Название: Soll und Haben
Автор: Gustav Freytag
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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»Du hast doch vieles aufgegeben um meinetwillen«, sagte der Freiherr. »Oft habe ich gefürchtet, daß unser Landleben dir, dem Günstling der verstorbenen Prinzeß, zu einsam und klein erscheinen würde.«
»Dort war ich Dienerin, hier bin ich Herrin«, sagte die Baronin lachend. »Außer meiner Toilette hatte ich nichts, was mir selbst gehörte. Immer in den langweiligen Stuben der Hoffräulein herumziehen, an allen Abenden zu der letzten Rolle verurteilt sein und dabei die Angst haben, daß das immer so fortgehen soll, bis man alt wird in ewigen Zerstreuungen, ohne eigenes Leben! Du weißt, daß mich das oft traurig gemacht hat. Hier sind die Überzüge unserer Möbel nicht von schwerem Seidenstoff, und in unserm Saal steht keine Tafel aus Malachit, aber was im Hause ist, gehört mir.« Sie schlang ihren Arm um den Freiherrn: »Du gehörst mir, die Kinder, das Schloß, unsere silbernen Armleuchter.«
»Die neuen sind nur Komposition«, warf der Freiherr ein.
»Das sieht niemand«, erwiderte seine Gemahlin fröhlich. »Und wenn ich das Porzellan ansehe und am Rande dein und mein Wappen erblicke, so schmecken mir unsere zwei Schüsseln zehnmal so gut als die vielen Gänge der Hofküche. Und vollends die großen Hoftage und unsere Marschallstafel, wo jeder den andern zum Verzweifeln genau kannte und jeder dem andern zum Verzweifeln gleichgültig war.«
»Du bist ein glänzendes Beispiel von Genügsamkeit«, sagte der Freiherr. »Um deinetwillen und wegen der Kinder wollte ich, dies Gut wäre zehnmal so groß und unsere Einnahme so, daß ich dir einen Pagen halten könnte, Frau Marquise, und außer der Wirtschafterin ein paar Hoffräulein.«
»Nur kein Fräulein«, bat die Baronin, »und was den Pagen betrifft, so braucht man keinen, wenn man einen Kavalier hat, der so aufmerksam ist wie du.«
So schritt der Freiherr behaglich zwischen den beiden Frauen dem Schlosse zu. Lenore hatte sich unterdes der Zügel seines Reitpferdes bemächtigt und redete dem Pferde freundlich zu, so wenig Staub als möglich zu machen.
»Dort hält ein fremder Wagen, ist Besuch gekommen?« fragte der Freiherr, als sie sich dem Hofe näherten.
»Es ist nur Ehrenthal«, antwortete die Baronin, »er wartet auf dich und hat bereits seinen ganzen Vorrat von schönen Redensarten an uns verschwendet; Lenore ließ ihrem Übermut die Zügel schießen, und es war hohe Zeit, daß ich sie wegführte; dem drolligen Manne wurde angst bei der Koketterie des unartigen Kindes.«
Der Freiherr lächelte. »Mir ist er immer noch der liebste aus dieser Klasse von Geschäftsleuten«, sagte er, »sein Benehmen ist wenigstens nicht abstoßend, und ich habe ihn in dem langen Verkehr stets zuverlässig gefunden. – Guten Tag, Herr Ehrenthal, was führt Sie zu mir?«
Herr Ehrenthal war ein wohlgenährter Herr in seinen besten Jahren, mit einem Gesicht, welches zu rund war, zu gelblich und zu schlau, um schön zu sein; er trug Gamaschen an den Füßen, eine diamantene Busennadel auf dem Hemd und schritt mit großen Bücklingen und tiefen Bewegungen des Hutes durch die Allee dem Baron entgegen.
»Ihr Diener, gnädiger Herr«, antwortete er mit ehrerbietigem Lächeln. »Wenn mich auch nichts herführt von Geschäften, so werde ich Sie doch bitten, Herr Baron, daß Sie mir manchmal erlauben, herumzugehen in Ihrer Wirtschaft, damit ich in meinem Herzen eine Freude habe. Es ist mir eine Erholung von der Arbeit, wenn ich komme in Ihren Hof. Alles so glatt und wohlgenährt und alles so reichlich und gut eingerichtet in den Ställen und in den Scheunen. Die Sperlinge auf dem Dach sehen bei Ihnen lustiger aus als die Sperlinge von andern Leuten. Wenn man als Geschäftsmann so vieles erblicken muß, was einen nicht erfreut, wo die Menschen durch ihr Verschulden in Unordnung kommen und Verfall, da tut’s einem wohl, wenn man ein Leben sieht wie das Ihre; keine Sorgen, keine großen Sorgen zum wenigsten, und so vieles, was das Herz erfreut.«
»Sie sind so artig, Herr Ehrenthal, daß ich glauben muß, etwas recht Wichtiges führt Sie her. Wollen Sie ein Geschäft mit mir machen?« fragte der Freiherr gutmütig.
Mit einem Kopfschütteln, wie es dem biedern Mann ansteht, wenn er einen ungerechten Verdacht von sich abweisen will, antwortete Herr Ehrenthal: »Nichts vom Geschäft, Herr Baron! Die Geschäfte, die ich mit Ihnen mache, sind solche, wo man sagt keine Artigkeiten. Gute Ware und gutes Geld, so haben wir es immer gehalten, und so wollen wir’s mit Gottes Hilfe auch ferner halten. Ich kam nur herein im Vorbeifahren« – dabei bewegte er nachlässig die Hand, um pantomimisch zu bekräftigen, daß er nur im Vorbeifahren sei –, »ich wollte fragen wegen des Pferdes, das der Herr Baron zu verkaufen haben. Es ist einer im Dorfe daneben, dem ich habe versprochen, zu fragen nach dem Preis. Ich kann’s ebensogut mit dem Amtmann abmachen, wenn der Herr Baron keine Zeit haben für mich.«
»Kommen Sie mit, Ehrenthal«, sagte der Freiherr, »ich führe mein Pferd selbst in den Stall.«
Herr Ehrenthal machte den Frauen viele Bücklinge, welche von Lenore durch ebenso viele Knickse erwidert wurden, und folgte dem Freiherrn zur Stalltür. Dort blieb er respektvoll stehen und bestand darauf, daß das Pferd des Barons und der Baron selbst vor ihm eintraten. Nach kurzer Besichtigung und dem üblichen Reden und Gegenreden führte der Freiherr Herrn Ehrenthal auch in den Kuhstall, worauf Herr Ehrenthal den leidenschaftlichen Wunsch aussprach, auch die Kälber zu sehen, und endlich die Bitte zufügte, auch bei den Zuchtböcken zur Audienz zugelassen zu werden. Er war ein erfahrener Geschäftsmann, und wenn das Entzücken, welches er aussprach, auch etwas handwerksmäßig und überschwenglich klang, so war das, was er lobte, doch wirklich lobenswert, und der Freiherr hörte das Lob mit Wohlgefallen an.
Nach Besichtigung der Schafe mußte eine Pause gemacht werden, denn Ehrenthal war zu sehr ergriffen von der Feinheit und Dichtigkeit ihres Pelzes. »Nein, dieser Stapel!« seufzte er in träumerischer Begeisterung. »Schon jetzt kann man sehen, was er sein wird im nächsten Frühjahr.« Er wiegte den Kopf hin und her und zwinkerte mit den kleinen Augen nach der Sonne. »Wissen Sie, Herr Baron, daß Sie sind ein glücklicher Mann! Haben Sie gute Nachrichten von Ihrem Herrn Sohn?«
»Danke, lieber Ehrenthal, er hat gestern geschrieben und seine Zeugnisse geschickt«, antwortete der Freiherr.
»Er wird werden wie sein Herr Vater«, rief Herr Ehrenthal aus, »ein Kavalier von erster Qualität und ein reicher Mann, der Herr Baron weiß zu sorgen für seine Kinder.«
»Ich erspare nichts, lieber Ehrenthal«, erwiderte der Baron nachlässig.
»Was ersparen!« rief der Händler mit Verachtung gegen eine so plebejische Tätigkeit. »Was wollen Sie sparen? Wenn ich mir erlauben darf, das zu bemerken als ein Geschäftsmann, der schon lange die Ehre hat, Sie zu kennen. Was brauchen Sie zu sparen? Sie werden doch dereinst, wenn der alte Ehrenthal nicht mehr sein wird, auch ohne Sparen hinterlassen dem jungen Herrn das Gut, welches unter Brüdern wert ist ein und ein halbes Hunderttausend, und dem gnädigen Fräulein Tochter außerdem eine Aussteuer von – was soll ich sagen –, von fünfzigtausend Taler bar.«
»Sie irren«, sagte der Freiherr ernst, »ich bin nicht so reich.«
»Nicht so reich?« rief Herr Ehrenthal mit sittlicher Entrüstung gegen jeden Menschensohn (den Baron ausgenommen), der so etwas behaupten könnte. »Es hängt doch nur von Ihnen ab, jeden Augenblick so reich zu sein. Wer ein Vermögen hat wie der Herr Baron, der kann in zehn Jahren verdoppeln sein Kapital ohne Gefahr. – Warum wollen Sie nicht Pfandbriefe der Landschaft auf Ihr Gut nehmen?«
Die ›Landschaft‹ der Provinz war damals ein großes Kreditinstitut der Rittergutsbesitzer, welches Kapitalien zur ersten Hypothek auf Rittergüter auslieh. Die Zahlung erfolgte in Pfandbriefen, welche auf den Inhaber lauteten und überall im Lande für das sicherste Wertpapier galten. Das Institut СКАЧАТЬ