Название: Die Ahnen
Автор: Gustav Freytag
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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»Das geht nimmer an«, versetzte der Führer.
»Und warum nicht, wenn ich es will?«
»Soll der Feuerschein auf der Höhe den fremden Spähern dein Lager künden?«
»Die Nacht ist warm, gern entbehren wir die Flamme, auch ein Krieger wie du behilft sich wohl ohne Kochherd.«
Ingram stand unbeweglich und sah finster auf den Fremden.
»Wer du auch sonst bist,« fuhr dieser fort, »für diese Reise hast du dich mir gelobt um guten Sold, und ich bin der Herr unserer Fahrt. Willst du nicht nach meinem Willen tun, so ziehe deinen Weg, ich suche meinen Pfad ohne dich.«
»Ungern diene ich dir,« antwortete der Führer heftig, »und nur, weil eine, die mir Gutes tat, mich geworben hat; und wenn ich frei bin von meinem Wort und du ein Schwert zu führen weißt, so will ich lieber dein Feind sein als dein Freund, das magst du wissen, Fremder. Jenen Baum aber habe nicht ich zu scheuen, sondern du, denn weitbekannt ist er im Lande und um ihn schweben seit der Urzeit hohe Gewalten, welche dir Feind sind und nicht mir.«
»Ob sie mir Feind sind, will ich dir zeigen, wenn du mir folgst«, antwortete der Fremde und schritt dem Baume zu. Er hob seine Axt und rief: »Haben sie Grimm, so mögen sie zürnen, haben sie Macht, so mögen sie mich treffen wie ich diesen Stamm.« Und mit starkem Schwunge schlug er die Axt in den Baum. Der Führer trat zurück, griff nach seiner Waffe und starrte nach der Höhe, ob von dort ein Götterzeichen den Frevler treffe; aber alles blieb still, nur ein trockener Zweig mit Eschensamen fiel herab. »Sieh her,« rief der Fremde, auf das Samenbündel weisend, »das ist der Zorn deiner Gewaltigen. Der Baum, vor dem du zagst, war einst ein flatterndes Samenkorn wie dieses hier, aus einem winzigen Kern ist er gewachsen. Wo hausten die Gewaltigen, welche du fürchtest, als der Baum noch ein Samenkorn war? Meinst du, der Baum hat gestanden von Anfang der Menschenerde? Merke, unter seinen Wurzeln fand ich diesen Stein, rissig und gesprengt durch die Kraft des Baumes. Betrachte den Stein, es ist ein Mühlstein, wie ihn die Weiber drehen, um das Getreide zu mahlen. Bevor die Esche war, hat hier ein Hauswesen lebender Menschen gestanden. Geringe Ehre verdienen die Götter, welche erst dann in der Esche mächtig wurden, als die Menschen gestorben waren, die vor dem Baume hier hausten. Der Herr aber, welchem ich diene, ist der Gott, welcher Himmel und Erde gemacht hat, er allein ist ewig und allmächtig von der Urzeit und wird ewig und allmächtig sein, wenn der letzte Span dieses Baumes aus der Welt geschwunden ist.«
Der Führer kauerte zu dem zerbrochenen Stein nieder und sah in die Öffnung, auf das Wurzelstück und auf Reste von Holzkohlen, welche an dem Sandstein hafteten. Das Haar hing ihm über das Gesicht und seine Brust hob sich in heftigen Atemzügen. »Stand ein Haus hier, so hat es gebrannt«, sprach er endlich leise vor sich hin. »Da ich klein war, sagten sie mir, daß meine Vorfahren auf dem Berge gesiedelt haben. Alte Leute haben einen Sang davon gewußt, der Sänger, den die Wenden erschlugen, war dieses Liedes kundig.«
Der Fremde berührte ihm die Schulter. »Die Nacht steigt herauf, im Walde heulen die Wölfe, hole die Pfähle, Ingram.«
Der Führer erhob sich. »Hierher führte ich dich,« sprach er bitter, »damit ich dir meinen Eid halte und du sicher seiest in der Nähe einer hohen Herrin, die ich mir günstig weiß. Du aber störst der Göttin den Frieden durch deine Axt und du verstörst mich durch schwere Gedanken, die du mir in das Herz senkest. Hast du Macht, Vergangenes zu wissen und ohne den Schutz der Überirdischen zu dauern, so bereite dir selbst die Nachtrast, wo du magst, ich helfe dir nicht.«
Der Fremde ergriff schweigend einen der Pfähle, welche der Jüngling unterdes herzugetragen hatte, und hob den Schlägel. Wuchtig fielen die Hiebe auf die Pfahlköpfe, Gottfried bot die Hölzer und flocht Zweige zwischen die Stäbe, bis rings um den Baumstamm ein Zaun gerichtet war, der die Rosse und Männer eng einzuschließen vermochte. Gottfried führte die Pferde der beiden Reisenden in den Zaun, der Fremde aber trat, als alles vollendet war, zum Führer und sprach freundlich: »Auch für dich und dein Tier ist Raum in unserm Frieden.«
»Ich und mein Roß begehren deines Schutzes nicht«, antwortete Ingram abweisend. Er hob den Mühlstein von seiner Stelle und trug ihn an den Rand des Gipfels weitab von den Fremden, dann sprang er zum Quell, löste seinem Roß die Beinfessel und führte es zu dem Steine, dort lagerte er neben seinem Tiere und schob den Stein unter sein Haupt.
In der Umzäunung band Gottfried zwei Holzstäbe zu einem Kreuz zusammen, küßte den Stab und übergab ihn ehrfurchtsvoll dem Fremden, dieser steckte ihn zu der Wurzel des Baumes, welche seinen Schatz bedeckte. Beide knieten nieder und erhoben den lateinischen Abendgesang, mit mächtiger Stimme sang der ältere die feierliche Weise, der Jüngling respondierte. Die melodischen Klänge tönten von der nahen Bergwand zurück und kämpften mit den wilden Stimmen der Nacht, welche kreischend und heulend aus dem Walde schallten. Der Führer erhob sich, da der Gesang begann, aber die vollen Töne der bewegten Menschenstimme bändigten ihm die Hast, er blieb abgewandt sitzen und starrte in den gelben Schein am Rande des Himmels.
Als der Gesang beendigt war, setzte sich der Fremde neben die Wurzel und schob die Tasche seinem Begleiter zu. »Iß,« sagte er befehlend auf die abwehrende Bewegung des Jünglings, »du bist der Wanderschaft ungewohnt, der Herr begehrt jetzt auch die Kraft deines Leibes.« Gehorsam nahm der Jüngling wenige Bissen, dann legte er sich zu den Füßen des Fremden nieder, der sorglich seinen Mantel über ihn deckte. Es wurde still in dem kleinen Gehege. Das letzte Abendlicht schwand in bleichem Schein, der langsam nach Norden zog, zuweilen rauschte der Nachtwind in den Blättern und die Eule schrie ihren Klageruf über den Wanderern; nur aus dem Walde tönten ferner und näher die Tierstimmen, dann hoben sich die müden Rosse vom Boden und schnoben ängstlich mit den Nüstern. Der Fremde saß unbeweglich, die Hände gefaltet; wenn es im Baume rauschte, sah er wie erwartend in die Äste und nach dem Himmel, über welchem sich tiefe Finsternis breitete.
Unterdes starrte der Führer hinunter in die Tiefe, wo über dem Bach im Dämmerschein der weiße Wasserdampf hinzog. »Ich schaue, wie sie dahinschweben über der Flut,« murmelte er leise, »gehüllt in weiße Gewande schaffen sie um das Wasser, sie sinnen Hilfe und Heil ihrem Getreuen, sie verhüllen seinen Pfad vor dem Verfolger, sie lösen ihn aus den Banden der Feinde; manchmal, wenn ich unter der Esche lag, hörte ich ihren Gesang in der Tiefe. Meine Väter sind hierher gewandert in schweren Tagen und haben Hilfe erfleht von den weißen Frauen. Und ich habe vernommen, daß sie die Schutzfrauen meines Geschlechts gewesen sind seit der Urzeit. Jetzt ängstigt mich der Mühlstein, den der fremde Mann mit seinem Zauber heraufgeholt hat unter dem Baume, was mir das Zeichen bedeute. Die Baumwurzel fuhr durch den Stein, uralt ist der Stein, wie der Fremde sagt, und er ist älter als der Götterbaum. Und bevor der Baum war, und die Götter walteten, lebten schon meine Ahnen. Welches war der Gott, der sie damals gnädig beschirmt hat? Längst ist Glück und Sieg von meinem Geschlechte gewichen. Den Großvater erschlugen die braunen Avaren, den Vater tötete ein Wende, da ich noch klein war, und die Mutter starb in Trauer. Überall ist jetzt geschwunden die Freude der Erde. Selten nur sinnen die Götter gutes Glück meinem Volke und ein fremder Gott zieht in die Täler. Das Haus ist verbrannt, das einst auf der Höhe stand und das Glück meines Geschlechtes ist verbrannt. Und mir wird das Herz kummervoll. Jene dort beten in fremder Weise und sie haben ein starkes Vertrauen zu ihrem Gott. Sind sie Toren, so mögen unsere Götter ihre Macht an ihnen erweisen.« Im Rücken des Betenden zuckte ein Blitz, der Donner rollte. Ingram rief seinen Kriegsruf. »Wohl mir, ich höre das Dröhnen seines Wagens, er СКАЧАТЬ