Название: Weie Nachte
Автор: Федор Достоевский
Издательство: Public Domain
Жанр: Русская классика
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»Seien Sie mir nicht böse! Ich lache nur darüber, daß Sie sich selbst unbedingt schaden wollen; denn hätten Sie den Versuch, von dem Sie eben sprachen, gemacht, so wäre er Ihnen sicher gelungen, selbst wenn Sie ihn wirklich auf der Straße unternommen hätten; je einfacher, desto besser … Keine einzige Frau, – wenn sie nur nicht schlecht oder dumm ist, oder sich im Augenblick über etwas ärgert, – brächte es übers Herz, Sie ohne die zwei oder drei Worte, um die Sie so demütig flehen, gehen zu lassen … Was spreche ich übrigens? Natürlich würde Sie eine jede für verrückt halten. Ich sprach ja eben nur von mir selbst. Denn ich weiß, was das Leben bedeutet.«
»Haben Sie Dank!« rief ich aus: »Sie wissen selbst nicht, was Sie für mich getan haben!«
»Gut, gut. Doch sagen Sie mir, wieso Sie es erkannt haben, daß ich eine Frau bin, mit der Sie … nun, die Sie Ihrer Aufmerksamkeit und Freundschaft für würdig halten? … Kurz – daß ich keine Hausfrau bin, wie Sie es nennen. Warum entschlossen Sie sich, mich anzusprechen?«
»Warum? Warum? Sie waren ja allein, jener Herr erlaubte sich zu viel, und dann ist es Nacht: Sie werden doch zugeben, daß es meine Pflicht war … «
»Nein, nicht das meine ich: noch früher, auf der andern Straßenseite wollten Sie mich doch auch schon ansprechen, nicht wahr?«
»Auf der andern Straßenseite? Ich weiß wirklich nicht, was ich Ihnen darauf sagen soll; ich habe solche Angst … Wissen Sie: ich fühlte mich heute so glücklich, ich bin draußen vor der Stadt gewesen und habe im Gehen gesungen; ich habe noch nie so glückliche Augenblicke erlebt! Und Sie … vielleicht schien es mir nur so … Verzeihen Sie, wenn ich Sie daran erinnere: es schien mir, daß Sie weinten, und ich … ich konnte es nicht anhören … das Herz tat mir weh … Mein Gott! Durfte ich Sie denn nicht bedauern? War es denn Sünde, mit Ihnen brüderliches Mitleid zu fühlen? … Entschuldigen Sie: ich sagte eben Mitleid … Nun, mit einem Worte, wäre es denn für Sie beleidigend, wenn es mir einfiele, Sie anzusprechen?«
»Lassen Sie es … Genug … Sprechen Sie nicht weiter … ,« sagte das Mädchen verlegen und preßte meinen Arm fester zusammen. »Ich bin selbst schuld, denn ich habe das Gespräch darauf gebracht. Doch es freut mich, daß ich mich in Ihnen nicht getäuscht habe … Ich bin übrigens gleich zu Hause: ich muß in diese Seitengasse, es sind nur noch einige Schritte … Leben Sie wohl, ich danke Ihnen … «
»Werden wir uns denn niemals, niemals wiedersehen? … Wird denn alles mit diesem einen Gespräch enden?«
»Nun sehen Sie selbst!« sagte das Mädchen lachend: »Anfangs wollten Sie nur zwei Worte, und jetzt … Ich will Ihnen übrigens keine Vorwürfe machen … Vielleicht sehen wir uns auch noch einmal wieder … «
»Ich komme morgen wieder her,« sagte ich. »Verzeihen Sie: jetzt verlange ich es von Ihnen … «
»Sie sind wirklich ungeduldig: nun kommen Sie gar mit Forderungen … «
»Hören Sie, hören Sie!«unterbrach ich sie, »verzeihen Sie, wenn ich Ihnen wieder irgend so etwas sage … Doch es ist mir unmöglich, morgen nicht herzukommen. Ich bin ein Träumer: ich habe so wenig vom wirklichen Leben, und Augenblicke, wie die eben erlebten, sind für mich etwas so Seltenes, daß ich sie in meinen Träumen und Gedanken immer von neuem durchkosten muß. Ich werde diese ganze Nacht an Sie denken, eine ganze Woche, ein ganzes Jahr. Ich komme morgen unbedingt wieder her, und gerade auf diese selbe Stelle und zu dieser selben Stunde, und ich werde glücklich sein, wenn ich in meiner Erinnerung alles noch einmal erleben werde. Diese Stelle habe ich bereits liebgewonnen. Ich habe bereits zwei oder drei ähnliche Stellen in Petersburg. Einmal, als mich eine Erinnerung ergriff, mußte ich sogar weinen, wie Sie vorhin … Wer weiß, vielleicht weinten Sie vor zehn Minuten, weil auch Sie sich an etwas erinnerten … Doch verzeihen Sie: ich habe mich vergessen; es ist ja auch möglich, daß Sie an dieser Stelle einmal besonders glücklich waren … «
»Es ist gut,« sagte das Mädchen: »auch ich werde vielleicht morgen abends, gegen zehn Uhr herkommen. Ich sehe schon, daß ich es Ihnen gar nicht versagen kann … Ich muß nämlich morgen hier sein! Denken Sie nur nicht, daß ich Ihnen ein Stelldichein gebe: ich sage Ihnen darum in vorhinein, daß ich meiner selbst wegen herkommen muß. Doch … ich will es Ihnen lieber ganz offen sagen: ich habe nichts dagegen, wenn auch Sie herkommen; erstens könnte mir wieder irgendeine Unannehmlichkeit wie heute zustoßen, doch das ist gleichgültig … Kurz und gut: ich will Sie einfach wiedersehen, um Ihnen einige Worte zu sagen. Sie mißverstehen mich doch nicht? Glauben Sie nur nicht, daß ich so leicht jemandem ein Stelldichein gewähre … Ich täte es auch jetzt nicht, wenn … Das soll aber mein Geheimnis bleiben! Doch zuvor eine Bedingung … «
»Eine Bedingung! Sprechen Sie doch, sagen Sie mir alles: ich bin mit allem einverstanden, zu allem bereit!« rief ich entzückt aus. »Ich stehe für mich ein: ich will bescheiden und ehrerbietig sein … Sie kennen mich ja … «
»Eben weil ich Sie kenne, fordere ich Sie auf, morgen herzukommen,« sagte das Mädchen lächelnd. »Ich kenne Sie vollkommen. Eine Bedingung muß ich Ihnen doch stellen: (ich bitte Sie sehr, sie einzuhalten; Sie sehen ja, daß ich ganz offen spreche) – verlieben Sie sich nicht in mich! … Das dürfen Sie nicht, ich versichere Sie! Zur Freundschaft bin ich bereit, hier haben Sie meine Hand … Aber sich in mich verlieben, das dürfen Sie nicht, ich bitte Sie darum!«
»Ich schwöre es Ihnen!« rief ich und ergriff ihr Händchen.
»Ach, schwören Sie lieber nicht! Ich weiß ja, daß Sie wie Schießpulver explodieren können. Nehmen Sie mir nicht übel, daß ich mit Ihnen so spreche. Wenn Sie nur wüßten … Auch ich habe niemanden, mit dem ich sprechen, den ich um Rat bitten könnte. Allerdings: auf der Straße sucht man keine Ratgeber; doch Sie sind eine Ausnahme. Ich kenne Sie so gut, als ob wir seit zwanzig Jahren befreundet wären … Ich kann mich doch auf Sie verlassen, nicht wahr? … «
»Sie werden sehen … Ich weiß gar nicht, wie ich diesen einen Tag der Erwartung überlebe.«
»Schlafen Sie wohl, gute Nacht! Und denken Sie daran, daß ich mich Ihnen schon anvertraut habe. Sie haben es vorhin so schön gesagt: man kann wirklich nicht über jede Regung des Herzens oder gar über sein brüderliches Mitgefühl Rechenschaft abgeben! Wissen Sie, das war so schön gesagt, daß mir gleich der Gedanke kam, mich Ihnen anzuvertrauen … «
»Um Gottes willen! Was wollen Sie mir denn anvertrauen? Was?«
»Das sage ich Ihnen morgen. Vorerst soll es noch mein Geheimnis bleiben. Das ist auch für Sie besser: so wird es wenigstens entfernt einem Roman gleichen. Vielleicht werde ich es Ihnen morgen sagen, vielleicht auch nicht … Ich will mit Ihnen noch etwas sprechen … Wir müssen uns noch näher kennen lernen … «
»Ich bin bereit, Ihnen morgen alles von mir zu erzählen! Aber was ist denn das? Ich erlebe ein Wunder … Mein Gott, wo bin СКАЧАТЬ