Reinhard Flemmings Abenteuer zu Wasser und zu Lande. Heinrich Seidel
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СКАЧАТЬ schmale, nach Bedarf getretene Fusswege durchwanderten scheinbar launisch diese grüne Senkung. In der Mitte stand eine prachtvolle ausländische Tanne, wie ich jetzt weiss, eine Nordmannia. Herr Wohland ging bis an diesen Baum und läutete an einer Glocke, die dort auf einem Gestell angebracht war. Kaum waren die Töne verhallt, so kam eine Anzahl von Rosellapapageien mit reissendem Fluge über die Wipfel geschossen und fiel auf der schönen Tanne ein, wo sie seitwärts auf den Zweigen gingen und verlangend nach dem Korbe hinsahen. Und nun tönten die schrillen Schreie von allen Seiten. Rosenfarbige Kakadus und weisse mit gelben Hauben hoben sich schimmernd vom dunkeln Geäst ab, schwangen sich flügelblitzend durch die Luft oder rüttelten unentschlossen über dem verlockenden Korbe; Fasanen, die in allen Farben leuchteten, schwebten mit nachwogendem Schweif herab und liefen verlangend auf dem Boden hin und her, und die schöne Nordmannia füllte sich mit allerlei glänzendem Papageienvolk in Grün, Rot und Gelb und allen den strahlenden Farben, mit denen der Schöpfer sie geziert hat, Vögel, die sich schreiend jagten, bissen und miteinander kämpften, während die schwächeren und weniger mutigen zuweilen auffliegend und wieder zurückkehrend auf den Zweigen des Kranzes der entfernten Bäume verlangend aber furchtsam verharrten. Als nun dieser Trubel, dieses Kämpfen, dieses Geschrei und dieser Farbenwirrwarr am grössten war, kam mit reissendem Fluge ein rotschwänziger Graupapagei geflogen und setzte sich ohne weiteres auf den Rand des Korbes, wo er sich sofort über die leckeren Sachen hermachte. Auf dieses Signal begaben sich eine grüne Amazone, ein blauer Arara und ein rosenfarbiger Inka-Kakadu ebenfalls an diesen Ort, wodurch ein erbärmliches Geschrei und ein grosser Kampf unter den vier Vögeln entstand, bis endlich Herr Wohland mit weiten Würfen das Futter ausstreute nach allen Richtungen hin, wodurch auch die schüchternen unter den Tieren auf ihre Rechnung kamen. Nur der Graupapagei, offenbar der dreisteste und zahmste von allen, blieb auf dem Korbe sitzen und suchte sich das Beste aus. Grossen Hunger schien er aber nicht zu haben, denn bald fing er an, das noch im Korbe vorhandene Futter mit seitlichen Schnabelhieben zu zerstreuen und hinauszuschleudern, wobei er ungeheuer eifrig war und fortwährend schwatzte: »Lora! Lora! Bist du verrückt? Schläg‘ haben? Lora, du, du!«

      Als nun Herr Wohland ihm mit einem Stäbchen drohte, das er in der Hand trug, duckte er sich, sah ganz ungemein scheinheilig aus und sagte: »Lora, artig sein, ganz artig sein! Lora Zucker haben. Zucker, Zucker! Lora Zucker haben, Zucker, Zucker!«

      Dabei blieb er nun mehrere Minuten und ward nicht müde, halb schmeichlerisch und halb mit dem Grundton der tiefsten Überzeugung zu verkünden, dass Lora durchaus und unter allen Umständen Zucker haben müsse.

      Herr Wohland liess sich erweichen und langte ihm ein Stückchen aus der Tasche, worauf der Vogel auf die Schulter seines Herrn flog und dort an dessen Kopf geschmiegt mit der Miene eines Weisen, der es seiner nicht unwert hält, auch den Genüssen des Gaumens zugänglich zu sein, den Zucker mit der einen Klaue zierlich zum Schnabel führte. In den Pausen sagte er wieder: »Zucker, Zucker!« und zwar in einem Tone schmunzelnder Genusssucht und Besitzesfreude und dann sehr sanft: »Guter Papa, guter Papa!«

      Wie wir dieses Schauspiel mit den Augen verschlangen, und wie wir allen diesen Ereignissen, die unsre märchenhaftesten Erwartungen noch übertrafen, mit Spannung folgten, kann man sich vorstellen. Adolf konnte sich nicht enthalten, mich zum Zeichen seiner Wonne mit den spitzen Knöcheln in die Rippen zu stossen, was mich, der ungeheuer kitzlig war, zu einem mächtigen Seitensprunge veranlasste, so dass die Vögel erschrocken aufflatterten und selbst Lora zusammenfuhr und im schönsten Sächsisch ausrief: »Eihercheeses!«

      Darüber überfiel uns die ungeheure Lachlust der Jugend, und da Lora immer in den hellsten Tönen mitlachte, so konnten wir uns kaum wieder beruhigen, so dass sich zuletzt sogar der ernste Mund des Herrn Wohland zu einem Lächeln verzog. Sodann gingen wir mit ihm in das grösste Zimmer des Hauses, wo wir einen gedeckten Tisch vorfanden, an dem Platz zu nehmen unser Gastfreund uns mit einer Handbewegung aufforderte. Er selbst ging wieder hinaus. Der Tisch war mit allerlei kalten Sachen besetzt. Mit besonderem Wohlwollen fassten wir eine Schüssel mit saurem Aal ins Auge und mit Interesse eine geöffnete Büchse mit Ölsardinen, die wir nicht kannten, ebenso wie manches, was sonst noch auf dem Tische stand. Dass dort auch eine Karaffe mit rotem und eine mit weissem Wein vorhanden war und vor jedem Platze zwei Gläser standen, erfüllte uns mit männlichem Stolz. Wir wussten nun nicht recht, ob wir mit dem Essen beginnen oder auf Herrn Wohlands Rückkehr warten sollten. Es war allerdings nur für zwei Personen gedeckt. Da öffnete sich plötzlich die Thür, und herein trat ein sauberes junges Dienstmädchen, offenbar das, das vorhin mit Stina angerufen wurde. Sie trug auf einem japanischen Brette eine Schüssel mit gebratenen Hähnchen nebst dem nötigen Zubehör, setzte alles vor uns hin und empfahl sich dann mit einem zierlichen Knicks.

      »Gebratene Kücken. Fein!« sagte Adolf im Tone unbedingter Anerkennung!

      Da wir nun hier so gut behandelt wurden, so überkam mich die Neigung, mich höflich und galant zu benehmen, was mir sonst ein Greuel war: »Darf ich Ihnen Rot oder Weiss geben?« sagte ich, indem ich die Hand nach den Karaffen ausstreckte.

      »Wenn ich um Rot bitten dürfte!« antwortete Adolf in dem zimperlichen Tone seiner Tante Malchen Säuberlich, indem er dazu mit dem Munde altjüngferlich prünte.

      Ich schenkte ihm ein und sagte: »Nun musst du auch immer nachher so, wie Tante Malchen es macht, weggucken, wenn ich wieder einschenke, und dich erst erschrecken und die Hand vorhalten, wenn das Glas voll ist.«

      Adolf lachte kurz und warf dann einen fast bedauernden Blick auf die vor uns aufgebauten Schätze. »Ich möchte nur,« sagte er dann fast trübselig, »Mamselling hätte uns heute morgen nicht so grosse Butterbrote geschmiert.«

      Dann machten wir uns trotzdem mit ungeschwächten Kräften über die Kücken und das Kirschenkompott her. Als wir nun alles bewältigt hatten und eben wieder den sauren Aal mit Blicken liebevoller Teilnahme ins Auge fassten, öffnete sich die Thür zum zweiten Male, und der Mond ging auf, oder war es gar die Sonne? Denn diesmal war es nicht Stina, die eintrat, sondern Mamsell Kallmorgen, eine ältliche ungemein runde Dame, die aussah, als hätte Wilhelm Busch sie ganz und gar mit dem Zirkel konstruiert. Ein so rundes, glänzendes Gesicht gab es sonst nur noch beim Vollmond, und von Wohlwollen strahlte es wie die Sonne. Alles war rund an dieser alten Mamsell, die kleinen Äuglein, die winzige Nase zwischen zwei rosigen Plusterbacken und die drei Unterkinne, die den Übergang zum Körper vermittelten, und dieser selbst, der sich aus lauter Kugeln zusammensetzte. Nur der Mund machte eine Ausnahme, er war ein wenig in die Breite gezogen, was natürlich zu dem wohlwollenden Ausdruck dieses Antlitzes beitrug, denn Leute mit einem kleinen runden Munde sind selten oder nie gutmütig. Aus den Kugelpuffen ihrer Ärmel kamen schneeweisse stattliche Arme hervor mit ausgepolsterten Händen, an denen Finger sassen wie fünf rosige Knackwürste. An den Knöcheln waren sie mit Grübchen geziert. Auf diesen Händen trug sie eine Schüssel mit zusammengerollten Eierkuchen, die mit Fruchtgelee gefüllt waren. Diese setzte sie vor uns hin und sagte: »So, Jungs, nu esst man düchtig, das is das beste Mittel, dass euch das kalte Wasser nichts schad‘t. Ihr müsst ‚ne ornliche Wärmnis in die Maag kriegen. Wo ich früher mal eins in Konditschon war, bei Herrn Barner in Plüschow an den Koblankschen See, da hatten wir auch so ‚n Jung, war schon konfermiert, aber was nutzt Gotts Wort bei so ‚n Slacks, wenn er seine dummen Streich‘ machen will? Das war ja nu in die Weihnachtsferien, un da läuft er ja nu Schlittschuh auf den Koblankschen See, un das Eis is ‚n Fuss dick. Was hilft das aber bei so ‚n Jung? Da is doch einerwo mal so ne‘Stell‘, wo ne Waak gewesen is, wo sich die wilden Enten das Wässer offen gehalten haben, oder wo ‚ne warme Quell‘ anne Grund is, mal eben so bischen eine Nacht übergefroren, un natürlich da muss er ja hin, anners is er nich glücklich. Je natürlich, un denn bricht er ein in das eiskalte Wasser bis über den Kopf – ich muss mir schon gräsen, wenn ich da bloss an denk‘. Je, er hat sich ja nu allein wieder ‚rausgeampelt un is nach Haus gelaufen den weiten Weg, un war dreizehn Grad kalt. Un war natürlich ganz verklamt, un als sie ihn seine Büxen ausgezogen hatten, da konnten die allein stehen, so steif waren sie. Un stachen ihm ins Bett und gaben ihm heissen Thee. Aber, was die Hauptsach‘ war, wir hatten Entenbraten an den Tag, un da hat er in ‚s Bett ‚ne ganze СКАЧАТЬ