Anna Karenina, 1. Band. Лев Николаевич Толстой
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СКАЧАТЬ selbst von sich sagte, und ganz besonders einen so einfachen, durch nichts sich auszeichnenden Menschen unmöglich lieben.

      Außerdem erschienen ihm seine früheren Beziehungen zu Kity – Beziehungen eines Erwachsenen zu einem Kinde infolge seiner Freundschaft zu ihrem Bruder – als eine neue Scheidewand vor der Liebe.

      Den unschönen, gutmütigen Mann für den er sich selbst hielt, konnte man wohl seiner Meinung nach als einen Freund lieben, aber um mit einer solchen Liebe geliebt zu werden, mit welcher er Kity liebte, dazu mußte man ein schöner Mensch sein, und – was immer noch die Hauptsache dabei blieb – man mußte ein absonderlicher Mensch sein. —

      Er hatte wohl vernommen, daß die Weiber öfters auch häßliche Menschen lieben, einfache Menschen, aber er glaubte nicht daran, indem er nur nach sich selbst urteilte.

      Er selbst aber konnte nur schöne Weiber lieben, nur solche, die mit einem Reiz des Geheimnisvollen und Besonderen begabt waren.

      Nachdem Lewin so zwei Monate hindurch auf dem Lande gewesen war, überzeugte er sich, daß es sich für ihn nicht um eine jener Verliebtheiten handele, wie er sie in der Zeit seiner Jugend an sich erfahren hatte, sondern daß seine Empfindungen ihm keine Minute mehr Ruhe ließen, daß er nicht leben könne, ohne daß die Frage eine Entscheidung gefunden hätte, ob sie seine Gattin werden würde oder nicht, und daß seine ganze Verzweiflung nur aus der Vorstellung entstand, daß er nicht die geringsten Beweismittel dafür besaß, daß ihm ein Korb erteilt werden würde.

      So fuhr er denn jetzt nach Moskau mit dem festen Vorsatz, einen Antrag zu stellen und zu heiraten, wenn man ihn erhörte.

      Sonst – er vermochte sich nicht zu denken, was mit ihm geschehen würde, sollte er eine Zurückweisung erfahren.

      7

      In Moskau mit dem Morgenzug angekommen, blieb Lewin bei seinem ältesten Bruder Koznyscheff. Nachdem er sich umgekleidet, begab er sich zu diesem ins Kabinett, entschlossen, ihm unverweilt zu berichten, zu welchem Zwecke er angekommen sei und seinen Rat zu erbitten.

      Aber sein Bruder war nicht allein. Bei ihm befand sich ein berühmter Professor der Philosophie, der aus Charkoff eigens deshalb gekommen war, um Zweifel, die beiden über eine sehr wichtige philosophische Frage aufgetaucht waren, aufzuklären.

      Der Professor führte eine sehr scharfe Polemik gegen die Materialisten und Sergey Koznyscheff war mit Interesse dieser Polemik gefolgt. Nachdem er den letzten Artikel des Professors gelesen hatte, teilte er demselben brieflich seine Einwendungen mit und machte ihm Vorwürfe, daß er den Materialisten viel zu große Konzessionen gemacht habe. Der Professor war nun sogleich selbst erschienen, um sich mit dem Briefschreiber auszusprechen.

      Das Thema drehte sich um eine moderne Frage: Giebt es eine Grenze zwischen den psychologischen und physiologischen Offenbarungen in der Thätigkeit des Menschen, und wo liegt sie?

      Sergey Iwanowitsch begrüßte seinen Bruder mit dem ihm eigenen vor jedermann angenommenen kaltfreundlichen Lächeln und fuhr, nachdem er denselben mit dem Professor bekannt gemacht hatte, in seinem Gespräch fort.

      Der kleine Herr in der Brille mit der schmalen Stirn ließ einen Augenblick das Gespräch fallen, um den Angekommenen zu begrüßen und setzte dann das Gespräch fort, ohne Lewin weitere Aufmerksamkeit zu widmen. Lewin saß erfüllt von der Erwartung, daß der Professor sich entfernen möchte, aber bald begann er sich selbst für den Gegenstand der Unterhaltung zu interessieren.

      Lewin hatte in den Journalen die Artikel gefunden, um die es sich hier handelte und sie gelesen, von ihnen angezogen als von einer Entwickelung ihm bekannter Dinge. Er hatte auf der Universität die Fundamente der Naturwissenschaften studiert, sich aber nie mit diesen wissenschaftlichen Ausführungen über die Entstehung des Menschen als eines lebenden Wesens, über die Reflexe, über Biologie und Sociologie näher beschäftigt, mit jenen Fragen über die Bedeutung des Lebens und des Todes für ihn selbst, die ihm in der jüngsten Zeit öfters in den Sinn gekommen waren.

      Beim Anhören der Unterredung des Bruders mit dem Professor bemerkte er, daß sie wissenschaftliche Fragen mit subjektiven verbanden. Mehrmals näherten sie sich jenen Fragen, aber jedes Mal, wenn sie nahe an den Hauptpunkten waren, wie ihm schien, entfernten sie sich sogleich wieder davon und versenkten sich wieder in das Gebiet feinster Unterscheidungen, Verteidigungen, Citate, Fingerzeige und Verweise auf Autoritäten, und nur schwer vermochte er noch zu erkennen, wovon eigentlich die Rede war.

      „Ich kann nicht zugeben,“ sagte Sergey Iwanowitsch mit seiner gewöhnlichen Klarheit und Präzision des Ausdruckes und Eleganz der Diktion, „ich kann keinenfalls mit Keis darin übereinstimmen, daß meine gesamte Vorstellung von der äußeren Welt aus den Eindrücken hervorgehen sollte. Die elementarste Vorstellung vom Sein wird von mir nicht durch die Empfindung erworben, denn es ist gar kein besonderes Organ für die Wiedergabe dieser Vorstellung vorhanden.“

      „Ja wohl, aber Wurst und Knaust und Pripasoff würden dem entgegenhalten, daß Euer Daseinsbewußtsein aus der Vereinigung aller Empfindungen hervorgeht, daß dieses Existenzbewußtsein das Resultat der Gefühle ist. Wurst spricht sogar unverhohlen aus, daß wo nicht Gefühl vorhanden sei, auch das Verständnis für das Sein fehle.“

      „Ich würde dem gegenüber behaupten“ – begann Sergey Iwanowitsch.

      Hier schien es Lewin wiederum, als ob sie, der Hauptfrage nahe gekommen, sich von neuem von ihr entfernten, und so entschloß er sich, dem Professor eine Frage vorzulegen.

      „Es könnte demzufolge, wenn mein Gefühl vernichtet ist, wenn mein Körper stirbt, keine Existenz mehr geben?“ warf er ein.

      Der Professor blickte verdrießlich und gewissermaßen mit einem geistigen Schmerzgefühl über die Unterbrechung auf nach dem seltsamen Frager hinüber, der eher einem Riesen ähnlich sah, als einem Philosophen, und richtete dann das Auge auf Sergey Iwanowitsch als wolle er fragen, was man eigentlich hierauf antworten könne.

      Sergey Iwanowitsch, der bei weitem nicht mit der nämlichen Anstrengung und Einseitigkeit sprach, wie der Professor, und in dessen Kopfe noch Spielraum genug übrig war, dem Professor mit Erwiderungen zu dienen, und zugleich auf diesen einfachen und natürlichen Gesichtspunkt einzugehen, von welchem aus diese Frage gestellt war, lächelte und sagte:

      „Diese Frage zu entscheiden besitzen wir kein Recht.“ —

      „Wir haben keine Unterlagen dafür,“ bestätigte der Professor, und setzte seine Ausführungen fort.

      „Nein,“ sagte er, „ich verweise darauf, daß, wenn, wie Pripasoff offen sagt, die Empfindung zu ihrem Fundamente den Eindruck hat, wir diese beiden Begriffe auch streng voneinander scheiden müssen.“

      Lewin hörte nun nicht weiter zu, sondern wartete nur noch, bis der Professor sich verabschieden würde.

      8

      Als der Professor gegangen war, wandte sich Sergey Iwanowitsch an seinen Bruder.

      „Sehr erfreut, daß du gekommen bist. Wirst du lange hier Aufenthalt nehmen? Wie geht es im Hauswesen?“

      Lewin wußte, daß das Hauswesen seinen älteren Bruder sehr wenig interessiere, und daß derselbe nur, um ihm eine Höflichkeit zu erweisen, darnach gefragt habe. Er antwortete daher nur in Bezug auf den Verkauf seines Weizens und die Gelder.

      Lewin wollte mit dem Bruder über sein Vorhaben, zu heiraten, sprechen und denselben um einen Rat bitten, er war sogar fest entschlossen gewesen hierzu; als er aber des Bruders ansichtig geworden war, seine Unterredung mit dem Professor angehört hatte, СКАЧАТЬ