Название: Die Ahnen
Автор: Gustav Freytag
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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»Ich getraue mir‘s wohl«, versetzte Immo freudig.
Der Abt seufzte. »Da du so unverschämt bist, von meiner Würde zu verlangen, daß ich für dich geradeso unter die Brüder springe, wie du für mich getan hast, so habe ich mich entschlossen, dich von hier zu entsenden, bevor die Sonne aufgeht. Du sollst als mein Bote reiten. – Was siehst du mich an, Eggo? Du meinst, ich soll ihn durch einen Eid binden? Laß die heiligen Reliquien in ihrem Schrein, ungeschoren geht er von uns, er soll auch ungeschoren seine Straße ziehen. Solange ich lebe, sah ich hohe Eide schwören und hohe Eide brechen. Ich habe erkannt, daß der ein Tor ist, welcher auf die Treue der Menschen baut. Dennoch habe auch ich jemanden gefunden, der sich mir bewährt hat im Spiel und in der Todesnot. Denn als ich jung war und einst mit meinem Jagdbogen im Waldversteck lag, wo das Wild zur Tränke läuft, da überfielen mich Nachtschächer, blutdürstige Räuber. Ich rief meinen Notschrei, aber nur einer hörte, der damals mein Geselle war, er sprang über die Felsen herzu und schlug ungerüstet wie Simson mit seiner Keule unter die Mörder. Zweien setzte ich den Fuß auf den Hals und durchstach ihnen die Gurgel. Ich trug keinen Hautritz davon, der andere aber einen schweren Hieb in die Schulter. Du selbst kannst die Narbe gesehen haben, Jüngling, wenn du an der Achsel deines Vaters standest, denn er war es, der mich damals vom Tode löste. Und an ihn habe ich gedacht, als ich dich aus dem Kerker holen ließ. – Jetzt aber merke auf, denn ich will deinen leeren Kopf mit allerlei gewichtiger Kunde füllen. Von allen Seiten heben sich die Nacken der Großen gegen unseren König Heinrich. Klein ist die Zahl seiner Getreuen, auch im Kloster leben vielleicht solche, welche den Feinden des Königs Gutes gönnen. Vermagst du zu verstehen, was ich dir sage?«
»Gewiß, Herr,« versetzte Immo eifrig, »außer dem Tutilo sind die Dekane Hunico, Wolferi, Sigibold und vor anderen der Pförtner Walto für den Babenberger, und die anderen Alten haben nicht den Mut, diesen zu widerstehen; doch Heriger hält zu dem König und er ist meines Herrn Abts beste Hilfe. Von den jüngeren aber sind die Thüringe und Sachsen wohl zur Hälfte dem König gutgesinnt.«
Der Abt starrte den Jüngling an. »Weiß die äußere Schule so gut, was in der Klausur vorgeht?«
»Auch zu uns fliegt mancherlei über den Zaun,« fuhr Immo fort, »ich merkte auch, daß vorgestern Graf Ernst, der ruhmvolle Held, heimlich in der Herberge des Klosters lag.«
»Führe ihn zu den Reliquien«, rief schnell der Abt, »und binde ihn durch einen teuren Eid, daß er niemals einem anderen verkünde, was er von Wigberts Geheimnissen erraten hat.«
Eggo führte den Jüngling vor den Schrein und nahm ihm den Schwur ab, während Herr Bernheri noch immer erstaunt dasaß und zuweilen mit dem Kopf schüttelte. Als Immo wieder vor dem Abte stand, begann dieser prüfend: »Du also gedenkst dich an den König zu hängen.«
»Meine Mutter stammt aus einem Geschlecht, welches sich der Verwandtschaft mit den Sachsenkönigen rühmt.«
Der Abt lachte. »Wer König wird, dem wachsen die Vettern wie Hederich im Hafer. Dir aber bleibt ohnedies keine Wahl, seit du so ruchlos den Tutilo gebläut hast. Darum vertraue ich dir diese drei Briefe an«, er hob die Arbeit des Eggo vom Tische. »Mit dem ersten reitest du in deine Heimat, er geht an deine Mutter und spricht von deiner Entlassung wegen der wilden Kriegszeit, damit die Frau meine gute Meinung für dich erkenne.«
Immo ergriff freudig den Brief.
»Dafür sollst du mir in deiner Heimat dienen. Die Seelen der Brüder in Ordorf sind durch die Bosheit eines anderen, der hier im Kloster weilt, vergiftet, aber der Vogt auf der Wassenburg ist mir treu. Diesem trägst du den zweiten Brief, und da er als Kriegsmann des Lesens unkundig ist, wirst du allein ihm den Brief vertraulich vorlesen, damit keiner von den Brüdern die Schrift erblicke. Und was du von ihm und anderen über die Rüstungen in Thüringen erfährst, das sollst du an Bruder Eggo schreiben und durch den Reisigen, welcher dich begleitet, hierher senden. Dann aber rate ich dir, daß du so bald als möglich deine Helmkappe bindest und dich allein oder mit Kriegsleuten, welche dir folgen wollen, über die Berge zum Könige durchschlägst. Du wirst Herrn Heinrich in Regensburg an der Donau finden oder doch in der Gegend. Dort gibst du den dritten Brief an seinen Kanzler Erkambald. Spähe nach den Mienen des Kanzlers und erlausche, soviel du vermagst, über den Kriegszug und die gute Meinung des Königs für mich. Was du erkundest, das schreibe wieder an Bruder Eggo. Setze keine Namen in deine Briefe, aber die Anfangsbuchstaben, damit wir erkennen, wen du meinst. Als Boten gebrauche den Spielmann Wizzelin, welchen du kennst, denn diesen habe ich geworben und in das Lager gesandt. Du selbst aber sei bemüht, dem Kanzler zu gefallen, ich habe ihm auch deinetwegen einige Worte geschrieben.«
Von der Wachskerze fiel eine metallene Kugel, deren Faden durchgebrannt war, in die große Tülle; der eherne Ton klang scharf durch das Zimmer. Aus der Klosterkirche tönte der Gesang der Vigilien. Der Abt erhob sich. »Es ist Zeit, daß dein Fuß aus den geweihten Wänden gleite, sonst möchtest du sie schwerlich verlassen. Es ist auch Zeit, die unheiligen Gedanken abzutun. Ein ungewohnter Dienst ist meiner zuchtlosen Herde dieser Nachtgesang, ich meine die Angst um ihre Missetat hat sie vom Lager gescheucht. Uns allen tut Vergebung not. Auch mir, der ich erhöht bin zum Abte, gebührt jetzt, meiner Nichtigkeit zu gedenken, und wie die Regel befiehlt, tief hinabzusteigen bis zu der siebenten Stufe der Demut, um mit dem bekümmerten Hiob zu sprechen: Ein Wurm bin ich und nicht ein Mensch, scheusälig den Leuten und greulich dem Volke. Ungerecht habe ich mich vor dir, o Jüngling, meiner weltlichen Geburt gerühmt und, was noch jämmerlicher ist, meiner wilden Taten im Walde. Hochmütig bin ich im Grunde meines Herzens und wer über meinen Bauch spottet, hat guten Grund, denn gar wenig lebe ich nach der Regel; oft habe ich gesündigt durch Gebratenes und Buttergebäck, vom gewürzten Wein zu geschweigen; manchmal habe ich voll mein Lager gesucht und wer mich mit einem Weinfaß vergleicht, der spricht nicht unwahr. Vielen Haß nähre ich in meiner Seele gegen manche und andere verachte ich; viel denke ich auch an meinen Schatz von Silber und edlen Steinen, an die wilden Ochsen im Walde und an die Fährten der Hirsche; ein ungetreuer Verwalter bin ich und in Furcht lebe ich vor der Strafe. Denn zu einem Eckstein war ich bestellt, aber ich bin nur gut dazu, daß die anderen ihre unsauberen Sohlen auf mir abstreifen.« Er stöhnte tief und faltete die Hände, während Immo, der sich bei dem Beginn des Nachtgesanges auf die Knie niedergelassen hatte, dem Gottesdienste des Abtes verwundert zuhörte, obwohl er wußte, daß es zu den Geboten des Klosters gehörte, sich selbst zu erniedrigen. Nach vielen Seufzern erhob der Abt das Haupt, als einer, der schwerer Pflicht Genüge getan hat und begann rauh: »Was kauerst du noch, du Heupferd, um zu warten, bis dich die Schnäbel der dunklen Vögel zerhacken, die dort drüben so hastig singen, nicht gleich Heiligen des Herrn, sondern wie Stare in den Weiden des Teiches. Enthebe dich aus meinen Augen.«
»Ich kann nicht gehen ohne den Segen meines Herrn; denn wie ein Vater habt ihr euch gegen mich erwiesen heut und sonst in der Schule.«
Der Abt legte ihm die Hand auf das Haupt, sprach den lateinischen Segen und strich über das lockige Haar. »Sei dankbar gegen mich, soweit du vermagst, obwohl ich fürchte, daß dein Gedächtnis darin kurz sein wird. Mancher, der wie du als ein Springer aus dem Kloster in die Sünden der Welt hineinfuhr, schlich mit grauem Haar unter der schweren Bürde seiner Schuld in das Kloster zurück. Gedenke, daß am Altar eine Heimat aller ist, die müde werden unter ihrer Last.« Er zog einen ledernen Beutel aus СКАЧАТЬ