Märchen / Сказки. Книга для чтения на немецком языке. Герман Гессе
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Märchen / Сказки. Книга для чтения на немецком языке - Герман Гессе страница 9

СКАЧАТЬ gegangen war, und wie alle Menschen so eifrig und mit soviel Kraft und Stolz und Freude ihren Zielen nachgingen, das war ihm ein wunderbares Schauspiel.

      Indessen wurde es Winter und wieder Sommer, Augustus lag lange Zeit in einem Armenspital krank, und hier genoss er still und dankbar das Glück, arme, niedergeworfene Menschen mit hundert zähen Kräften und Wünschen am Leben hängen und den Tod überwinden zu sehen. Herrlich war es, in den Zügen der Schwerkranken die Geduld und in den Augen der Genesenden die helle Lebenslust gedeihen zu sehen, und schön waren auch die stillen, würdigen Gesichter der Gestorbenen, und schöner als dies alles war die Liebe und Geduld der hübschen, reinlichen Pflegerinnen. Aber auch diese Zeit ging zu Ende, der Herbstwind blies, und Augustus wanderte weiter, dem Winter entgegen, und eine seltsame Ungeduld ergriff ihn, als er sah, wie unendlich langsam er vorwärts kam, da er doch noch überall hinkommen und noch so vielen, vielen Menschen in die Augen sehen wollte. Sein Haar war grau geworden, und seine Augen lächelten blöde hinter roten, kranken Lidern, und allmählich war auch sein Gedächtnis trübe geworden, so dass ihm schien, er habe die Welt niemals anders gesehen als heute; aber er war zufrieden und fand die Welt durchaus herrlich und liebenswert.

      So kam er mit dem Einbruch des Winters in eine Stadt; der Schnee trieb durch die dunkeln Straßen, und ein paar späte Gassenbuben warfen dem Wanderer Schneeballen nach, sonst aber war alles schon abendlich still. Augustus war sehr müde, da kam er in eine schmale Gasse, die schien ihm wohlbekannt, und wieder in eine, und da stand seiner Mutter Haus und das Haus des Paten Binßwanger, klein und alt im kalten Schneetreiben, und beim Paten war ein Fenster hell, das schimmerte rot und friedlich durch die Winternacht.

      Augustus ging hinein und pochte an die Stubentür, und der kleine Mann kam ihm entgegen und führte ihn schweigend in seine Stube, da war es warm und still und ein kleines, helles Feuer brannte im Kamin.

      »Bist du hungrig?« fragte der Pate. Aber Augustus war nicht hungrig, er lächelte nur und schüttelte den Kopf.

      »Aber müde wirst du sein?« fragte der Pate wieder, und er breitete sein altes Fell auf dem Boden aus, und da kauerten die beiden alten Leute nebeneinander und sahen ins Feuer.

      »Du hast einen weiten Weg gehabt«, sagte der Pate.

      »Oh, es war sehr schön, ich bin nur ein wenig müde geworden. Darf ich bei dir schlafen? Dann will ich morgen weitergehen.«

      »Ja, das kannst du. Und willst du nicht auch die Engel wieder tanzen sehen?«

      »Die Engel? O ja, das will ich wohl, wenn ich einmal wieder ein Kind sein werde.«

      »Wir haben uns lange nicht mehr gesehen«, fing der Pate wieder an. »Du bist so hübsch geworden, deine Augen sind wieder so gut und sanft wie in der alten Zeit, wo deine Mutter noch am Leben war. Es war freundlich von dir, mich zu besuchen.«

      Der Wanderer in seinen zerrissenen Kleidern saß zusammengesunken neben seinem Freunde. Er war noch nie so müde gewesen, und die schöne Wärme und der Feuerschein machten ihn verwirrt, so dass er zwischen heute und damals nicht mehr deutlich unterscheiden konnte.

      »Pate Binßwanger«, sagte er, »ich bin wieder unartig gewesen, und die Mutter hat daheim geweint. Du mußt mit ihr reden und ihr sagen, dass ich wieder gut sein will. Willst du?«

      »Ich will«, sagte der Pate, »sei nur ruhig, sie hat dich ja lieb.«

      Nun war das Feuer kleingebrannt, und Augustus starrte mit denselben großen schläfrigen Augen in die schwache Röte, wie einstmals in seiner früheren Kindheit, und der Pate nahm seinen Kopf auf den Schoß, eine feine, frohe Musik klang zart und selig durch die finstere Stube, und tausend kleine, strahlende Geister kamen geschwebt und kreisten frohmütig in kunstvollen Verschlingungen umeinander und in Paaren durch die Luft[18]. Und Augustus schaute und lauschte und tat alle seine zarten Kindersinne weit dem wiedergefundenen Paradiese auf.

      Einmal war ihm, als habe ihn seine Mutter gerufen; aber er war zu müde, und der Pate hatte ihm ja versprochen, mit ihr zu reden. Und als er eingeschlafen war, legte ihm der Pate die Hände zusammen und lauschte an seinem still gewordenen Herzen, bis es in der Stube völlig Nacht geworden war.

(1913) Fragen

      1. Was hat für Augustus seine Mutter gewünscht?

      2. Was ungewöhnliches gab es im Zimmer des Paten von Augustus?

      3. Warum hat der Mutterwunsch Augustus unglücklich gemacht?

      4. Welches Wunsch hat Augustus selbst gewählt? Warum?

      Der Dichter

      Es wird erzählt, dass der chinesische Dichter Man Fook in seiner Jugend von einem wunderbaren Drang beseelt war, alles zu lernen und sich in allem zu vervollkommnen, was zur Dichtkunst irgend gehört. Er war damals, da er noch in seiner Heimat am Gelben Flusse lebte, auf seinen Wunsch und mit Hilfe seiner Eltern, die ihn zärtlich liebten, mit einem Fräulein aus gutem Hause verlobt worden, und die Hochzeit sollte nun bald auf einen glückverheißenden Tag[19] festgesetzt werden. Han Fook war damals etwa zwanzig Jahre alt und ein hübscher Jüngling, bescheiden und von angenehmen Umgangsformen, in den Wissenschaften unterrichtet und trotz seiner Jugend schon durch manche vorzügliche Gedichte unter den Literaten seiner Heimat bekannt. Ohne gerade reich zu sein, hatte er doch ein auskömmliches Vermögen zu erwarten, das durch die Mitgift seiner Braut noch erhöht wurde, und da diese Braut außerdem sehr schön und tugendhaft war, schien an dem Glücke des Jünglings nichts mehr zu fehlen. Dennoch war er nicht ganz zufrieden, denn sein Herz war von dem Ehrgeiz erfüllt, ein vollkommener Dichter zu werden.

      Da geschah es an einem Abend, da ein Lampenfest auf dem Flusse begangen wurde, dass Han Fook allein am jenseitigen Ufer des Flusses wandelte. Er lehnte sich an den Stamm eines Baumes, der sich über das Wasser neigte, und sah im Spiegel des Flusses tausend Lichter schwimmen und zittern, er sah auf den Booten und Flößen Männer und Frauen und junge Mädchen einander begrüßen und in festlichen Gewändern wie schöne Blumen glänzen, er hörte das schwache Gemurmel der beleuchteten Wasser, den Gesang der Sängerinnen, das Schwirren der Zither und die süßen Töne der Flötenbläser, und über dem allen sah er die bläuliche Nacht wie das Gewölbe eines Tempels schweben. Dem Jünglinge schlug das Herz, da er als einsamer Zuschauer, seiner Laune folgend, alle diese Schönheit betrachtete. Aber so sehr ihn verlangte, hinüberzugehen und dabeizusein und in der Nähe seiner Braut und seiner Freunde das Fest zu genießen, so begehrte er dennoch weit sehnlicher, dies alles als ein feiner Zuschauer aufzunehmen und in einem ganz vollkommenen Gedichte widerzuspiegeln: die Bläue der Nacht und das Lichterspiel des Wassers sowohl wie die Lust der Festgäste und die Sehnsucht des stillen Zuschauers; der am Stamm des Baumes über dem Ufer lehnt. Er empfand, dass ihm bei allen Festen und aller Lust dieser Erde doch niemals ganz und gar wohl und heiter ums Herz sein könnte, dass er auch inmitten des Lebens ein Einsamer und gewissermaßen ein Zuschauer und Fremdling bleiben würde, und er empfand, dass seine Seele unter vielen anderen allein so beschaffen sei, dass er zugleich die Schönheit der Erde und das heimliche Verlangen des Fremdlings fühlen musste. Darüber wurde er traurig und sann dieser Sache nach, und das Ziel seiner Gedanken war dieses, dass ihm ein wahres Glück und eine tiefe Sättigung nur dann zuteil werden könnte, wenn es ihm einmal gelänge, die Welt so vollkommen in Gedichten zu spiegeln, dass er in diesen Spiegelbildern die Welt selbst geläutert und verewigt besäße.

      Kaum wusste Han Fook, ob er noch wache oder eingeschlummert sei, als er ein leises Geräusch vernahm und neben dem Baumstamm einen Unbekannten stehen sah, einen alten Mann in einem violetten Gewände und mit ehrwürdigen Mienen. Er richtete sich auf und begrüßte ihn mit dem Gruß, der den Greisen und Vornehmen zukommt, СКАЧАТЬ



<p>18</p>

kreisten frohmütig in kunstvollen Verschlingungen umeinander und in Paaren durch die Luft – и радостно кружились парами по воздуху, сплетаясь друг с другом

<p>19</p>

glückverheißender Tag– день,почитающийся счастливым