Geschichte des Grafen Hugo von Craenhove. Hendrik Conscience
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СКАЧАТЬ – Während ich, wie von einem unerwarteten Schlage getroffen, stehen blieb und das Haupt auf die Brust sinken ließ, stand der Wahrsager auf und näherte sich mir, ehe ich es bemerkt hatte. Ich fühlte seine beinerne Hand die meine ergreifen; dann sprach er mit ungemein sanfter Stimme, wie er mit Aleidis zu reden pflegte:

      »Bernhard, mein junger Freund, Du bist unglücklich? Wen beschuldigst Du in Deinem Herzens? Abulfaragus, nicht wahr?«

      »Ja, ja,« rief ich aus, »ich beschuldige Dich mit Recht. Du hast mich stets wie ein böser Geist verfolgt, und nun kocht vielleicht bereits auf Deinem Feuer das Gift, das mich tödten soll.«

      »Ein bitteres Lächeln war des Wahrsagers Antwort. Er schwieg eine Zeitlang und fragte dann:

      »Bernhard, hast Du gehört, was ich diesen Morgen zu Graf Arnold sagte?«

      »Ich habe es gehört,« antwortete ich unter Thränen, »wie Du mich gelästert und wie Du um mein Todesurtheil gebeten.«

      »Hast Du sonst nichts gehört, Bernhard?« fragte der Wahrsager nochmals.

      »In der Absicht, meinen Feind zu erschrecken, heuchelte ich nun, etwas von seinen wichtigen Geheimnissen erlauscht zu haben, und antwortete beißend:

      »Ja ich habe noch mehr gehört; – doch nie würde ich es wagen, etwas von dem zu sagen, was ich weiß und noch weniger, was ich vermuthe. Graf Arnold ist mein Wohlthäter!«

      »Die Stille, welche auf diese Worte eintrat, wunderte mich außerordentlich. Abulfaragus schien plötzlich noch düsterer zu werden, als ich: er schlug sein Auge zu Boden und seufzte ungemein schmerzlich.

      »Das Haupt wieder erhebend und mich beinahe bittend ansehend, sprach er:

      »Bernhard, mein Kind, Du siehst mich für einen bösen Menschen an, nicht wahr? Wüßtest Du, was ich thue und warum ich es thue? Wüßtest Du, warum ich mich hasse, da ich doch nie aus dieser Welt Jemanden etwas zu Leide gethan, o du würdest Mitleiden mit Abulfaragus haben. Du würdest ihn gewiß lieben, denn Dein Herz ist edel und rein.«

      »Wie soll ich meine Verwunderung ausdrücken, Albrecht? Der Mann, den ich für einen Teufel gehalten, stand bittend vor mir; seine Worte drangen zu meinem Herzen, ich fühlte in der That Mitleiden und meine Furcht verging.

      »Abulfaragus,« seufzte ich, »Du machst mich staunen. Spricht Dein Mund die Wahrheit?«

      »Folge mir,« sprach er, mich bei der Hand ergreifend, »folge mir, die Zeit ist kostbar.«

      »Es mußte wirklich kein Gefühl Abulfaragus Stimme widerstehen können, denn seine wenigen Worte hatten nicht allein meinen Haß und meine Angst, sondern auch all’ mein Mißtrauen vertrieben. Ich folgte ihm deßhalb gutwillig bis vor die Thüre seines Gemaches.

      »Hier begann eine leichte Furcht sich meiner wieder zu bemächtigen; ich trat in ein geheimnißvolles Zimmer, das acht Jahre lang meine Neugierde wach gehalten. Ich zitterte, als ich die Thüre aufgehen hörte und hineinschritt. Was ich jedoch sah, erschreckte mich nicht und ich war sehr – erstaunt, nichts Geisterhaftes und Gefährliches zu sehen. Das Zimmer war schmutzig und in Unordnung: eine eiserne Lampe erleuchtete es nur spärlich; da und dort standen Gerippe von kleinen Thieren, etwas getrocknete Kräuter, einige Bücher; ein großes Liebfrauenbild, von zwei schönen Blumenstöcken umduftet. – Dieß war Alles.

      »Abulfaragus ließ mich in einen Stuhl sitzen, stellte gleichfalls einen Sessel neben mich, nahm mich bei der s Hand und sprach:

      »Bernhard, Du glaubst, ich hasse Dich und suche Dein Verderben? Du täuschest Dich, mein Freund, außer denen von dem Blute derer von Craenhove, »liebe ich Niemanden als Dich. Ich habe Dir in der That Ursache gegeben, mich zu fürchten und zu hassen; aber dazu nöthigte mich das unerbittliche Schicksal. Ich sah Dich auf den Laternenhof kommen; Deine Ankunft freute mich. Ich ließ Dich im Frieden, bis eine unwiderstehliche Neugierde Dich zur Erforschung von Dingen trieb, die Du nicht wissen sollst. Da ergriff ich die Wagschaale, legte Dich hinein, während in der andern Schaale das Glück und die Ehre des Hauses Craenhove lag. Du wogst weniger und mußtest geopfert werden. – Du mußt fortziehen! Ich habe Dich verfolgt und verursachte Dir Leiden, in der Hoffnung, Dir den Aufenthalt auf dem Laternenhofe zu verleiden; aber Aleidis heilte alle Deine Schmerzen, Du warst unüberwindlich. Du hast ein Recht, mich zu hassen, Bernhard; denn ich überhäufte Dich oft mit Verdruß; – und um Dich zu erschrecken, schien ich Vergnügen an Deinem Schmerz zu finden. Du bist zu jung, mein Sohn, um die Beweggründe dieses Betragens zu begreifen, wenn ich sie Dir auch mittheilen wollte. Abulfaragus ist an das Haus der Herren van Craenhove wie ein Sklave gebunden; er muß sich ihrem Wohlergehen opfern, und während er Dich so feurig liebte, zwang ihn diese Sklaverei zu einer scheinbaren Feindschaft gegen Dich. Später sollst Du erfahren, Bernhard, warum ich Dich von Aleidis trenne, es gibt Triebe des Herzens, welche Du glücklicherweise noch nicht empfindest, die aber den Geist durchglühn, wie ein verzehrend Feuer. Diese Nacht hat Gott durch seine Sterne sich über Deine Zukunft ausgesprochen; nichts kann Dich ihrem Urtheile entziehen. Morgen vor Sonnenaufgang wirst Du das Schloß freiwillig oder durch Gewalt verlassen. Höre, zu was ich gezwungen bin, wenn Du Dich, nicht unterwirfst: – Ich werde Waffenknechte rufen, Dich entkleiden und aus dem Schlosse werfen lassen, wie einen Hund. – Das wäre grausam, nicht wahr? Ja, ich werde, es nicht thun; denn Du unterwirfst Dich, erhörst meine, Bitte und ergibst Dich in Dein Geschick. Sage mir, daß Du bereit bist, zu folgen. Sage mir, ob Du gehen, willst?«

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