Название: Die Ahnen
Автор: Gustav Freytag
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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»Du aber wachst für uns alle«, sprach Irmgard.
»Vorsicht ziemt dem Wächter, welcher einen Schatz behütet«, versetzte Berthar und neigte sich gegen Irmgard, und bedeutsam fuhr er fort: »Gegen Norden ragt das Giebeldach dieses Saales und in den Bergen sammeln sich die argen Wetter. Nordwärts sehe ich oft, wenn auch der Tag sonnenwarm ist wie heut. Verzeihe, Herrin, daß ich stille Sorge erwecke. Solange mein alter Gesell Isanbart atmete, hemmte er wohlgesinnt die Rachegedanken jenseit der Berge, denn Herr Answald beachtete seine Worte. Seit sie aber den Hügel über ihn schütteten, haben die Feinde allein das Ohr des Häuptlings. Nicht das Volksgeschrei fürchte ich noch, wohl aber heimliche Rachefahrt über den Wald. Ungern sehe ich, wenn die Herrin allein in die Täler wandelt.«
»Soll ich als eine Gefangene leben, Vater?« fragte Irmgard traurig.
»Nur die nächste Zeit laß dir unsere Sorge gefallen. Manche Wunde vernarbt, ist doch auch die des Theodulf geheilt, und er schreitet, wie sie sagen, jetzt am Hofe des Königs einher.«
Vom Bollwerk klang laute Rede, der Wächter auf dem Holzgerüst blies in das Horn und hing an den Ruf lustige Töne, die gar nicht dazugehörten. Irmgard lachte. »Es ist ein Freund,« sprach Ingo, »der Wächter will ihm eine Ehre tun.« »Volkmar«, schrie Irmgard und eilte dem Sänger entgegen, der eilig in den Hof trat. Aber sie hielt an, als sie in das feierliche Gesicht des Wanderers blickte. »Aus der Heimat kommst du, doch ich erkenne, einen Freundesgruß bringst du nicht.«
»Von der Königsburg komme ich,« begann Volkmar, und in seinem Antlitz zuckte die Bewegung, als er sich vor der Herrin und dem Häuptling verneigte, »nur kurz war meine Rast in den Waldlauben. Herr Answald ließ satteln, um nach der Königsburg zu reiten, die Fürstin saß unter den Mägden, still war es im Hofe, niemand fragte, wohin ich ging.« Irmgard wandte sich ab, aber im nächsten Augenblick faßte sie die Hand des Gemahls und sah liebevoll zu ihm auf.
»Als Bote des Königs kommst du,« begann Ingo, »ich hoffe, wohlmeinende Sendung trug er dir auf.«
»Verstummt sind die Lippen des Königs,« versetzte Volkmar, »geendet ist seine Sorge um Königsstuhl und Schatz, tot fand man ihn auf seinem Lager, nachdem er am Abend vorher lustig unter seinen Mannen gezecht hatte. Der Holzstoß wurde ihm gerichtet, und die Flammen loderten um seine Leibeshülle.« Tiefes Schweigen folgte seinen Worten.
»Ein machtvoller Herr war er und ein beherzter Kriegsmann, ein besseres Ende habe ich ihm gewünscht als unter seinen trunkenen Leibwächtern«, begann erschüttert Ingo. »Wie er auch gegen andere gehandelt hat in mürrischem Argwohn, mir war er ein Gehilfe zu meinem Glück, und durch ein ganzes Jahr hat er den Andrang meiner Feinde gehemmt.«
»Den Schlüssel zur Schatzkammer bewahrt jetzt die Königin für ihren Sohn,« fuhr der Sänger fort, »sie herrscht gewaltig in der Königsburg und sendet ihre Mannen in das Land. Um die Wette reiten die Edlen, an ihrem Hofe Huld zu gewinnen; schwerlich wagt jemand ihrer Herrschaft zu trotzen. Schon meint mancher, daß die Faust des toten Königs weniger gedrückt habe als die weißen Finger der Frau Gisela. Das kündige ich dir, Fürst, von niemandem gesandt, du erwäge, ob es dir Unheil bedeute.«
»Mit gleichem Ernst berichtest du Trauriges und Frohes«, antwortete Ingo lächelnd. »War der König mir nicht schädlich, die Königin kenne ich als gütig und edelgesinnt. Jetzt erst darf ich mit leichtem Mute mich meines Glückes rühmen, soweit es an dem Willen der Nachbarn hängt.«
»Unsicher ist die Gunst einer herrischen Frau«, sprach der Sänger.
»Ein treuer Grenzwart war ich dem toten König, warum sollte ich seinem Sohne weniger sein? Und solange Frau Gisela den Thüringen gebietet, erwarte ich Gutes von dort. Du sprachst die Königin?«
»Feindlich stach der Blick der Königin, als sie mich in dem Haufen sah. ›Denkst du jemals wieder in meinem Hofe den Mägden deine Reigen zu spielen,‹ rief sie mir zu, ›so meide die Bergfahrt. Wenn die Elster über die Wälder fliegt, rauft ihr der Habicht die Federn. Vielschwatzender Bote warst du dereinst, sorge um deine Zunge.‹ So winkte sie mir Entfernung, ich aber eilte flüchtig durch die Wälder hierher, mich trieb die Sorge um dich und die Herrin.«
»War die Sorge auch eitel, dennoch sei bedankt für deine Treue. Dir hat ein Verleumder die Königin verfeindet. Wie sie mir gesinnt ist, habe ich in schwerer Stunde erfahren, bewährt ist die Freundschaft und gemeinsam der Quell unseres Blutes. Denn uns beiden walten die hohen Ahnen im Göttersaal, als zwei Kinder eines Geschlechts stehen wir unter Fremden auf den beiden Seiten der Berge, ich der Mann, und sie das Weib.«
»Doch nicht dein Weib, Herr«, warf Berthar ein.
Ingo lachte. »Gleichwohl ist sie ein Weib, und übel stünde uns Männern, die Laune einer Frau zu fürchten.«
»Noch übler, ihrer Freundschaft zu vertrauen«, mahnte der Alte. »Als die Bärin klein war, leckte sie die Hand des Mannes, den sie später im Nacken packte.«
»Gar zu hartnäckig ist dein Mißtrauen«, schalt Ingo gutherzig. »Aber ich will die Klugheit üben, die du rätst. Wir reiten selbst in die Dörfer und laden die Alten zum Rat, ob wir eine Botschaft senden an die neue Königin und vorsichtig auf Rüstung denken. Ist die Arbeit unnütz, so lachen wir später der Sorge. Du, Volkmar, weile als Gast bei uns, bis du erkennst, daß Frau Gisela dir wieder hold wird; du weißt selbst, wie lieb uns deine Nähe ist.«
»Verzeih, Herr,« antwortete der Sänger ernsthaft, »wenn ich meine Fahrt nicht hemme, schneller als Sprung des Hirsches und Flug des Falken eilt der Zorn dieses Weibes. Völlig hat sie vergessen, daß sie ehedem meine Botenfahrt vor dem toten König rühmte. Meinst du vor ihr sicher zu sein, mir hoffe ich‘s nicht.«
»Wer darf dem wanderlustigen Sänger den Fuß hemmen? Mußt du scheiden, so laß dir‘s doch gefallen bei der Herrin am Herde auszuruhen und kehre bald wieder unter unsere Eichen.«
»Ich werde die Stätte wieder aufsuchen, wo die Eichen stehen«, versetzte der Sänger, sich über die gebotene Hand des Häuptlings neigend.
Ingo schritt mit Berthar zu den Rossen, Irmgard sah ihm nach. »Vieler Geheimnisse bist du kundig, Volkmar,« sprach sie leise, »aber du vermagst der angstvollen Frau doch nicht alle Gedanken zu deuten, welche durch das Haupt ihres Gemahls ziehen.«
»Die Gedanken schwirren im Haupt, wie Schwalben im Hausdach, sie fliegen aus und ein,« tröstete der Sänger, »du aber gleichst dem Herdfeuer im Hause, welches Frieden gibt und froh macht; sorge nicht um die schwärmenden Schatten. Doch auch dir, Herrin, nahe ich als verschwiegener Bote. Da ich aus den Waldlauben schied, trat Frau Gundrun mit mir zu dem Gehege, worin sie das Hofgeflügel verwahrt. Sie wies auf ein Storchweibchen und sprach: ›Der Vogel entflog im Sommer dem Hofe, aber vor dem Winter kam er zurück und brachte sein Junges mit, jetzt füttern wir beide. Eine, die du kennst, schwand von hier, weil sie die Schwungfedern eines Wanderschwans erfaßt hatte, trage ihr jetzt ein anderes Reisezeichen zu.‹« Und der Sänger bot ihr das Zeichen, die Flügelfeder eines Storches und die Kielfeder eines jungen Vogels mit einem Faden zusammengebunden. Irmgard hielt den Gruß ihrer Mutter in der Hand und ihre Tränen fielen darauf: »Frau Adebar, die Störchin, flog zum Hofe zurück, weil ihr ein Raubvogel den Wirt ihres Nestes zerkrallt hatte. Mir aber gebietet mein Herz, den wilden Falken zu widerstehen, welche gegen meinen Hausherrn die Flügel schwingen. Komm, Volkmar, daß ich dir mein armes Storchkind zeige, das jauchzend die kleinen Hände ballt, wenn sein Vater sich über sein Antlitz neigt.«
Am Nachmittag war es still auf der Ringburg. Der Sänger war geschieden, Ingo eilte mit den Hofgenossen durch die Täler, Frau Irmgard stand an dem Quell, der unweit des Hauses unter СКАЧАТЬ