Marsch der Könige. Морган Райс
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      „Ist dir klar, dass jeder Soldat des Königreichs nach dir sucht? Weißt du schon, dass jemand auf meinen Vater eingestochen hat?“

      Thor nickte ernst. „Wie geht es ihm?“

      Reeces Gesicht verdüsterte sich.

      „Nicht gut“, antwortete er grimmig. „Er liegt im Sterben.“

      Thor war am Boden zerstört; als wäre es sein eigener Vater.

      „Du weißt, dass ich nichts damit zu tun hatte, nicht wahr?“, fragte Thor hoffnungsvoll. Ihm war egal, was alle anderen dachten, doch sein bester Freund, MacGils jüngster Sohn, musste wissen, dass er unschuldig war.

      „Klar doch“, sagte Reece. „Sonst würde ich wohl kaum hier stehen.“

      Thor fühlte eine Welle der Erleichterung und packte Reece dankbar an der Schulter.

      „Aber der Rest des Königreichs wird nicht so vertrauensselig sein wie ich“, fügte Reece hinzu. „Der sicherste Ort für dich ist weit weg von hier. Ich gebe dir mein schnellstes Pferd und ein Proviantpaket, und schicke dich von hier davon. Du musst dich verstecken, bis sich hier alles beruhigt hat und sie den wahren Mörder gefunden haben. Jetzt gerade kann niemand hier klar denken.“

      Thor schüttelte den Kopf.

      „Ich kann hier nicht weg“, sagte er. „So würde ich nur schuldig erscheinen. Ich muss den anderen klarmachen, dass ich nichts getan habe. Ich kann nicht vor meinen Problemen davonlaufen. Ich muss meinen Namen reinwaschen.“

      Reece schüttelte den Kopf.

      „Wenn du hierbleibst, finden sie dich. Sie werden dich wieder einsperren—und dann hinrichten—wenn dich die Meute nicht vorher erwischt.“

      „Das Risiko muss ich eingehen“, sagte Thor.

      Reece starrte ihn lange und eingehend an, und sein Ausdruck änderte sich von Besorgnis zu Anerkennung. Schließlich nickte er bedächtig.

      „Du bist stolz. Und dumm. Sehr dumm. Genau das mag ich an dir.“

      Reece lächelte. Thor lächelte zurück.

      „Ich muss deinen Vater spreichen“, sagte Thor. „Ich muss eine Gelegenheit haben, ihm von Angesicht zu Angesicht zu erklären, dass ich es nicht war, dass ich nichts damit zu tun hatte. Falls er beschließt, mich zu verurteilen, so sei es. Aber ich brauche eine Chance. Ich will, dass er es weiß. Das ist alles, worum ich dich bitte.“

      Reece starrte ihn eingehend an und machte sich ein Bild von seinem Freund. Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, nickte er.

      „Ich kann dich zu ihm bringen. Ich kenne einen Hintereingang in seine Kammer. Es ist riskant—und wenn du einmal drin bist, bist du auf dich allein gestellt. Es gibt keinen Weg hinaus. Es gibt dann nichts mehr, was ich noch für dich tun kann. Es könnte deinen Tod bedeuten. Bist du sicher, dass du das riskieren möchtest?“

      Thor nickte mit todernster Zustimmung.

      „Also gut dann“, sagte Reece, griff plötzlich nach unten und warf Thor einen Umhang zu.

      Thor fing ihn auf und blickte ihn erstaunt an; er erkannte, dass Reece dies von Anfang an geplant hatte.

      Reece lächelte Thor zu.

      „Ich wusste, du würdest dumm genug sein, hier bleiben zu wollen. Ich hätte von meinem besten Freund nichts Geringeres erwartet.“

      KAPITEL VIER

      Gareth stapfte in seiner Kammer auf und ab und ließ die nervenzerrüttenden Ereignisse der Nacht Revue passieren. Er konnte nicht fassen, was beim Festmahl passiert war; wie alles so schiefgehen konnte. Er konnte kaum glauben, dass dieser dumme Junge, dieser Außenseiter Thor, irgendwie von seinem Giftkomplott Wind bekommen hatte—und es noch dazu tatsächlich geschafft hatte, den Kelch abzufangen. Gareth dachte an den Moment zurück, als er Thor aufspringen und den Kelch umwerfen sah; als er den Kelch am Steinboden aufschlagen hörte; als er zusah, wie der Wein sich über den Boden ergoss, und mit ihm all seine Träume und Mühen.

      In dem Moment war Gareth ruiniert gewesen. Alles, wofür er gelebt hatte, war zerschmettert. Und als dieser Hund den Wein aufleckte und tot umfiel—da wusste er, er war erledigt. Er sah sein ganzes Leben an sich vorüberziehen, sah sich schon entlarvt, für den versuchten Mord an seinem Vater zu lebenslangem Kerker verurteilt. Oder noch schlimmer, exekutiert. Es war idiotisch gewesen. Er hätte diesen Plan niemals ausführen, diese Hexe niemals besuchen sollen.

      Zumindest hatte Gareth schnell reagiert, die Chance ergriffen, aufzuspringen und der erste zu sein, der den Verdacht auf Thor lenkte. Rückblickend war er stolz auf sich für die schnelle Reaktion. Es war eine Eingebung gewesen, und zu seinem Erstaunen schien es funktioniert zu haben. Sie hatten Thor abgeführt und das Festmahl hatte sich wieder beruhigt. Natürlich war es danach nicht mehr dasselbe, aber zumindest schien der Verdacht fest auf dem Jungen zu sitzen.

      Gareth konnte nur beten, dass es dabei blieb. Das letzte Attentat auf einen MacGil lag Jahrzehnte zurück und Gareth fürchtete, es würde Untersuchungen geben; dass die Tat genauer hinterfragt werden würde. Rückblickend war es töricht gewesen, ihn vergiften zu wollen. Sein Vater war unverwundbar. Gareth hätte das wissen sollen. Er hatte sich übernommen. Und nun wurde er das Gefühl nicht los, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis der Verdacht auf ihn fallen würde. Er würde alles tun müssen, was er konnte, um Thors Schuld zu beweisen und ihn hinrichten zu lassen, bevor es zu spät war.

      Zumindest hatte Gareth es wieder einigermaßen gutgemacht: nach dem gescheiterten Versuch hatte er das Attentat abgeblasen. Nun fühlte sich Gareth erleichtert. Nachdem er zusehen musste, wie das Komplott scheiterte, war ihm klar geworden, dass es tief in ihm einen Teil gab, der seinen Vater gar nicht töten wollte, dessen Blut nicht an seinen Händen haben wollte. Er würde nicht König werden. Er würde vielleicht nie König werden. Doch nach den Ereignissen dieses Abends war das für ihn in Ordnung. Zumindest würde er frei sein. Er würde den Stress dieser ganzen Sache nicht noch einmal aushalten: die Geheimnisse, die Verhüllungen, die ständige Angst, entlarvt zu werden. Es war zu viel für ihn.

      Während er hin und her stapfte, immer später in die Nacht hinein, begann er schließlich, sich langsam zu beruhigen. Gerade als er sich wieder wie er selbst fühlte und sich auf das Zubettgehen vorbereiten wollte, krachte plötzlich die Tür hinter ihm auf. Herein stürmte Firth, die Augen weit aufgerissen, kopflos, als würde er verfolgt werden.

      „Er ist tot!“, schrie Firth. „Er ist tot! Ich habe ihn umgebracht. Er ist tot!“

      Firth war hysterisch, er jaulte geradezu, und Gareth hatte keine Ahnung, wovon er redete. War er betrunken?

      Firth rannte kreischend, schreiend, mit den Armen wedelnd durch das Zimmer—und da erst bemerkte Gareth seine blutüberströmten Hände, seine blutbefleckte gelbe Tunika.

      Gareths Herz setzte aus. Firth hatte gerade jemanden getötet. Aber wen?

      „Wer ist tot?“, forderte Gareth. „Von wem sprichst du?“

      Aber Firth war hysterisch und konnte sich nicht konzentrieren. Gareth СКАЧАТЬ