Die Wahlverwandtschaften. Johann Wolfgang von Goethe
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Wahlverwandtschaften - Johann Wolfgang von Goethe страница 9

Название: Die Wahlverwandtschaften

Автор: Johann Wolfgang von Goethe

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

Серия:

isbn:

isbn:

СКАЧАТЬ belehren, und natürlicherweise mußte man auf die Grundbegriffe der Physik und Chemie zurückgehen.

      Zufälligen, aber immer willkommenen Anlaß zu solchen Unterhaltungen gab Eduards Neigung, der Gesellschaft vorzulesen.

      Er hatte eine sehr wohlklingende, tiefe Stimme und war früher wegen lebhafter, gefühlter Rezitation dichterischer und rednerischer Arbeiten angenehm und berühmt gewesen.

      Nun waren es andre Gegenstände, die ihn beschäftigten, andre Schriften, woraus er vorlas, und eben seit einiger Zeit vorzüglich Werke physischen, chemischen und technischen Inhalts.

      Eine seiner besondern Eigenheiten, die er jedoch vielleicht mit mehrern Menschen teilt, war die, daß es ihm unerträglich fiel, wenn jemand ihm beim Lesen in das Buch sah.

      In früherer Zeit, beim Vorlesen von Gedichten, Schauspielen, Erzählungen, war es die natürliche Folge der lebhaften Absicht, die der Vorlesende so gut als der Dichter, der Schauspieler, der Erzählende hat, zu überraschen, Pausen zu machen, Erwartungen zu erregen; da es denn freilich dieser beabsichtigten Wirkung sehr zuwider ist, wenn ihm ein Dritter wissentlich mit den Augen vorspringt.

      Er pflegte sich auch deswegen in solchem Falle immer so zu setzen, daß er niemand im Rücken hatte.

      Jetzt zu dreien war diese Vorsicht unnötig; und da es diesmal nicht auf Erregung des Gefühls, auf überraschung der Einbildungskraft angesehen war, so dachte er selbst nicht daran, sich sonderlich in acht zu nehmen.

      Nur eines Abends fiel es ihm auf, als er sich nachlässig gesetzt hatte, daß Charlotte ihm in das Buch sah.

      Seine alte Ungeduld erwachte, und er verwies es ihr, gewissermaßen unfreundlich: "wollte man sich doch solche Unarten, wie so manches andre, was der Gesellschaft lästig ist, ein für allemal abgewöhnen!

      Wenn ich jemand vorlese, ist es denn nicht, als wenn ich ihm mündlich etwas vortrüge?

      Das Geschriebene, das Gedruckte tritt an die Stelle meines eigenen Sinnes, meines eigenen Herzens; und würde ich mich wohl zu reden bemühen, wenn ein Fensterchen vor meiner Stirn, vor meiner Brust angebracht wäre, so daß der, dem ich meine Gedanken einzeln zuzählen, meine Empfindungen einzeln zureichen will, immer schon lange vorher wissen könnte, wo es mit mir hinaus wollte?

      Wenn mir jemand ins Buch sieht, so ist mir immer, als wenn ich in zwei Stücke gerissen würde".

      Charlotte, deren Gewandtheit sich in größeren und kleineren Zirkeln besonders dadurch bewies, daß sie jede unangenehme, jede heftige, ja selbst nur lebhafte äußerung zu beseitigen, ein sich verlängerndes Gespräch zu unterbrechen, ein stockendes anzuregen wußte, war auch diesmal von ihrer guten Gabe nicht verlassen: " du wirst mir meinen Fehler gewiß verzeihen, wenn ich bekenne, was mir diesen Augenblick begegnet ist.

      Ich hörte von Verwandtschaften lesen, und da dacht ich eben gleich an meine Verwandten, an ein paar Vettern, die mir gerade in diesem Augenblick zu schaffen machen.

      Meine Aufmerksamkeit kehrt zu deiner Vorlesung zurück; ich höre, daß von ganz leblosen Dingen die Rede ist, und blicke dir ins Buch, um mich wieder zurechtzufinden".

      "Es ist eine Gleichnisrede, die dich verführt und verwirrt hat", sagte Eduard.

      "Hier wird freilich nur von Erden und Mineralien gehandelt, aber der Mensch ist ein wahrer Narziß; er bespiegelt sich überall gern selbst, er legt sich als Folie der ganzen Welt unter".

      "Jawohl!" fuhr der Hauptmann fort; "so behandelt er alles, was er außer sich findet; seine Weisheit wie seine Torheit, seinen Willen wie seine Willkür leiht er den Tieren, den Pflanzen, den Elementen und den Göttern".

      "Möchtet ihr mich", versetzte Charlotte, "da ich euch nicht zu weit von dem augenblicklichen Interesse wegführen will, nur kürzlich belehren, wie es eigentlich hier mit den Verwandtschaften gemeint sei?" "Das will ich wohl gerne tun", erwiderte der Hauptmann, gegen den sich Charlotte gewendet hatte, "freilich nur so gut, als ich es vermag, wie ich es etwa vor zehn Jahren gelernt, wie ich es gelesen habe.

      Ob man in der wissenschaftlichen Welt noch so darüber denkt, ob es zu den neuern Lehren paßt, wüßte ich nicht zu sagen".

      "Es ist schlimm genug", rief Eduard, "daß man jetzt nichts mehr für sein ganzes Leben lernen kann.

      Unsre Vorfahren hielten sich an den Unterricht, den sie in ihrer Jugend empfangen; wir aber müssen jetzt alle fünf Jahre umlernen, wenn wir nicht ganz aus der Mode kommen wollen".

      "Wir Frauen", sagte Charlotte, "nehmen es nicht so genau; und wenn ich aufrichtig sein soll, so ist es mir eigentlich nur um den Wortverstand zu tun; denn es macht in der Gesellschaft nichts lächerlicher, als wenn man ein fremdes, ein Kunstwort falsch anwendet.

      Deshalb möchte ich nur wissen, in welchem Sinne dieser Ausdruck eben bei diesen Gegenständen gebraucht wird.

      Wie es wissenschaftlich damit zusammenhänge, wollen wir den Gelehrten überlassen, die übrigens, wie ich habe bemerken können, sich wohl schwerlich jemals vereinigen werden".

      "Wo fangen wir aber nun an, um am schnellsten in die Sache zu kommen?" fragte Eduard nach einer Pause den Hauptmann, der, sich ein wenig bedenkend, bald darauf erwiderte: "wenn es mir erlaubt ist, dem Scheine nach weit auszuholen, so sind wir bald am Platze".

      "Sein Sie meiner ganzen Aufmerksamkeit versichert", sagte Charlotte, indem sie ihre Arbeit beseitelegte.

      Und so begann der Hauptmann: "an allen Naturwesen, die wir gewahr werden, bemerken wir zuerst, daß sie einen Bezug auf sich selbst haben.

      Es klingt freilich wunderlich, wenn man etwas ausspricht, was sich ohnehin versteht; doch nur indem man sich über das Bekannte völlig verständig hat, kann man miteinander zum Unbekannten fortschreiten ".

      "Ich dächte", fiel ihm Eduard ein, "wir machten ihr und uns die Sache durch Beispiele bequem.

      Stelle dir nur das Wasser, das öl, das Quicksilber vor, so wirst du eine Einigkeit, einen Zusammenhang ihrer Teile finden.

      Diese Einung verlassen sie nicht, außer durch Gewalt oder sonstige Bestimmung.

      Ist diese beseitigt, so treten sie gleich wieder zusammen". "Ohne Frage", sagte Charlotte beistimmend.

      "Regentropfen vereinigen sich gern zu Strömen.

      Und schon als Kinder spielen wir erstaunt mit dem Quecksilber, indem wir es in Kügelchen trennen und es wieder zusammenlaufen lassen". "Und so darf ich wohl", fügte der Hauptmann hinzu, "eines bedeutenden Punktes im flüchtigen Vorbeigehen erwähnen, daß nämlich dieser völlig reine, durch Flüssigkeit mögliche Bezug sich entschieden und immer durch die Kugelgestalt auszeichnet.

      Der fallende Wassertropfen ist rund; von den Quecksilberkügelchen haben Sie selbst gesprochen; ja ein fallendes geschmolzenes Blei, wenn es Zeit hat, völlig zu erstarren, kommt unten in Gestalt einer Kugel an".

      "Lassen Sie mich voreilen", sagte Charlotte, "ob ich treffe, wo Sie hinwollen.

      Wie jedes gegen sich selbst einen Bezug hat, so muß es auch gegen andere ein Verhältnis haben".

      "Und das wird nach Verschiedenheit der Wesen verschieden sein", fuhr Eduard eilig fort.

      "Bald werden sie sich als Freunde und alte Bekannte begegnen, die schnell zusammentreten, sich vereinigen, ohne aneinander etwas zu verändern, wie sich Wein mit Wasser vermischt.

      Dagegen СКАЧАТЬ