. Auf seinen Landbesitz, der schon vor seiner Ehe arg verschuldet gewesen war, mußte er nun neue schwere Lasten aufnehmen.

      Als seine Quellen so nach und nach versiegt waren, mußte er sich damit begnügen, nur ab und zu, vielleicht ein- oder zweimal im Jahre, eine kostspielige Dummheit zu begehen, irgendeiner Armance einen Brillantschmuck, eine Equipage oder ein teures Service zu kaufen, ihr drei Wochen lang den Hof zu machen, sie ins Theater zu führen und ihr zu Ehren Soupers zu geben, zu denen er die junge Lebewelt einlud. Dann verhielt er sich eine ganze Weile still, bis ihm wieder neue Geldmittel zuflossen.

      Nikolaj Wassiliewitsch Pachotin war ein sehr stattlicher alter Herr von recht würdevollem Aussehen, mit ehrwürdigem weichem Silberhaar. Sein Äußeres erinnerte lebhaft an den englischen Minister Palmerston.

      Ganz besonders stattlich nahm er sich aus, wenn er mit seiner Tochter Sophie Nikolajewna am Arme stolz und feierlich in den Ballsaal trat oder sich auf der Promenade mit ihr zeigte. Wer ihn nicht kannte, machte ihm ehrfurchtsvoll Platz, während die Bekannten sogleich, wenn sie seiner ansichtig wurden, ein vielsagendes Lächeln aufsteckten, ihm unter familiären Scherzen die Hand schüttelten, ihn aufforderten, doch wieder einmal ein lustiges Diner zu veranstalten, und ihm irgendeine lustige Geschichte ins Ohr flüsterten. . . .

      Der Alte scherzte, erzählte selbst nach links und nach rechts hin Anekdoten, machte seine Witze und liebte es namentlich, mit seinen Altersgenossen Erinnerungen aus der längst entschwundenen Jugendzeit auszutauschen. Voll Begeisterung sprachen sie davon, wie damals Graf Boris oder Denis ganze Haufen Goldes im Kartenspiel verloren habe; mit aufrichtigem Bedauern konstatierten sie, daß sie selbst nur so wenig vergeuden dürften und überhaupt ein so klägliches Leben führten, und mit überlegener Miene unterwiesen sie die aufmerksam lauschende Jugend in der großen Kunst zu leben.

      Mit besonderer Vorliebe aber schwelgte Pachotin in seinen Pariser Erinnerungen, als im Jahre Vierzehn die Russen als großmütige Sieger in der Seinestadt eingezogen waren und durch ihr chevalereskes Wesen nicht nur die seit der Revolution in dieser Hinsicht stark entarteten Franzosen übertroffen, sondern durch ihre sinnlose Verschwendung sogar die großzügige Freigebigkeit der Engländer überboten hätten.

      Scherzend und lachend schritt der Alte durchs Leben und hielt sich nur an seine heiteren Seiten. Er behielt selbst bei einem Trauerspiel im Theater seine lächelnde Miene, war entzückt von den kleinen Füßchen der tragischen Heldin und lorgnettierte ungeniert ihren Halsausschnitt.

      Trat dagegen etwas Ernstes an ihn heran, das nichts mit seinen Diners und zarten Abenteuern zu tun hatte, sondern an die Nerven ging und Aufregungen mit sich brachte, tauchten wichtige Fragen vor ihm auf, die an seinen Verstand oder seinen Willen appellierten, dann verfiel er in Zweifel und Unsicherheit, schwieg ängstlich und nagte hilflos an seinen Lippen.

      Er hatte von Haus aus einen lebhaften, leicht auffassenden Sinn und eine gute Beobachtungsgabe, ja sogar einen gewissen geistigen Schwung. Mit sechzehn Jahren war er in die Garde eingetreten und hatte vortrefflich Französisch sprechen, schreiben und singen gelernt, vom russischen Schrifttum aber hatte er kaum eine Ahnung. Er hatte eine prächtige Wohnung nebst Equipage und Pferden und verfügte über ein Einkommen von zwanzigtausend Rubeln. Niemand trug sich eleganter als er, und noch jetzt, auf seine alten Tage, galt sein Geschmack in Modefragen als tonangebend. Alles saß an ihm wie angegossen; sein Gang war elastisch und vornehm, seine Sprechweise sicher, niemals ließ er sich hinreißen. Seine Urteile standen nicht selten mit der Logik auf dem Kriegsfuße, doch war er dafür ein recht gewiegter Sophist. Man durfte wohl anderer Meinung sein als er, eine Niederlage aber gab er nie zu. Die Welt, in der er lebte, sein ganzer Erfahrungs- und Betätigungskreis gab seinem Leben keinen eigentlichen Inhalt, und so fürchtete er denn alles, was nach Ernst aussah, wie das Feuer. Eben dieser Erfahrungskreis aber, dieser stetige Verkehr mit vielen Menschen, diese zahlreichen und mannigfaltigen Bekanntschaften hatten in ihm eine gewisse liebenswürdige kleine Intelligenz ausgebildet, und wer ihn nicht kannte, war leicht geneigt, sich auf seinen Rat und sein Urteil zu verlassen, um dann nachträglich, durch den Schaden klug gemacht, zu erkennen, mit wem er es im Grunde genommen zu tun hatte.

      Er war noch nicht ganz in den bei seinem müßigen Leben und seinen Mitteln nicht ungefährlichen Strudel des Residenztreibens hineingeraten, als man ihn, den Fünfundzwanzigjährigen, mit einem hübschen Mädchen aus altem Hause verheiratete. Sie war eine kalte, despotische Natur und hatte es sogleich heraus, daß er der Schwächere war; es blieb ihm nichts weiter übrig, als nach ihrer Pfeife zu tanzen.

      Augenblicklich war Nikolaj Wassiljewitsch Pachotin Mitglied irgendeines offiziellen Komitees, wohnte allwöchentlich einer Sitzung bei, hatte einen hohen Rang und zwei Sterne und erwartete mit Ungeduld den dritten Stern. Das war die Stellung, die er in Staat und Gesellschaft innehatte.

      Außer dem dritten Stern hatte er noch einen anderen sehnsüchtigen Wunsch: eine Reise ins Ausland – das heißt nach Paris zu machen – diesmal nicht mit den Waffen, sondern mit dem gefüllten Geldbeutel in der Hand, und sich dort einmal gründlich, nach dem Rezept der alten Zeit, auszuleben.

      Mit Entzücken, und zugleich mit einem Gefühl des Neides, rief er sich allerhand Anekdoten aus den Tagen vor der Revolution ins Gedächtnis zurück, so die Geschichte von dem berühmten Taugenichts, der in einem Porzellanladen eine Tasse zerschlug und als Antwort auf die Vorwürfe des Ladeninhabers den ganzen Porzellanvorrat des Mannes in einen Scherbenhaufen verwandelte, natürlich nicht, ohne ihm alles auf Heller und Pfennig zu bezahlen; dann die Geschichte von dem Leichtfuß, der dem König eine herrliche Villa abkaufte, um sie einer Tänzerin zu schenken, und ähnliche kecke Historien, die er gern erzählte und jedesmal mit einem Seufzer des Bedauerns darüber schloß, daß die alte Zeit unwiederbringlich vorüber sei.

      Kurz nach dem Tode seiner Frau hatte er um seine Versetzung nach Paris gebeten, aber seine lockeren Sitten und törichten Streiche waren bereits so weit ruchbar СКАЧАТЬ