Pjotr. Klabund
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Название: Pjotr

Автор: Klabund

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ hast das Messer Sofija gestohlen?« fragte der Fürst.

      »Nein,« sagte der Idiot mit einem bösen Blick, »Sofija hat mir das Messer gegeben, und darum hast du kein Recht, es mir zu nehmen.«

      »Troll dich«, schrie der Fürst. Er zitterte vor Aufregung, die Brille klirrte auf den Mosaikfußboden, der den letzten Kaiser von Byzanz zeigte.

      Der Idiot schlich mit geducktem Kopf von dannen.

      An der Tür bleckte er noch einmal die Zunge heraus.

      Der Fürst ging Sofija suchen. Er begegnete ihr im Hof, wie sie gerade von ihrem Nachmittagsritt heimkam. Sie sprang vom Pferd, warf ihm die Zügel über, gab ihm einen Schlag mit der flachen Hand und ließ den Rappen allein zum Stall traben.

      Sie schlug dem Fürsten mit der Reitpeitsche leicht über die Schulter.

      Er zuckte zusammen. Sein weiches, kindliches Gesicht versuchte sich männlich zu straffen.

      »Lassen Sie die Kindereien, Sofija -«

      »Oh, das war gar keine Kinderei, Andrej. Ich schlug Sie nur – weil ich Sie liebe. Lieben Sie mich ebenfalls?«

      Sie spitzte ihren Mund wie eine Haselmaus und schien ihn hier im Hof öffentlich zum Kuß herauszufordern.

      Der Fürst wurde ärgerlich.

      »Ja, ich liebe Sie ebenfalls. Glühend. Leidenschaftlich. Aber doch nicht bis zu jenem Wahnsinn, den Sie vorzuhaben scheinen.«

      Er zog den Dolch aus der Rocktasche:

      »Kennen Sie dieses Messer?«

      Sofija erblaßte leicht:

      »Zeigen Sie her. – Allerdings. Es pflegt zu meiner persönlichen Verteidigung auf dem Nachttisch an meinem Bett zu liegen. Man muß es mir entwendet haben.«

      »Lügen Sie nicht, Sofija.«

      Sofija biß die Zähne zusammen. Sie stampfte mit dem Fuß auf.

      »Sie haben sich einen sonderbaren, einen Ihrer wenig würdigen Kavalier erkoren, Sofija. Er versuchte, Sie auf eine wunderliche Art zu beschützen. Was haben Sie sich dabei gedacht, Sofija?«

      Sofija lockerte die Zähne. Sie scharrte mit dem Fuß wie ein Hahn, der nach Würmern sucht. Dann sah sie den Fürsten blitzend an. Er erschrak vor dem Strahl dieser Augen.

      »Ich liebe Sie, Andrej. Sie haben mir die Liebe und das Leben erst gezeigt.«

      Der Fürst streichelte ihren mit einem ledernen Handschuh bekleideten rechten Unterarm.

      »Vielleicht, Sofija. Aber mehr als mich lieben Sie ein anderes: die Macht.«

      »Ja,« jubelte Sofija auf, »ja, ich liebe die Macht. Ich will herrschen. Ich will Zarin sein. Du sollst der Zar werden. Der Narr kümmert uns nicht. Aber Pjotr steht uns im Wege. Laß ihn töten, Andrej, töte Pjotr«

      Sie war unter Tränen vor ihm niedergesunken und umklammerte flehend seine Knie.

      Die Geisteskrankheit Iwans war von einem Konsortium europäischer Ärzte als unheilbar erklärt worden. Ein Ukas des Reichsverwesers, Fürsten Galizyn, verkündete es dem Volk. Das freilich sah darin nur die Machenschaft einer Hofkamarilla und wollte an Iwans Wahnsinn nicht recht glauben. Man sah den Achtzehnjährigen zuweilen hinter den Gartengittern im Park von Preobraschensk gemessen, verträumt und nachdenklich Spazierengehen. Er trug über einer weißen gestärkten Halskrause ein unnatürlich bleiches, engelhaft schönes Gesicht. Je mehr sein Gehirn zerfiel und zerblättertc, desto milder wurden seine ehemals wilden Sitten, und schließlich verliebte sich noch in ihn die gesamte männliche und weibliche Dienerschaft des Schlosses, die sich früher über ihn lustig gemacht oder ihn verachtet hatte.

      »Du siehst,« sagte Fürst Galizyn, »wie du dich getäuscht hast, meine Liebe. Der Narr ist ein viel gefährlicherer Nebenbuhler für dich als dieser bärbeißige Bursche Pjotr. Vielleicht ist der Idiot sogar gescheiter als der vernünftige Pjotr. Vielleicht sogar gescheiter als wir. Wer weiß. Was machen wir nun mit Pjotr? Schade, daß er nicht als Bauer geboren ist.«

      »Nun,« meinte Sofija ein wenig hinterhältig und spielte mit einer Bernsteinkette, die ihr um den Hals hing, ein Geschenk des Fürsten, »erziehen wir ihn als einen Bauern. Das wird ihm am gesundesten sein und am meisten wohltun. Was braucht er als zukünftiger Zar schon viel zu lernen? Ich habe auch nichts gelernt und regiere ganz passabel.«

      »Nun, nun,« der Fürst lächelte, »sollte sich das nicht so glatt erledigen, weil ich einiges gelernt habe? Lesen und Schreiben muß der zukünftige Zar wenigstens lernen. Was soll Europa sonst von uns denken, dessen Blicke erwartungsvoll auf uns gerichtet sind?«

      Der Fürst schlug ein scherzhaftes Pathos an.

      Sofija kräuselte die Stirn:

      »Ach was – Europa. Seine Blicke sind gar nicht auf uns gerichtet. Denn es ist ein blindes, altes Huhn. Jawohl,« wiederholte sie, als der Fürst schallend zu lachen begann, »Europa ist ein blindes, altes Huhn. – Küsse mich, Andrej.«

      »Und Rußland?« er küßte sie zärtlich auf die unnatürlich roten Lippen – »was ist dann Rußland für ein Vogel?«

      »Ein Adler« – Sofija breitete die Arme aus wie ein Raubvogel seine Schwingen, ehe er auf seine Beute niederstößt.

      Der Fürst, halb für sich:

      »Auch ein junger Adler wie Pjotr muß einiges lernen: nicht aus dem Nest zu fallen, ruhig und sicher zu schweben, den Feind von weitem zu erkennen, den Tod im Kampf und auch den Opfertod für seine Sippe nicht zu fürchten. Man wird ihm das beibringen müssen.«

      Sofija ließ ihre Arme unwillig niederfallen.

      »Was du immer mit Pjotr hast. Ich glaube, du liebst ihn, nicht mich. So lehre mich doch das Fliegen«

      Sie flog an seine Brust.

      Der preußische Leutnant außer Dienst Felix Timmermann wurde dem jungen Pjotr als Gouverneur beigegeben. Pjotr lernte notdürftig Schreiben und Lesen und Deutsch radebrechen. Zu einer orthographisch richtigen Schreibweise hat er es nie gebracht. Rechnen und Geometrie lagen ihm schon besser. Darin vermochte auch Timmermann, ein begabter Mathematiker, ihn eher fcu fördern. Seine Lieblingsfächer aber waren Militärwissenschaft, Nautik und Geschichte, die Timmermann selber nur mäßig beherrschte. Immer wieder aber mußte Timmermann ihm von Hannibal, von Cäsar, von Alexander dem Großen erzählen. Timmermann, dessen Kenntnisse auf sehr schwachem Grunde ruhten, schmückte die Biographien seiner Heroen, als er sah, wie sein Zögling sich an ihnen entzündete, mit eigenen Zutaten grell und phantastisch aus. Alexander der Große, der schon eher den Beinamen »Alexander der Ungeheuerliche« verdient hätte, gelangte in seiner Geschichtsstunde weit über Indien und China bis zu einem imaginären Land, wo das bis dahin unbezwungene Volk der Riesen hauste. Alexander erschlug mit eigener Hand siebentausend Riesen und heiratete, nachdem er im Zweikampf auch den König der Riesen wie einen wilden Eber erlegt, des Riesenkönigs Tochter, von der er noch in der Hochzeitsnacht heimtückisch mit einem giftgetränkten Hemd umgebracht wurde aus Rache für die Vernichtung ihres Volkes. Der gute Timmermann geriet hier unbedenklich in die Herkulessage hinein.

      Pjotrs Augen aber glänzten, seine Wangen glühten.

      »Und?« fragte er leidenschaftlich – »und?« Und der brave Timmermann steigerte sich zu immer kolossalischeren СКАЧАТЬ