Liebe deinen Nächsten / Возлюби ближнего своего. Книга для чтения на немецком языке. Эрих Мария Ремарк
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Читать онлайн книгу Liebe deinen Nächsten / Возлюби ближнего своего. Книга для чтения на немецком языке - Эрих Мария Ремарк страница 16

СКАЧАТЬ Kern sah auf das Schild an der Tür. „Frau Melanie Ekowski, nicht wahr? Aber Sie möchte ich nicht sprechen.“

      „Na, also.“

      „Ich möchte einen Mann sprechen, der hier wohnt.“

      „Hier wohnt kein Mann.“

      Kern blickte das runde, schwarze Auge an. Vielleicht stimmte es, und sein Vater war längst ausgezogen. Er fühlte sich plötzlich leer und enttäuscht.

      „Wie soll er denn heißen?“ fragte die Frau hinter der Tür.

      Kern hob voll neuer Hoffnung den Kopf. „Das möchte ich nicht durchs ganze Haus schreien. Wenn Sie die Tür öffnen, werde ich es Ihnen sagen.“

      Das Auge verschwand vom Guckloch. Eine Kette rasselte. Das ist ja eine Festung, dachte Kern. Er war ziemlich sicher, dass sein Vater doch noch hier wohnte; die Frau hätte sonst nicht weiter gefragt. Die Tür öffnete sich. Eine kräftige Tschechin mit roten Backen und breitem Gesicht betrachtete Kern von oben bis unten.

      „Ich möchte Herrn Kern sprechen.“

      „Kern? Kenne ich nicht. Wohnt nicht hier.“

      „Herrn Siegmund Kern. Ich heiße Ludwig Kern.“ „So?“ Die Frau musterte ihn misstrauisch. „Das kann jeder sagen.“

      Kern zog seine Aufenthaltserlaubnis aus der Tasche. „Hier – sehen Sie sich dieses Papier bitte an. Der Vorname ist aus Versehen falsch geschrieben; aber Sie sehen das andere.“

      Die Frau las den gesamten Zettel durch. Es dauerte lange. Dann gab sie ihn zurück. „Verwandter?“

      „Ja.“ Etwas hielt Kern ab, mehr zu sagen. Er war jetzt fest überzeugt, dass sein Vater hier war.

      Die Frau hatte sich entschieden. „Wohnt nicht hier“, erklärte sie kurz.

      „Gut“, erwiderte Kern. „Dann will ich Ihnen sagen, wo ich wohne. Im Hotel Bristol. Ich bleibe nur ein paar Tage hier. Ich hätte vor meiner Abreise gern mit Herrn Siegmund Kern gesprochen. Ich habe ihm etwas zu übergeben“, fügte er mit einem Blick auf die Frau hinzu.

      „So?“

      „Ja. Hotel Bristol. Ludwig Kern. Guten Abend.“

      Er stieg die Treppen hinunter. Du lieber Himmel, dachte er, das ist ja ein Zerberus, der ihn da bewacht! Immerhin – bewachen ist besser als verraten.

      Er ging zu der Drogerie zurück. Der Besitzer stürzte auf ihn zu. „Haben Sie Ihren Vater gefunden?“ Er hatte die ganze Neugier eines Menschen im Gesicht, dem jede Sensation in seinem Leben fehlt.

      „Noch nicht“, sagte Kern, plötzlich widerwillig. „Aber er wohnt dort. Er war nicht zu Hause.“

      „So was! Das ist doch wirklich ein Zufall, nicht wahr?“

      Der Mann legte die Arme auf den Tisch und schickte sich an, breit über sonderbare Zufälle im Leben zu reden.

      „Für uns nicht“, sagte Kern. „Für uns ist es eher ein Zufall, wenn etwas mal normal geht. Was ist mit dem Toilettewasser? Ich kann nur sechs Flaschen nehmen, zunächst. Ich habe nicht mehr Geld. Wieviel Prozent geben Sie mir?“

      Der Besitzer überlegte einen Augenblick. „Fünfunddreißig“, erklärte er dann großzügig. „So was kommt ja nicht alle Tage vor.“

      „Gut.“

      Kern zahlte. Der Drogist packte die Flaschen ein. Die Frau, die Bertha hieß, war inzwischen aus dem Hintergrund herangekommen, um den jungen Mann anzusehen, der seinen Vater wiedergefunden hatte. Sie kaute aufgeregt an etwas Unsichtbarem.

      „Wissen Sie“, sagte der Besitzer, „was ich noch sagen wollte – das Toilettewasser ist sehr gut. Sehr gut, wirklich.“

      „Danke!“ Kern nahm das Paket. „Ich komme dann hoffentlich bald, den Rest abzuholen.“

* * *

      Er ging zum Hotel. In seinem Zimmer machte er das Paket auf und packte zwei Flaschen mit einigen Stücken Seife und ein paar Flakons billigen Parfüms in eine Aktentasche. Er wollte gleich versuchen, noch etwas davon zu verkaufen.

      Als er auf den Korridor trat, sah er, dass jemand das Zimmer nebenan verließ. Es war ein mittelgroßes Mädchen in einem hellen Kleide, das ein paar Bücher unter dem Arm trug. Kern achtete zunächst nicht darauf. Er war damit beschäftigt, die Preise für sein Toilettewasser auszurechnen. Aber plötzlich fiel ihm ein, dass das Mädchen aus dem Zimmer gekommen war, das er nachts verwechselt hatte, und er blieb stehen. Er hatte das Gefühl, als könne es ihn auch jetzt noch erkennen.

      Das Mädchen ging, ohne sich umzusehen, die Treppe hinunter. Kern wartete noch eine Weile. Dann ging er rasch den Korridor entlang hinterher. Er war plötzlich sehr neugierig geworden, zu wissen, wie sie aussah.

      Er ging die Treppe hinunter und sah sich unten um; aber das Mädchen war nirgendwo zu sehen. Er ging zum Ausgang und blickte die Straße entlang. Sie lag leer im staubigen Licht. Nur ein paar Schäferhunde balgten sich auf dem Fahrdamm. – Kern ging ins Hotel zurück. „Ist nicht eben jemand fortgegangen?“ fragte er den Portier, der gleichzeitig Kellner und Hausbursche war.

      „Nur Sie!“ Der Portier starrte ihn an. Er wartete darauf, dass Kern über seinen Witz in ein fassungsloses Gelächter ausbrechen sollte.

      Kern lachte nicht. „Ein Mädchen meine ich“, sagte er. „Eine junge Dame.“

      „Hier wohnen keine Damen“, erwiderte der Portier mürrisch. Er war beleidigt, weil er seinen Geist verschwendet hatte. „Nur Frauen.“

      „Also ist niemand hinausgegangen?“

      „Sind Sie von der Polizei, dass Sie das so genau wissen müssen?“ Der Portier war jetzt offen feindlich.

      Kern sah ihn erstaunt an. Er verstand nicht, was der Mann hatte. Den Witz hatte er gar nicht bemerkt. Er holte ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche und bot sie dem Portier an.

      „Danke“, erwiderte der frostig. „Ich rauche was Besseres.“

      „Das glaube ich.“

      Kern steckte die Zigaretten wieder ein. Er blieb noch einen Augenblick stehen und überlegte. Das Mädchen musste noch im Hotel sein. Wahrscheinlich war sie dann in der Halle. Er ging zurück.

      Die Halle war ein schmaler, langer Raum, mit einer zementierten Terrasse davor. Sie führte in einen ummauerten Garten, in dem ein paar Fliederbüsche standen.

      Kern blickte durch die Glastür. Er sah das Mädchen an einem Tisch sitzen. Es hatte die Ellenbogen aufgestützt und las. Außer ihm war niemand in der Halle. Kern konnte nicht anders; er öffnete die Tür und trat ein.

      Das Mädchen blickte auf, als es die Tür hörte. Kern wurde befangen. „Guten Abend“, sagte er zögernd.

      Das Mädchen sah ihn an. Dann nickte es und las weiter.

      Kern setzte sich in eine Ecke des Zimmers. Nach einer Weile stand er auf und holte sich ein paar Zeitungen. Er kam sich plötzlich ziemlich lächerlich vor und wäre gern schon wieder draußen gewesen. Aber es erschien ihm fast unmöglich, jetzt sofort wieder aufzustehen und hinauszugehen.

      Er faltete die Zeitungen СКАЧАТЬ