Название: Anna Karenina, 1. Band
Автор: Лев Николаевич Толстой
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Gegen Morgen schlummerte Anna, in ihrem Sessel sitzend, ein, und als sie wieder erwachte, da war alles weiß und hell, und der Zug fuhr schon auf Petersburg. Sofort befand sich ihr Ideengang daheim, bei ihrem Gatten, ihrem Sohne, und die Sorgen um den nächsten Tag und die folgenden traten jetzt an sie heran.
Der Zug hatte in Petersburg kaum Halt gemacht, und sie war kaum ausgestiegen, da war das erste Gesicht, das ihre Aufmerksamkeit auf sich zog, das ihres Gatten.
„O, mein Gott! Woher hat er denn nur diese Ohren?“ dachte sie auf seine kalte, imposante Erscheinung blickend, auf seine großen Ohrmuscheln, die sie jetzt betroffen machten, mit den sich auf dieselben stützenden Hutkrempen.
Als er sie erblickt hatte, eilte er ihr entgegen, die Lippen zu dem ihm eigenen spöttischen Lächeln verziehend und sie mit seinen großen matten Augen starr anblickend.
Ein Gefühl des Unbehagens legte sich ihr schwer auf die Brust, als sie diesem unbeweglichen, müden Blick begegnete, und es war ihr zu Mute, als hätte sie erwartet, ihn als eine andere Erscheinung wiedersehen zu müssen.
Ganz besonders beunruhigte sie die Empfindung der Unzufriedenheit mit sich selbst, die sie bei der Begegnung mit ihm fühlte. Ihre Empfindung war eine an Heimisches, an Bekanntschaftliches gemahnende, ähnlich dem Zustand der Verstellung, welche sie aus ihren Beziehungen zu dem Gatten schon kannte. Früher hatte sie indessen dieses Gefühl nicht weiter wahrgenommen, erst jetzt ward sie sich desselben klar und schmerzlich bewußt.
„Ach, wie siehst du aus, mein süßes Weib, mein zartes Weib; wie im zweiten Jahre nach der Hochzeit verzehrte ich mich vor Sehnsucht, dich wiederzusehen,“ sagte er mit seiner langsamen, dünnen Stimme und jenem Tone, den er ihr gegenüber fast stets anwandte, dem Ton des Spottes über eine Persönlichkeit die etwa in der gleichen Lage so sprechen würde, wie er.
„Ist unser Sergey gesund?“
„Ist das der ganze Lohn für meine Liebesglut?“ antwortete er; „er ist gesund, gesund.“
31
Wronskiy hatte gar nicht versucht, während der Nacht zu schlafen. Er saß in seinem Armsessel, bald die Augen starr geradeaus gerichtet, bald die Eintretenden und Gehenden musternd, und wenn er ohnehin schon ihm unbekannte Leute mit dem ihm eignen Ausdruck unerschütterlicher Seelenruhe frappiert hatte, so erschien er jetzt noch bei weitem stolzer und selbstbewußter. Er blickte auf die Menschen wie auf Dinge.
Ein junger Herr, der sehr nervenschwach war, – er diente in einem Kreisgericht – saß ihm gegenüber und begann einen Groll auf ihn zu fassen wegen dieses Ausdrucks.
Der junge Herr rauchte mit ihm und unterhielt sich mit ihm; er stieß ihn sogar an, um ihn fühlen zu lassen, daß er selbst kein Ding, sondern ein Mensch sei, aber Wronskiy blickte ihn an, als schaue er eine Straßenlaterne an und der junge Herr schnitt nun Grimassen in der Empfindung, er würde die Selbstbeherrschung verlieren unter dem Drucke dieser Verachtung seitens eines Menschen.
Wronskiy sah und hörte nichts. Er fühlte sich als Zar, nicht deshalb, weil er etwa geglaubt hätte, einen Eindruck auf Anna hervorgebracht zu haben, – er glaubte noch gar nicht hieran – sondern deshalb, weil der Eindruck, den sie auf ihn hervorgebracht hatte, ihm ein Gefühl des Glückes und Stolzes verlieh.
Was aus alledem hervorgehen würde, das wußte er noch nicht und daran dachte er auch noch gar nicht. Er empfand, daß alle die Kräfte, welche er bisher vergeudete und verschwendete, sich jetzt in Einem konzentrierten und mit furchtbarer Energie einem glückverheißenden Ziele zustrebten.
Hierüber aber war er glücklich; er wußte nur das Eine, daß er ihr die Wahrheit gesagt hatte, er sei nur deshalb hier mitgefahren, weil sie hier sei, daß er alles Lebensglück, seinen einzigen Lebensgedanken jetzt nur noch darin finde, sie zu sehen, sie zu hören.
Als er in Bologowo ausstieg, um Selterswasser zu trinken und Anna erblickte, so sagte ihr das erste Wort aus seinem Munde das was er dachte. Und er freute sich darüber, daß er ihr dies gesagt hatte, daß sie es nun wisse und darüber nachdenken werde.
Er schlief die ganze Nacht hindurch nicht. Als er in den Waggon zurückgekommen war, ließ er ohne Aufhören wiederum alle Stellungen, in denen er sie gesehen hatte, an sich vorüberziehen und alle ihre Worte, und in seiner Einbildungskraft erschienen Gemälde einer möglichen Zukunft die ihm das Herz stocken ließen.
Nachdem er in Petersburg den Waggon verlassen hatte, fühlte er sich nach der schlaflosen Nacht erfrischt, wie neugeboren, gleich als käme er aus einem Kaltwasserbad.
Er blieb neben seinem Waggon stehen, um ihr Aussteigen abzuwarten.
„Noch einmal muß ich sie sehen,“ sprach er zu sich mit unwillkürlichem Lächeln, „noch einmal ihre Bewegungen sehen, ihr Gesicht anschauen; sie wird sprechen, den Kopf wenden, mich erblicken und vielleicht lächeln.“
Aber noch bevor er sie selbst erblickt hatte, gewahrte er ihren Gatten, welchen der Stationschef ehrfurchtsvoll durch das Gedränge begleitete.
„Ah, das ist ja der Gatte!“
Zum erstenmal erkannte jetzt Wronskiy klar, daß ein Mann, ein Gatte, ein mit ihr verbundenes Wesen existierte, er wußte jetzt, daß sie einen Gatten besaß, aber er vermochte nicht an sein Dasein zu glauben und überzeugte sich hiervon nicht früher, als bis er ihn gesehen hatte, mit seinem Kopf, den Schultern und den Beinen in schwarzen Pantalons; und nicht eher besonders, als bis er gewahrt hatte, wie dieser Mann im Gefühl seiner besonderen Eigenschaft, ruhig ihre Hand ergriffen hatte.
Als er diesen Aleksey Aleksandrowitsch mit seinem frischen petersburgischen Gesicht, der stolzen selbstbewußten Haltung, im runden Hute, dem etwas hohen Rücken gemustert hatte, glaubte er an ihn, empfand aber ein Gefühl des Unangenehmen, ähnlich dem, wie es ein Mensch empfinden würde, der von Durst gepeinigt an eine Quelle gelangt, und hier findet, daß an derselben ein Hund, ein Schöps oder Schwein gesoffen und das Wasser getrübt hat.
Der Gang Aleksey Aleksandrowitschs, welcher ein Wanken des ganzen Körpers auf den kurzen Füßen zeigte, berührte Wronskiy ganz besonders unangenehm.
Er empfand fast eine Art von unzweifelhafter Berechtigung dazu, sie allein zu lieben. Aber Anna blieb sich stetig gleich, und ihre Erscheinung wirkte noch immer so physisch belebend, erregend und sein Gemüt beglückend, auf ihn.
Er befahl jetzt einem deutschen Dienstmann zweiter Klasse, der zu ihm herantrat, sein Gepäck aufzunehmen und fortzubringen und begab sich zu ihr hin.
Er beobachtete das erste Begegnen des Gatten mit der Gattin und bemerkte mit dem durchdringenden Scharfblick des Liebenden die Kennzeichen einer gewissen leichten Gespanntheit, mit welcher sie mit dem Gatten sprach.
„Nein; sie liebt diesen Mann nicht, und sie kann ihn ja auch nicht lieben,“ entschied er vor sich selbst.
Während er sich im Rücken Anna Kareninas näherte, bemerkte er mit Vergnügen, daß sie gleichwohl seiner Annäherung inne geworden war und sich umgeblickt hatte. Als sie seiner ansichtig geworden war, hatte sie sich wieder ihrem Manne gewidmet.
„Habt Ihr die Nacht gut verbracht?“ frug Wronskiy, vor ihr eine Verbeugung machend, die auch gleichzeitig dem Gatten Annas galt und auszudrücken schien, daß Aleksey Aleksandrowitsch diese Verbeugung aufnehmen könne, wie er wolle, gleichviel ob er ihn kenne oder nicht.
„Ich СКАЧАТЬ