Название: Die Ahnen
Автор: Gustav Freytag
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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»Du selbst, Herr und Abt von Wigbert, vergleichst dich mit dem Habicht, der sich in dem Klostergut niedergelassen hat,« versetzte Tutilo schnell aufstehend, »ich aber und mancher von den Brüdern meinte, daß in der Notzeit des Klosters den Brüdern gezieme, ihren Groll zu vergessen und einträchtig auf Nützliches zu denken, was die Gefahr abwenden kann.«
»Du sprichst gut,« versetzte der Abt ungnädig, »sorge dafür, daß deine Taten der Rede nicht widersprechen. Kommst du auch ungeladen, sitze dennoch nieder, ob du dem Kloster deine Treue erweisen kannst.« Er winkte dem Mönch Eggo, dieser verschwand und trug drei große silberne Becher und eine Weinkanne herzu, die er auf den Tisch stellte, er selbst aber trat hinter den Lehnstuhl des Abtes. Dieser setzte sich gewichtig, winkte den Gästen, zu beiden Seiten Platz zu nehmen, und sagte, auf die Becher weisend: »Es sei erlaubt. Ich freue mich deiner Ankunft, Reinhard. Deine Klugheit ist rühmlich bekannt, du hast dich den Heiligen unserer Kirche in meine Hand zugeschworen, und als vertrauten Boten habe ich dich nach Thüringen gesandt, damit du gleich einem Fremden ohne Gunst und Haß die Höfe des Klosters bereisest und mit eigenen Augen alles erkundest, denn üble Nachrichten erhalten wir aus jedem Gaue. Jetzt berichte von unseren Höfen und von den Zellen, in denen unsere Brüder hausen, damit wir alles erfahren, wenn es auch unwillkommen ist.«
Reinhard holte einen Pergamentstreifen heraus, auf dem die Hufen und Höfe des Klosters verzeichnet waren, und begann den Reisebericht. Es war eine lange Reihe von Klagen der Verwalter über Gewalttat der Grafen und Widerspenstigkeit der Verpflichteten. Als er innehielt, tat Herr Bernheri einen tiefen Trunk und sprach darauf seufzend: »Solange ich lebe, habe ich erfahren, daß die Frommen spenden und die Gottlosen nehmen. Sonst waren der Frommen mehr und der Gottlosen weniger. Wie ein Weiher ist das Klostergut, in den die kleinen Quellen rieseln; wenn er aber gefüllt ist, kommen die Müller des Teufels, öffnen ihre Gräben und leiten die Flut wieder ab über ihre Mühlräder. Ich sorge, der Weiher wird einmal leer und meine Mönche werden wie Karpfen in mißfarbigem Schlamme zappeln.«
»Wer kommendes Unglück meldet, dem danken wir, wenn er auch sagt, wie zu helfen ist. Unerhört ist es, daß ein neuer Bruder die Geheimnisse des Klosters erfährt, welche sonst nicht einmal den Dekanen bekannt sind«, fiel Tutilo mit rauher Stimme ein. »Leichter ist es, Klagen vorzutragen, als die Hilfe zu finden.«
»Du selbst weißt ja, mein Vater,« antwortete Reinhard, »wo die beste Hilfe zu finden ist. Die Heiligen fragen vor allem, ob unsere Brüder nach der heiligen Regel ihren Dienst tun. Den Säumigen aber entziehen sie ihre Gnade. Manches sah ich in St. Wigberts Kloster, was nicht nach der Regel war.«
»Sage das doch den Mönchen in Fulda, in Korvei und sonstwo, überall ist der Mutwille größer als bei uns,« rief Tutilo zornig, »und lebt ihr in Altaha, die ihr euch als starke Beter rühmt, deshalb in größerer Sicherheit?«
»Gern verkünde ich dir, o Herr, auch Günstiges,« fuhr Reinhard ruhig fort, »nämlich, daß unter den Waldleuten, welche bei unserer Zelle Ordorf wohnen, ein neuer Eifer erwacht ist. Die Brüder, welche du dorthin gesandt hast, leben in froher Hoffnung, denn sie meinen, großes Heil sei ihnen widerfahren. In mehr als einer Nacht sahen die Brüder Licht in der Kirche, und als Hunibald, der Magister, einst aufstand und hineinging, erkannte er einen Schein über der Platte, unter welcher, wie die Sage geht, der selige Vater Meginhard, der Genosse des heiligen Bonifazius, bestattet ist. Viel erzählen sie dort von den christlichen Heldentaten, die Meginhard zu seiner Zeit unter den Heiden gewirkt hat. Die Laien drängen sich in die Kirche und beten auf seinem Grabe, und große Heilungen von schweren Leiden werden berichtet, die an dieser Stätte ganz plötzlich gelungen sind. Das läßt Hunibald dir durch mich mit Freuden verkünden.«
Der Abt schüttelte unzufrieden das Haupt. »Ich kenne den Sinn unserer Brüder in Ordorf, sie sind gutwillig, aber unbesonnen, und ihrem Glauben fehlt die Prüfung. Ich kenne auch alte Vetteln, welche von einer Stätte zur anderen laufen und ihre Gebresten heilen lassen, damit man sie rühme, auf den Schultern trage und mit guter Kost füttere. Die in Ordorf mögen sich wahren, daß die Kinder der Welt uns nicht verspotten und daß nicht zuletzt ein großes Skandalum aus dem Wunder werde.«
»Es ist nicht begehrliches Volk allein, welches zuströmt, auch ehrbare Leute rühmen die Wunderkraft des seligen Bekenners.«
»Und vermagst auch du sie zu rühmen nach dem, was du gesehen hast?« fragte der Abt prüfend.
»Ich hatte, wie du weißt, nicht die Zeit und nicht das Amt, nach der Wahrheit zu forschen«, versetzte Reinhard.
»Ich aber meine,« rief Tutilo, die Faust auf den Tisch setzend, »daß den Heiligen zu Herolfsfeld ein übler Dienst geschieht, wenn der selige Memmo zu Ordorf einen Zulauf als Wundertäter erhält und am Ende gar zu Rom als Heiliger aufgenommen wird. Denn die Leute in den Waldlauben werden froh sein, wenn sie einen besonderen Fürbitter gewinnen, und die Edlen werden bei König und Papst bald darauf antragen, daß wir Ordorf aus unserer Klosterzucht entlassen und daß dort oder in der Nähe eine eigene Abtei gegründet wird, und Meginhard würde sich schnell als ein großer Räuber am Wigbert erweisen. Deshalb rate ich, daß wir unseren Heiligen getreu bleiben und uns nach Kräften bemühen, die Wunder zu stillen und nicht landkundig zu machen.«
Der Abt nickte. »Er spricht das Richtige. Wenn ein Lichtschein dem Kloster helfen könnte, so vertraue ich, würden unsere Fürbitter es auch bei uns nicht daran fehlen lassen. Weißt du eine andere Hilfe, mein Bruder, wenn auch durch weltliche Mittel?«
Reinhard antwortete demütig: »Wenn ich das Schicksal deiner Herrschaft, Herr, erwäge, so finde ich, daß dieser zu sehr fehlt, was ihr Schutz und Sicherheit gewähren könnte. Durch ganz Thüringen liegen die Hufen und Höfe zerstreut in den Dorffluren und zwischen den Lehnsgütern der Grafen; aber klein ist die Zahl der Vögte und der Bewaffneten, welche für das Kloster Helm und Schwert tragen. Mächtiger ist der Abt von Fulda, um vieles reicher an Vasallen; am mächtigsten der Erzbischof von Mainz, denn seine Kriegsleute lagern sicher in der großen Stadt Erfurt. Die Mönche von Fulda und die Kanoniker in Erfurt aber sinnen Ungünstiges für dein Kloster und breiten sich aus, dir zum Schaden, auch in den Waldlauben an dem Rand der Berge, wo sonst deine Herrschaft fest gegründet war. Darum meine ich, dir tun vor allem Burgen not mit treuer Besatzung. Als ich von Erfurt nach Ordorf zog, sah ich in der Ebene, wo das Gebirge beginnt, einen Ring von Hügeln, auf denen Warten und Burgen stehen, sie schließen einen Weiher und Wiesen ein, schwer ist der Zugang, denn viele Teiche liegen am Saum der Hügel. Dort ragt im Hintergrunde die Wassenburg, welche dem Kloster gehört, doch sie ist halb verfallen. Der ganze übrige Bergwald aber und das Land darum gehört dem Geschlecht des Jünglings Immo, der in der Schule des Klosters gehalten wird. Dies Geschlecht beherrscht von den Bergen wie von einem großen Wall die Landstraße und die Umgegend. Und ich höre, es bringt gern seine Spenden zum Kloster.«
»Gut hast du gesehen, mein Bruder,« rief der Abt, »ich kenne die roten Hügel, und ich weiß, daß sie gewaltig sind, aber sie sind freies Erbe eines Geschlechtes, welches seit der Urzeit im Lande haust, und ich meine nicht, daß sie ihr Erbe dem Kloster gutwillig in die Hand geben werden.«
»Vielleicht würden sie selbst als Vögte ihre Burgen bewahren, wenn sie zum Heil ihrer Seele dieselben vorher den Heiligen in die Hand gegeben hätten«, versetzte Reinhard.
»Wahrlich, Bruder,« sprach Tutilo, »als ich zuerst von deiner Sendung hörte, war sie mir widerwärtig; was du aber hier kündest, ist dasselbe, was auch ich für eine gute Hilfe des Klosters halte, und ich muß deine Klugheit preisen.«
»Ich aber kenne unseren Schüler Immo und seine Sippe,« warf der Abt ein, »hochfahrend ist ihr Sinn.«
»Was die Kinder der Welt ungern СКАЧАТЬ