Soll und Haben, Bd. 1 (2). Gustav Freytag
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Название: Soll und Haben, Bd. 1 (2)

Автор: Gustav Freytag

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Geschäftsmann in seiner Seele, und sehr nachlässig war der Gegengruß, welchen er von der Höhe des Rosses zurückgab.

      Aber noch ein dunkler Schatten aus der letzten Vergangenheit sollte über den Freiherrn fallen. Er las in dem Zimmer seiner Frau die Zeitung, als sein Auge auf einen Steckbrief fiel, durch welchen ein verschwundener Holzhändler wegen betrügerischen Bankerotts verfolgt wurde. Er legte das Blatt weg, ein kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. Und er, der furchtlose Cavalier, nahm das Zeitungsblatt vom Tisch fort und versteckte es tief unter die Bücher seines Arbeitstisches. Wenn der Betrüger derselbe Mann war – Ehrenthal hatte ihm keinen Namen genannt – aber wenn er, der Edelmann, durch sein Geld und seinen Gewinn fremde wohlbegründete Ansprüche verkürzt hatte; wenn er Gehülfe eines Betrugs geworden war, und wenn er für diese Hülfe bezahlt worden war – diese Gedanken waren fürchterlich für sein stolzes Herz. Der Herr ging in der Stube auf und ab und rang die Hände; er eilte zum Schreibtisch, um den Gewinn einzupacken und fortzuschaffen, er wußte selbst nicht wohin, sich von der Seele, weit weg aus seinem Hause. Mit Bestürzung sah er, daß nur noch ein kleiner Theil des Gewinns vorhanden war. Wie gelähmt setzte er sich an den Tisch und legte den Kopf auf seine Hände. Es war etwas in ihm entzwei gegangen, das fühlte er, und er fürchtete, für immer. Heftig sprang er wieder auf, riß an der Klingel und ließ Ehrenthal zu sich fordern.

      Zufälliger Weise war der Händler verreist. Unterdeß sprachen dem Freiherrn die freundlichen Stimmen, welche in der Menschenbrust mit klugen und gewählten Worten alles Bedenkliche in ein gutes Licht zu setzen wissen. Wie war die ganze Angst so thöricht! Es gab viele hundert Leute am Oberlauf des Stromes, die mit Holz handelten, es war ja sehr unwahrscheinlich, daß gerade jener Betrüger der Mann Ehrenthals sein sollte. Und selbst in diesem Fall, wie groß war sein eigenes Unrecht bei dem ganzen Ereigniß? Klein, sehr klein, für einen Geschäftsmann nicht zu erkennen. Ja selbst Ehrenthal, was konnte er dafür, wenn der Verkäufer das Geld zu einem Betrug verwandt hatte? Es war doch Alles ehrlich und gesetzlich gekauft worden. – So sprach es fortwährend begütigend in dem Freiherrn, ach, und welche Mühe gab sich der Herr, all diese Stimmen recht deutlich zu hören.

      Als Ehrenthal endlich ankam und hastig zum Freiherrn eilte, trat ihm dieser mit einem Gesicht entgegen, das den Händler wirklich erschreckte. »Wie heißt der Mann, von dem Sie das Holz gekauft haben?« frug der Freiherr heftig an der Thür.

      Ehrenthal stand betroffen, auch er hatte seine Zeitung gelesen und verstand, was in der Seele des Edelmanns vorging. Er nannte einen beliebigen Namen.

      »Und wie hieß der Ort, wo das Holz lag?« klang die zweite Frage etwas ruhiger. Herr Ehrenthal nannte einen beliebigen Ort.

      »Ist das Wahrheit, was Sie mir sagen?« frug der Freiherr tief aufathmend zum dritten Mal.

      Da Herr Ehrenthal sah, daß er einen Kranken vor sich hatte, so behandelte er ihn mit der Milde, welche dem Arzt so gut ansteht. »Was sich der Herr Baron für Sorge machen!« sagte er kopfschüttelnd. »Ich glaube, der Mann, mit dem ich habe gemacht das Geschäft, hat seinen guten Vortheil dabei gehabt. Es sind große Eichenlieferungen ausgeschrieben, dabei sind für Einen, der dort oben wohnt, hundert Procent zu verdienen. Ich glaube, er wird sie haben verdient. Das Geschäft, welches ich mit ihm gemacht habe, ist gewesen gut und sicher, wie es kein Kaufmann von der Hand weisen wird. Und wenn er auch ein schlechter Mensch wäre, was haben Sie, gnädiger Herr, darum zu sorgen? Ich habe keinen Grund gehabt, Ihnen den Namen des Mannes und des Ortes zu verbergen, ich habe Ihnen doch Beides damals nicht gesagt, weil nicht Sie gemacht haben das Geschäft, sondern ich. Ich bin gewesen Ihr Schuldner, und ich habe Ihnen zurückgezahlt das Geld mit einer Provision. Mit einer guten Provision, das ist wahr. Ich habe seit Jahren Vieles bei Ihnen verdient, warum soll ich nicht zuerst Ihnen den Vortheil gönnen, den ich jedem Andern auch gegeben hätte? Was machen Sie sich Sorgen, Herr Baron, um Dinge, die nicht sind!«

      »Das verstehen Sie nicht, Ehrenthal,« sagte der Gutsherr freundlicher; »es ist mir lieb, daß die Sache so steht. Wäre der Betrüger jener Mann gewesen, mit dem Sie gehandelt haben, so hätte ich unser Verhältniß abgebrochen, ich hätte Ihnen nie verziehen, daß Sie mich wider meinen Willen zum Mitschuldigen eines Betrugs machten.«

      Ehrenthal wurde entlassen, und der Freiherr war von einer schweren Sorge befreit. Er beschloß, sich näher nach jenem beliebigen Namen und dem unbekannten Dorfe zu erkundigen. Er erkundigte sich aber nicht darnach; durch die überstandene Angst war ihm die Erinnerung an das Geldgeschäft sehr peinlich geworden, und er mühte sich, gar nicht mehr daran zu denken.

      Er war ein zartfühlender, guter Herr, und Ehrenthal war derselben Meinung, denn als er die Treppe hinunterging, murmelte er vor sich hin: »Er ist gut, der Baron, er ist gut!«

      VII

      Anton stand unter der gemeinsamen Oberhoheit der Herren Jordan und Pix und entdeckte bald, daß er die Ehre hatte, kleiner Vasall eines großen Staatskörpers zu sein. Was die unerfahrene Außenwelt höchst oberflächlich unter dem Namen Commis zusammenfaßt, das waren für ihn, den Eingeweihten, sehr verschiedene, zum Theil Ehrfurcht gebietende Aemter und Würden. Der Buchhalter, Herr Liebold, thronte als geheimer Minister des Hauses an einem Fenster des zweiten Comtoirs in einsamer Majestät und geheimnißvoller Thätigkeit. Unaufhörlich schrieb er Zahlen in ein ungeheures Buch, und sah nur selten von seinen Ziffern auf, wenn sich ein Sperling auf die Gitterstäbe des Fensters setzte, oder wenn ein Sonnenstrahl die eine Fensterecke mit gelbem Glanze überzog. Herr Liebold wußte, daß der Sonnenstrahl nach den alterthümlichen Gesetzen des Universums in keiner Jahreszeit weiter dringen durfte, als bis zur Spitze des Fensterbrets, aber er konnte sich doch nicht enthalten, ihm plötzliche Ueberfälle auf das Hauptbuch zuzutrauen, und beobachtete ihn deßhalb mit argwöhnischen Blicken.

      Mit der Ruhe seiner Ecke contrastirte die ewige Rührigkeit in der entgegengesetzten. Dort waltete in besonderem Verschlage der zweite Würdenträger, der Cassirer Purzel, umgeben von eisernen Geldkasten, schweren Geldschränken und einem großen Tisch mit einer Steinplatte. Auf diesem Tisch klangen die Thaler, klirrte das goldene Blech der Ducaten, flatterte geräuschlos das graue Papiergeld vom Morgen bis zum Abend. Wer die Pünktlichkeit als allegorische Figur in Oel malen wollte, der mußte ohne Widerrede Herrn Purzel abmalen und durfte höchstens das antike Costüm dadurch andeuten, daß er mit künstlerischer Licenz Herrn Purzel die Strümpfe über die Stiefeln und das weiße Oberhemd über den Comtoirrock herüber malte. Alles hatte in der Seele des Herrn Purzel eine eisenfeste unveränderliche Stellung, unser Herrgott, die Firma, der große Geldkasten, der Wachsstock, das Petschaft. Jeden Morgen, wenn der Cassirer in seinen Verschlag getreten war, begann er seine Amtsthätigkeit damit, daß er die Kreide ergriff und einen weißen Punkt auf den Tisch malte, um der Kreide selbst die Stelle zu bezeichnen, wo sie sich den Tag über aufzuhalten hatte. Er stand nicht allein in seiner wichtigen Amtsthätigkeit. Ein alter Hausdiener war seine Ordonnanz, die als Ausläufer mit Geldsäcken und Papiergeld den Tag über nach allen Richtungen der Stadt trabte. Es ist wahr, daß die Ordonnanz an der Eigenthümlichkeit litt, gegen Abend sehr feurig auszusehen und in einer persönlichen Abhängigkeit von starkem Getränk zu stehen. Aber diese Eigenschaft vermochte nicht ihre Treue und Besonnenheit zu erschüttern, ja sie schärfte die Erfindungskraft der Ordonnanz, denn nie hat eines Menschen Gewand so viele geheime Taschen mit Knöpfen und Schnallen gehabt, als der Rock des Ausläufers, und nach jedem Glase, das er getrunken, steckte er die Banknoten in einen noch geheimeren Verschluß.

      In dem vordern Comtoir war Herr Jordan die erste Person, der Generalstatthalter seiner kaiserlichen Firma. Er war der Aristo der Correspondenten, erster Commis des Hauses, hatte die Procura und wurde von dem Prinzipal zuweilen um seine Ansicht befragt. Er blieb für Anton, was er ihm schon am ersten Tage gewesen war, ein treuer Rathgeber, ein Muster von Thätigkeit, der gesunde Menschenverstand in Person.

      Von den Correspondenten des Comtoirs, welche unter Anführung des Herrn Jordan Briefe schrieben und Bücher führten, war für Anton neben Herrn Specht, dem Sanguiniker, am interessantesten Herr Baumann, der künftige Apostel der Heiden. Der Missionär СКАЧАТЬ