Briefe an Ludwig Tieck 3. Various
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Название: Briefe an Ludwig Tieck 3

Автор: Various

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ und auf ein erhabnes Original zurückweist, und einen männlich vierschrötigen Apollo mit einem ganz äginetischen Gesicht, in welchem ich den Milesischen Apoll des Canachus zu erkennen glaube u. s. w.

      Bei dieser Spazierfahrt begleiteten mich einige junge Freunde, zwei Griechen und ein Amerikaner. Wie interessant ist der Gegensatz dieser beiden Nationen. Die Griechen achte ich aufs höchste, und wenn es auch nur um der ehrfurchtsvollen Demuth wäre, mit der sie dem Born deutscher Wissenschaft sich nähern. Es ist wahr, sie haben wenig Talent für mechanische Spracherlernung, am allerwenigsten für den gewöhnlichen Schick, so daß sie sich in vielen Fällen sehr ungeschickt ausnehmen. Aber sie haben einen tiefen Sinn, der sich Alles recht nah zu bringen und innerlich anzueignen sucht; sie begnügen sich nie mit der bloßen Notiz; sie haben eine bewundernswürdige Ausdauer. Ich habe nie einen von ihnen im Collegium gähnen gesehen, was ich von den Amerikanern täglich sehn muß: dagegen hören sie auch dem Halbverständlichen mit gespannter Aufmerksamkeit hin, die mir oft wirklich rührend ist. Ja man bemerkt selbst für das bei ihnen Empfänglichkeit, was andre Ausländer so schwer begreifen wollen, romantische Poesie, Naturphilosophie, Construktion der Geschichte. So ist besonders ein Greiß aus Macedonien hier, den ich für einen der ausgezeichnetsten Studenten der Universität achte.

      Dagegen die Amerikaner mit ihrem praktisch-mechanischen Talent nur immer berechnen, wie viel sie wohl von hier mitnehmen können, und daher immer nach allgemeinen Notizen streben. Ich kann nur nach denen urtheilen, die eben hier sind: aber es giebt keine oberflächlichere Art des Studiums, als diese treiben. Dabei wollen sie von den Lehrern immer prompt und solid bedient sein, und besonders muß man es kurz machen. Aber am ärgerlichsten sind sie mir, wenn sie ihre trockne Verstandesansicht noch durch verdrüßlichen Puritanismus zu adeln suchen, und sich überall bei Altem und Neuem gegen sogenannte Unmoralität und Unanständigkeit kehren, und sich selbst mit einer Arroganz, die mich vollends erboßt, für das freiste, frömmste, rechtschaffenste und moralisch’ste Volk auf Gottes Erdboden ausgeben.

      In den Vorlesungen ist man recht übel daran mit dem Gemisch von Nationen, denen man kaum verständlich werden, geschweige für Aller Bedürfnisse sorgen kann. So hören in einem Collegium Heerens Leute aus allen Nationen zwischen Havannah und Kleinasien incl. In meiner Kunstgeschichte habe ich schon ganz darauf resignirt, für die Zuhörer zu lesen. Ich betrachte die Vorlesung als einen Versuch, die Masse des Stoffs zu begränzen und wie es gehn will, zu unterwerfen. Doch lese ich sie in heitrer Stimmung und oft mit Freudigkeit, wozu das Lokal der Bibliothek und die neidlose Menge von Hilfsmitteln beiträgt. Wenn wir nun bald Gipsabgüsse von den sogenannten Elginschen Erwerbungen hätten. Was ich in Dresden in der Antiken-Gallerie sowohl als im Mengsischen Museum gesehn habe, wird mir immer merkwürdiger, und ich sinne oft in Gedanken darüber. So sehne ich mich sehr den Menelaos und Patroklos wiederzusehn, eine Gruppe, die doch besonders gegen Winckelmanns schnödes Urtheil ans Licht gesetzt zu werden verdiente.

      Aber noch viel mehr freue ich mich darauf, Sie und die verehrten Ihrigen, wenn auch nur auf kurze Zeit wiederzusehn, und mich in der Gewogenheit glücklich zu fühlen, die ich mir einbilde einigermaßen zu besitzen.

      Der gute Lipsius könnte jetzt selbst in dem Columbarium beigesetzt werden, dessen Ursprung aus dem vertraulichen Familiengespräch der Livia er so gemüthlich zu erzählen wußte.

Ganz und garder IhrigeK. O. Müller.

      III

Göttingen, 12. April 21.

      Als ich im vorigen Herbste von Ihnen, verehrter Freund, und dem lieben Dresden schied, dachte ich noch über Weimar und Gotha zu gehn, und war noch voll von Reiseplänen, von denen ich hernach nichts ausgeführt habe. Denn am Ende war ich über dem Abschiede so weichmüthig geworden, und die ganze Reise kam mir nun auf einmal so nichtig und zwecklos vor, da ich Dresden so eilig verlassen hatte, daß ich von Leipzig aus gradem Wege in möglichster Schnelle nach Göttingen zurückfuhr, und mir doch noch jede Poststation eine Ewigkeit dünkte. Jetzt kam mir meine lange Unthätigkeit und der Schlendrian des Lebens, dem man sich auf Reisen ergiebt, ordentlich wie ein Verbrechen vor, und ich stürzte mich mit doppeltem Eifer wieder in meine Studien. Nun ist wieder ein halbes Jahr vorbei, und ich schaue hinaus, und denke sehr lebhaft an Sie. Mehrere Freunde ziehen von hier fort, unter andern der Sanskritkenner Fr. Bopp, mit dem ich diesen Winter und besonders in der letzten Zeit viel zusammen gewesen bin. Wir hatten einen kleinen Cirkel, in welchem mancher Abend darauf verwandt wurde, Ihren Phantasus zu lesen; oft konnten wir bis tief in die Nacht hinein nicht aufhören, besonders über dem köstlichen Fortunat. Ich mußte dem Vorleser machen, wozu ich wenig taugte, wenn mich nicht manche Erinnerungen von Ihnen bisweilen aufrecht gehalten hätten. Bopp kommt in sechs Wochen etwa nach Dresden und wird sich die Freiheit nehmen Sie zu besuchen. Nur Schade, daß man ihn erst nach einigen Wochen recht kennen und schätzen lernt; zuerst hat er etwas sehr Unscheinbares. In diesen Ostertagen will ich mit meinem Bruder – um nicht als Bodensatz in Göttingen zurück zu bleiben – eine kleine Reise durch den Thüringerwald machen, leider wieder mit der Eile, die mich mein ganzes Leben hindurch vor sich hertreibt. Die Ferien greifen diesmal ziemlich mit in das Frühjahr hinein, und ich möchte das erste frische Grünen und Blühen des Waldes in diesen Bergen genießen, die ich mir sehr anmuthig verschlungen und verzweigt denke. – In diesen Tagen sind alle Griechen von hier abgegangen, um dem Kriegschauplatz näher zu sein. Meine Betrübniß darüber wird durch die Hoffnung überwunden, daß das oft versuchte Befreiungswerk nun endlich von Statten gehn wird, so sehr auch die Klugen, die stets wenig auf höhere Motive rechnen, zweifeln und fürchten mögen. Mir scheint es, als entscheide diese letzte und äußerste Kraftanstrengung über die Zukunft Europa’s, da das Leben, im Fall es glückt, eine ganz andere Richtung bekommen und sich wieder nahe an die Vorzeit und Ostwelt anlehnen wird, während es sich jetzt einseitig in eine selbstgemachte Cultur verliert. Den Göttingern scheint es ein wichtiges Ereigniß, daß der König gegen Ende Augusts nach Göttingen kommen wird, ich glaube der Prorektor sinnt jetzt schon auf passende Empfangsfeierlichkeiten, die doch am Ende lächerlich ausfallen. Da ich einmal darauf verfallen bin, Ihnen von allerlei verschiedenartigen Dingen, die gerade im Götting’schen Gesichtskreis liegen, Relation zu machen: so muß ich auch etwas von meinen litterarischen Plänen referiren. Ich habe zum Gegenstand des zweiten Bandes die Dorier gewählt, freilich ein weit größeres Thema als die Minyer; auch weiß ich noch nicht, wie ich es bezwingen werde. Religion, Staat, Kunst und gemeines Leben sind bei diesem Volksstamm so eigenthümlich, daß man wohl sagen kann: es habe nie eine schärfer ausgeprägte Form menschlichen Seins und Thuns gegeben. Die Entwickelung des Dorischen Charakters aus den tiefsten Gründen, zu welchen Fr. Schlegel und Schleiermacher manche Andeutung gegeben haben, überlasse ich freilich Andern; ich will mich mehr in den mittlern historischen Gegenden halten, wo man sich begnügt, die Nationalität als gottgegebne Bestimmung unerklärt stehen zu lassen. Ueber sehr Vieles möchte ich gern Ihre Stimme vernehmen, und vielleicht giebt sich Gelegenheit dazu. Ist Ihr Werk über Shakespeare schon dem Drucke nah? Ich komme noch manchmal auf das Griechische Theater zurück, und es interessirte mich neulich, bei Thiersch Einleitung zu Pindar S. 112 zu lesen, daß Fr. Gärtner, dessen Werk wir noch nicht haben, vor dem Heratempel zu Agrigent sich steinerne Sitze amphitheatralisch erheben sah. So war auch in Athen der Tempelhof des Lenäons das älteste Theater. Der große Brandopferaltar vor dem Tempel, zu dem man gewöhnlich auf vielen Stufen hinaufstieg, war dann die älteste Thymele; rings umher tanzt der kyklische oder dithyrambische Chor, und die Stufen des Tempels bildeten wohl die älteste Scene, daher noch später die Säulenverzierungen an der Scenenwand. Etwa so, wenn es erlaubt ist —

      Für das tragische Costüm würde man viel aus den Mosaiken des Pio-Clementinum lernen, die Millin (Description d’une Mosaique antique Paris 1819) herausgegeben, wenn sie nicht gar zu grob und ungeschlacht wären. Wenigstens sieht man daraus, daß die Alten so gut wie keine Variation des Costüms kannten und am weitsten von der historischen Pedanterei unsrer Zeit entfernt waren; und die Kothurne erscheinen dort wirklich als eine Art von Stelzen.

      Doch ich muß den Brief schließen, weil ich sonst ganz ins Citiren u. dgl. hineinkomme. Ich rechne überall auf Ihre gütige Nachsicht. Mein Bruder empfiehlt sich Ihnen; СКАЧАТЬ