Sie trat einen Schritt auf ihn zu. In der Beengtheit des Raumes konnte er ihr Shampoo riechen und den leichten Duft Eau de Cologne, den sie oft trug. Die Kombination dieser Düfte ließ seine Beine weich werden. Er fühlte, wie sie leicht zitterten.
„Du darfst mir nicht einmal direkte Anordnungen geben, Luke. Du arbeitest nicht mehr für die Spezialeinheit.“ „Ich bin lediglich beurlaubt.“
Sie ging noch einen weiteren, kleinen Schritt auf ihn zu. Ihre Augen bohrten sich wie zwei Laser in ihn. Diese Augen zeugten von Klugheit und Feuer.
„Und du hast dich warum beurlauben lassen? Meinetwegen?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein. Ich hatte meine Gründe. Du warst keiner davon.“ „Die Marshall Brüder?“ Er zuckte die Schultern. „Wenn man zwei Männer in einer Nacht umbringt, ist es wahrscheinlich der richtige Zeitpunkt eine Auszeit zu nehmen. Vielleicht um eine neue Perspektive auf die Dinge zu gewinnen.“ „Sagst du mir gerade, dass du nie irgendwelche Gefühle für mich hattest?“ fragte sie. Er sah sie an, verblüfft, dass sie diese Frage stellte. Er hatte immer gespürt, dass Trudy mit ihm flirtete, doch er war nie darauf eingegangen. Einige wenige Male, als sie betrunken auf irgendwelchen Cocktail-Partys unterwegs gewesen waren und er sich mit seiner Frau gestritten hatte, waren sie sich näher gekommen. Aber der Gedanke an seine Frau und seinen Sohn hatte ihn immer davor bewahrt in den Abgrund zu springen.“
„Trudy, wir arbeiten zusammen,“ sagte er förmlich. „Und ich bin verheiratet.“ Sie kam noch näher heran. „Ich bin nicht auf der Suche nach einem Bräutigam, Luke,“ sagte sie sanft, beugte sich nach vorne und war nur noch wenige Zentimeter von ihm entfernt. Schließlich lehnte sie sich an ihn. Seine Arme hingen an seinen Seiten herab. Er spürte die Wärme ihres Körpers und den alten unkontrollierbaren Drang, den ihre Gegenwart bei ihm auslöste, die Erregung, die Energie… die Lust. Sie legte ihre Hände auf seine Brust und als ihre Handinnenflächen sein Shirt berührten, wusste er, dass er jetzt reagieren oder sich ihr völlig hingeben musste.
Mit einer Geste größter Selbstdisziplin trat Luke einen Schritt zurück und schob ihre Hände sanft von sich.
„Tut mir Leid, Trudy,“ sagte er mit rauer Stimme. „Du bist mir wichtig. Wirklich. Aber das wäre keine gute Idee.“
Sie zog die Augenbrauen zusammen, doch bevor sie etwas sagen konnte, donnerte eine schwere Faust gegen die Holztür.
„Luke, bist du da drin?“ Es war Newsams Stimme. „Du solltest rauskommen und einen Blick auf das hier werfen. Swann hat was gefunden.“
Sie starrten einander an, Luke hatte Gewissensbissen, wenn er an seine Frau dachte, obwohl nichts passiert war.
Er entzog sich der Situation, um Schlimmeres zu vermeiden und fragte sich, wie dieses Vorkommnis ihre Zusammenarbeit belasten würde.
Das Schlimmste jedoch war sich einzugestehen, dass er im tiefsten Inneren den Raum nicht verlassen wollte.
Swann saß an einem langen Tisch, auf dem sich drei Monitore aneinanderreihten. Mit seinem schütteren Haar und der Brille erinnerte er Luke an einen NASA-Physiker einer Weltraumflugkontrollstation. Luke stand mit Newsam und Trudy hinter ihm, alle drei schauten über Swanns schmale Schultern.
„Das hier ist Ken Bryants Bankkonto,“ sagte Swann und deutete mit dem Cursor auf etwas in der Mitte des Bildschirms. Luke speicherte die Details in seinem Kopf ab: Überweisungen, Abzüge, Gesamtsaldo, alles zwischen dem achtundzwanzigsten April und siebenundzwanzigsten Mai.
„Wie sicher ist diese Verbindung?“ fragte Luke. Er schaute sich im Raum und vor der Tür um. Der Hauptraum der Zentrale befand sich bereits am Ende des Gangs.
„Die hier?“ fragte Swann. Er zuckte mit den Schultern. „Sie steht in keiner Verbindung mit der Zentrale. Ich bin mit unserem eigenen Tower und unseren eigenen Satelliten verbunden. Verschlüsselt von unseren Leuten. Ich nehme stark an, dass CIA oder NSA jemanden finden könnten, der Zugang findet, aber warum sollte uns das stören? Wir spielen doch alle im selben Team oder? Ich würde mir darum keine Sorgen machen. Ich würde mich viel eher auf das Bankkonto hier konzentrieren. Fällt etwas auf?“
„Sein Saldo beträgt 24.000 Dollar,“ sagte Luke.
„Richtig,“ sagte Swann. „Eine Reinigungskraft mit einem beachtlichen Batzen Geld auf seinem Konto. Interessant. Nun lasst uns einen Monat zurückgehen. Achtundzwanzigster März bis siebenundzwanzigster April. Der Kontostand beträgt sogar 37.000 Dollar, einiges davon gibt er wohl aus. Es gibt Überweisungen von einem anonymen Konto, 5.000 Dollar, dann 4.000 Dollar, dann, oh okay, vergesst das IRS Problem… her mit den 20.000 Dollar.“
„Okay,“ sagte Luke.
„Geh noch einen Monat zurück. Ende Februar bis Ende März. Sein Anfangssaldo beträgt 1.129 Dollar. Am Ende des Monats sind es mehr als 9.000 Dollar. Geh noch einen zurück, Ende Januar bis Ende Februar, sein Kontostand betrug nie mehr als 2.000 Dollar. Wenn du noch drei weitere Jahre zurückgehst, wirst du sehen, dass sein Kontostand selten mehr als 1.500 Dollar betrug. Ein Typ, der von der Hand in den Mund lebte und der mit einem Mal im März riesige Beträge auf seinem Konto verbuchen kann.“
„Woher kommen die?“
Swann lächelte und hob den Finger. „Jetzt kommt der spaßige Teil. Die Überweisungen kommen von einer kleinen Offshore-Bank, die auf anonyme Nummernkonten spezialisiert ist. Sie heißt Royal Heritage Bank und liegt auf den Cayman Inseln.“
„Kommst du da rein?“, fragte Luke. Er schaute zu Trudy, die missbilligend dreinblickte.
„Das brauche ich gar nicht“, sagte Swann. „Royal Heritage gehört einem CIA Agenten mit Namen Grigor Svetlana. Er ist Ukrainer, gehörte einst zur Roten Armee. Er hat es sich vor zwanzig Jahren mit den Russen verscherzt, nachdem alte Sowjet-Waffentechnik verschwunden war und dann auf dem Schwarzmarkt in Westafrika wieder aufgetaucht war. Ich spreche hier nicht von Waffen. Ich spreche hier von Flugabwehrgeschützen, Panzerabwehrraketen und tieffliegenden Lenkflugkörpern. Die Russen waren bereit ihn dafür zu hängen. Da er nicht wusste wohin, ist er zu uns gekommen. Ich habe einen Freund bei Langley. Die Konten der Royal Heritage Bank sind bei weitem kein Geheimnis, sondern für den amerikanischen Geheimdienst ein offenes Buch. Das ist den meisten Royal Heritage Bank Kontoinhabern natürlich nicht bewusst.“
„Also weißt du, auf wen das Konto läuft, das die Überweisungen getätigt hat.“ „Ganz genau.“ „Okay, Swann,“ sagte Luke. „Ich habe es kapiert. Du bist sehr intelligent. Jetzt komm zum Punkt.“ Swann fuchtelte vor den Computerbildschirmen herum. „Byrant selbst führte das Konto, von dem aus die Überweisungen kommen. Das ist das Konto hier auf meinem linken Bildschirm. Wie du sehen kannst, beläuft sich das Saldo derzeit auf 209.000 Dollar. Er hat hier und dort kleinere Beträge vom Nummernkonto auf sein Girokonto verschoben, wahrscheinlich um persönliche Besorgungen davon zu machen. Und wenn wir ein paar Monate zurückscrollen dann können wir sehen, dass Byrants Offshore-Konto am dritten März mit einem Anfangsbetrag von 250.000 Dollar eröffnet wurde, überwiesen von einem anderen Royal Heritage Konto, dem auf dem rechten Monitor.“
Luke schaute zu dem Konto auf der rechten Seite. Mehr als vierundvierzig Millionen Dollar waren dort verbucht. „Da hat sich Byrant wohl auf ein Tauschgeschäft eingelassen,“ sagte er. „Genau,“ sagte Swann. „Wer ist es?“
„Es handelt sich um diesen Mann.“ Auf dem Bildschirm tauchte ein Personalausweis auf. Er zeigte einen Mann mittleren Alters mit dunklen sich ins Weiße entfärbenden Haaren. „Das ist Ali Nassar. Siebenundfünfzig Jahre alt. Iraner. СКАЧАТЬ