Название: Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas
Автор: Balduin Mollhausen
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Selbst in dieser traurigen Wüste fand ich Spuren von Wild, und als ich in der Dämmerung dem Lager zuschritt, vernahm ich vielfaches Locken von Rebhühnern, die sich bei Annäherung der Nacht unter den Schutz der niedrig hängenden Äste der Mesquitebäume in ein kleines Tal zurückgezogen hatten und die dornenreichsten Zweige zu ihrem nächtlichen Aufenthalt wählten. Dort saßen sie in Klumpen zusammengedrängt, so daß sie kaum von den nestartigen, besonders den Mesquitebäumen eigentümlichen, Parasiten zu unterscheiden waren; ich ließ die reizenden Vögel ungestört, denn wenn ich auch Gelegenheit hatte, viele von ihnen zu töten, so wäre es mir doch schwer geworden, durch das dichte Dornengestrüpp bis zu ihnen durchzudringen.
Gutes Fahrwasser schien uns in der Frühe des 18. Januar zu begünstigen, als wir unsere gewundene Straße gegen Norden verfolgten; doch schon nach einer Reise von drei Meilen traf uns abermals ein Unfall, der einen Aufenthalt von mehreren Stunden verursachte. Die eiserne Ruderstange war nämlich gebrochen, und das Ausnehmen und Einhängen derselben raubte fast ebensoviel Zeit wie die Schmiedearbeit. Glücklicherweise befanden wir uns in der Nähe eines kleinen ausgewaschenen Tals, wo gutes Brennholz im Überfluß vorhanden war; unsere Leute konnten daher, während der Schmied das sprühende Eisen auf dem Amboß zusammenfügte, mit leichter Mühe einen Holzvorrat an Bord bringen, der für den ganzen Tag ausreichte.
Ich vertiefte mich bald in die Verfolgung zweier Hirsche, die langsam das Tal verließen und in eine der vielen Wasserrinnen einbogen; sie waren nicht scheu, doch auch bei der größten Vorsicht gelang es mir nicht, auf dem mit losen Kieseln übersäten Boden geräuschlos fortzuschreiten. Die Tiere — obgleich sie nicht flüchtig waren — hielten sich daher immer aus dem Bereich meiner Büchse und lockten mich durch ihr scheinbar zutrauliches Wesen immer tiefer in das Labyrinth der zahlreichen Schluchten. Ich gab endlich meine Jagd als fruchtlos auf und wandte mich wieder dem Fluß zu, wo ich dem fühlbaren Mangel an frischem Fleisch wenigstens durch einige Rebhühner etwas abzuhelfen suchte.
Um die Mittagszeit war das Steuerruder wieder in brauchbarem Zustand, und wir brachten bis zum Abend die Zahl der an diesem Tag zurückgelegten Meilen auf 1 ½. Auf der ganzen Strecke hatten wir uns fortwährend in der Mitte zwischen zwei parallellaufenden Gebirgsketten fortbewegt; die Richtung derselben war anscheinend von Norden nach Süden, doch ließ sich dies nicht so genau bestimmen, da ihre Basen zu weit vom Colorado entfernt waren. Ihr äußerer Charakter unterschied sich fast gar nicht voneinander, und so wurden ihnen denn nach der Verschiedenheit ihrer Ausdehnung die Namen »Long Range« und »Short Range« beigelegt.
Seit einigen Tagen erblickten wir zum erstenmal wieder Indianer am Ufer. Nach Mariandos Aussage gehörten diese zu dem Stamm der Yumas, und ihre Anwesenheit mit Weib und Kind deutete auf kulturfähigen Boden, der sich hinter der dichten Cottonwood-Waldung des Ufers befinden mußte. Jedenfalls war er nur von geringem Umfang, denn selbst an den lichten Stellen des Gehölzes vermochten wir keinen Blick auf ihn zu erhaschen. Wir waren dem Ufer nahe genug, um das große Erstaunen der Eingeborenen beobachten zu können, das sie über unser Dampfboot kundgaben; und es schien ihnen unbegreiflich zu bleiben, daß ein so großes Kanu wie das unsrige, imstande sei, ohne gezogen zu werden, stromaufwärts zu fahren. Die Kraft der Belebung des Eisens — denn das Eisen lebte ja sichtlich — schrieben sie übrigens allein dem Kapitän Robinson zu, weil derselbe nach ihrer Ansicht der einzige war, der unmittelbar mit der eisernen Ruderstange und dadurch auch mit der Maschine in Verbindung stand, während alle übrigen an Bord müßig umhersaßen oder -lagen.
Ein riesenhafter Yuma, der auf einem Vorsprung unsere Ankunft erwartete, schien mit den Eigenschaften des »feuerfressenden Kanus« vertraut zu sein, denn furchtlos ließ er durch Maruatscha und danach durch Mariando die Bitte an Lieutenant Ives stellen, ihn eine oder zwei Tagereisen weit mitzunehmen. Natürlich wurde seinem Wunsch entsprochen, und zwar um so mehr, als es von größter Wichtigkeit für uns war, ein freundliches Verhältnis mit den Eingeborenen aufrechtzuerhalten; wir konnten durch dergleichen kleine Gefälligkeiten in der Meinung der zu Mißtrauen so leicht hinneigenden Wilden nur gewinnen.
Der Abend rückte heran, Tausende von Kraniche versammelten sich zur nächtlichen Ruhe auf den nackten Sandinseln, kleine Trupps von Pelikanen begaben sich unter den Schutz der von ihren hochbeinigen Gefährten ausgestellten Schildwachen, und auch wir landeten an einer geeigneten Stelle auf dem linken Ufer, um hier den kommenden Tag zu erwarten. Dichtes Gehölz, und in diesem vorzugsweise schön gewachsene Cottonwood-Bäume, beschatteten den lehmigen Boden, auf dem unsere Zelte standen, und hinter dem schmalen Waldstreifen begannen wieder die sandigen Niederungen und die hochgelegenen Kieswüsten. Der Abend war mild, die Nacht pechschwarz, und malerisch beleuchteten die flackernden Lagerfeuer die glatten Stämme und die blätterlosen Kronen der nahen Bäume, das verworrene Gestrüpp, die weißen Zelte und die verschiedenen Gestalten vor diesen. Von der Wüste herüber schallte das Gekläff der Kojoten,Kojote = mexikanische Bezeichnung für den Präriewolf, wahrscheinlich vom aztekischen »Coyotl«. von den Sandbänken das behagliche, heisere Gekrächz der Kraniche, im Lager aber gesellte sich fröhlicher Gesang zu den Klängen wohlgestimmter Instrumente.
Verstohlen blitzten am 19. Januar erst einige Strahlen der Sonne durch das herbstlich entblätterte Dickicht, als wir uns an Bord begaben. Die regsamen Kraniche hatten schon längst unter wildem Jubelruf ihre Weiterreise angetreten, die gemächlicheren Pelikane saßen dagegen noch auf ihrer alten Stelle, sie reckten ihre breiten Schwingen, putzten ihr schönes Gefieder und saßen noch immer da, als wir schon längst an ihnen vorübergefahren waren und drei Meilen oberhalb unserer Lagerstelle die »Explorer« über eine Sandbank wanden. Auch Eingeborene zeigten sich am Ufer, sie beobachteten neugierig unser seltsames Treiben und gaben zuweilen durch gellenden Ruf ihre Verwunderung zu erkennen. Glücklicher als bei früheren Gelegenheiten, gelangten wir bald wieder in tiefes Wasser und legten dann eine bedeutende Strecke zurück, ohne auf Hindernisse ernsterer Art zu stoßen.
Die Umgebung blieb fast ganz dieselbe wie am vorhergehenden Tag; flaches Land dehnte sich nach allen Richtungen hin weit aus und stieg sanft und gleichmäßig an, in dem Grad, wie es sich vom Fluß entfernte und den Basen der blauen Gebirgszüge näher trat. Die Ufer waren höher oder niedriger, je nachdem der Strom mehr oder weniger an der Kiesebene genagt hatte, und die rechte Uferwand erhob sich auf der Strecke von einer Meile sogar bis zu einer Höhe von sechzig Fuß, wo dann über dem Wasserspiegel eine graue Sandsteinlage sichtbar wurde, auf der abwechselnd Kies- und Lehmschichten ruhten.
Die Sandschichten schienen ein Lieblingsaufenthalt der kleinen Höhlenschwalbe zu sein, denn ich nahm zahlreiche runde Öffnungen wahr, die sich reihenweise am Ufer hinzogen und so angebracht waren, daß sie den befiederten Erdbewohnern vollständigen Schutz gegen die Zudringlichkeit der Schlangen und kleinen Nagetiere gewährten. Die Schwalben selbst befanden sich aber noch im wärmeren Süden, ich erhielt also kein Exemplar dieser reizenden Verkünder des Frühlings. Den weißköpfigen Adler sah ich hier seit langer Zeit zum erstenmal wieder, er war aber sehr scheu und hielt sich stets in einer für ihn sicheren Entfernung. Zahllose Kraniche erfüllten die Lüfte mit ihrem durchdringenden Geschrei; blaue und weiße Reiher flüchteten sich fast in jedem Augenblick beim Herannahen des Dampfbootes; Kormorane, Gänse und Enten mancher Art schwammen auf dem stillen Wasser in den von den Sandbänken gebildeten Winkeln und gaben mir mitunter Gelegenheit, mich vom Verdeck aus mit der Jagd zu beschäftigen, was mir eine angenehme Unterhaltung auf der Fahrt durch die einförmige Wüste gewährte.
Long Range und Short Range blieben hinter uns zurück, ein neuer Gebirgszug tauchte im Westen auf, und deutlicher wurden die Linien und Formen der mächtigen Felsmassen, die gegen Norden den Horizont einfaßten und die schon am vorhergehenden Tag die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatten. Sechzehn Meilen waren überwunden; wir nannten es eine gute Tagereise und schauten nach einer zum Landen geeigneten Stelle aus. Beide Ufer mit dem dichten СКАЧАТЬ