Lebens-Ansichten des Katers Murr / Житейские воззрения кота Мурра. Эрнст Гофман
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Читать онлайн книгу Lebens-Ansichten des Katers Murr / Житейские воззрения кота Мурра - Эрнст Гофман страница 29

СКАЧАТЬ Welt mehr seine Sinne aufschließen zu können schien. – Lange Zeit hindurch drang der Alte vergebens in den Jüngling, daß er ihm die Ursache seines geheimen Kummers entdecken möge; endlich kam es heraus, daß er bis zum Tode verliebt war in des Präsidenten einzige Tochter. Anfangs erschrak der Alte, der mit seinem Töchterlein ganz andere Dinge im Sinne haben mochte, als sie an den rang- und amtlosen Formosus zu verheiraten, als er aber den armen Jüngling immer mehr und mehr hinwelken sah, ermannte er sich und fragte Ulriken, wie ihr der junge Formosus gefalle, und ob er ihr schon etwas von seiner Liebe gesagt? – Ulrike schlug die Augen nieder, und meinte, erklärt habe sich der junge Formosus zwar gar nicht gegen sie, aus lauter Zurückhaltung und Bescheidenheit, aber gemerkt habe sie wohl längst, daß er sie liebe, denn so was sei wohl zu bemerken. Übrigens gefalle ihr der junge Formosus recht wohl, und wenn sonst dem nichts im Wege stände, und wenn der Herzenspapa nichts dagegen habe, und – kurz, Ulrike sagte alles, was Mädchen bei derlei Gelegenheit zu sagen pflegen, die nicht mehr in der ersten vollsten Blüte stehen, und fleißig denken: ›Wer wird der sein, der dich heimführt?‹ – Darauf sprach der Präsident zum Formosus: ›Richte dein Haupt auf, mein Junge! – Sei froh und glücklich, du sollst sie haben, meine Ulrike!‹ und so wurde Ulrike die Braut des jungen Herrn Formosus. Alle Welt gönnte dem hübschen bescheidenen Jüngling sein Glück, nur einer geriet darüber in Gram und Verzweiflung, und das war Walter, mit dem Formosus ein Herz und eine Seele aufgewachsen. Walter hatte Ulriken einigemal gesehen, auch wohl gesprochen, und sich in sie verliebt, vielleicht noch viel ärger, als Formosus! – Doch ich rede immer von Liebe und verliebt sein, und weiß nicht, ob du, mein Kater, schon jemals in Liebe gewesen bist und also dies Gefühl kennst?«  —»Was mich betrifft, lieber Ponto«, erwiderte ich,»glaube ich nicht, daß ich schon geliebt habe oder liebe, da ich mir bewußt bin, noch nicht in den Zustand geraten zu sein, wie ihn mehrere Dichter beschreiben. Den Dichtern ist nicht allemal ganz zu trauen, nach dem was ich aber sonst darüber weiß und gelesen habe, muß die Liebe eigentlich nichts anders sein, als ein psychischer Krankheitszustand, der sich bei dem menschlichen Geschlecht als partieller Wahnsinn darin offenbart, daß man irgendeinen Gegenstand für etwas ganz anders hält, als was er eigentlich ist, z. B. ein kleines dickes Ding von Mädchen, welche Strümpfe stopft, für eine Göttin. Doch fahre nur fort, geliebter Pudel, in deiner Erzählung von den beiden Freunden Formosus und Walter.«—

      «Walter«, so sprach Ponto weiter,»stürzte dem Formosus an den Hals und sprach unter vielen Tränen: ›Du raubst mir das Glück meines Lebens, aber daß Du es bist, daß Du glücklich wirst, das ist mein Trost, lebe wohl, mein Geliebter, lebe wohl auf ewig!‹ – Darauf lief Walter in den Busch, wo er am dicksten war, und wollte sich totschießen. Es unterblieb aber, weil er in der Verzweiflung vergessen hatte, das Pistol zu laden, er begnügte sich daher mit einigen Ausbrüchen des Wahnsinnes, die jeden Tag wiederkehrten. Eines Tages trat Formosus, den er in vielen Wochen nicht gesehen, ganz unvermutet zu ihm herein, als er eben vor Ulrikens Pastellgemälde, das unter Glas und Rahmen an der Wand hing, auf den Knien lag und gräßlich lamentierte. – ›Nein‹, rief Formosus, indem er den Walter an seine Brust drückte, ›ich konnte Deinen Schmerz, Deine Verzweiflung nicht ertragen, Dir opfere ich gern mein Glück. – Ich habe Ulriken entsagt, ich habe den alten Vater dahin gebracht, daß er Dich zum Eidam annimmt. – Ulrike liebt Dich, vielleicht ohne es selbst zu wissen. – Bewirb Dich um sie, ich scheide. – Lebe wohl!‹ – Er wollte fort, Walter hielt ihn fest. Es war diesem, als läge er im Traum, er glaubte an alles nicht früher, als bis Formosus ein eigenhändiges Billett des alten Präsidenten hervorzog, worin es ungefähr hieß: ›Edler Jüngling! Du hast gesiegt, ungern lasse ich Dich, aber ich ehre Deine Freundschaft, die dem Heroismus gleicht, von welchem man in den alten Skribenten lieset. Mag Herr Walter, der ein Mann ist von löblichen Eigenschaften und ein schönes einträgliches Amt hat, sich um meine Tochter Ulrike bewerben; will sie ihn ehelichen, so habe ich meinerseits nichts dagegen.‹ – Formosus verreiste wirklich, Walter bewarb sich um Ulriken, Ulrike wurde wirklich Walters Frau. – Der alte Präsident schrieb nun nochmals an Formosus, überhäufte ihn mit Lobsprüchen und fragte, ob es ihm vielleicht Vergnügen machen würde, nicht etwa als Entschädigung, denn er wisse wohl, daß es in solchem Fall keine gebe, sondern nur als ein geringes Zeichen seiner innigen Zuneigung dreitausend Taler anzunehmen. Formosus antwortete, der Alte kenne die Geringfügigkeit seiner Bedürfnisse, Geld mache, könne ihn nicht glücklich machen, und nur die Zeit ihn trösten über einen Verlust, an dem niemand schuld sei als das Schicksal, welches in der Brust des teuren Freundes die Liebe zu Ulriken entzündet, und nur dem Schicksal sei er gewichen, von irgendeiner edlen Tat daher gar nicht die Rede. Übrigens nehme er das Geschenk unter der Bedingung, daß der Alte es einer armen Witwe, die da und da mit einer tugendhaften Tochter in trostlosem Elende lebe, zuwende. Die Witwe wurde ausfindig gemacht und erhielt die dem Formosus zugedachten dreitausend Reichstaler. Bald darauf schrieb Walter dem Formosus: ›Ich kann nicht mehr leben ohne Dich, kehre zurück in meine Arme!‹ – Formosus tat es und erfuhr, als er gekommen, daß Walter seinen schönen einträglichen Posten aufgegeben, unter der Bedingung, daß Formosus, der sich längst einen ähnlichen gewünscht, ihn erhalte. Formosus erhielt den Posten wirklich und geriet, rechnete man die getäuschte Hoffnung rücksichts der Heirat mit Ulriken ab, in die behaglichste Lage. Stadt und Land erstaunte über den Wettstreit des Edelmuts beider Freunde, ihre Tat wurde als Nachklang aus einer längst vergangenen schöneren Zeit vernommen, als Beispiel aufgestellt eines Heroismus, dessen nur hohe Geister fähig.«

      «In der Tat«, begann ich, als Ponto schwieg,»nach allem, was ich gelesen, müssen Walter und Formosus edle kräftige Menschen sein, die in treuer Aufopferung für einander nichts von deiner gerühmten Weltklugheit wissen.«

      «Hm«, erwiderte Ponto hämisch lächelnd,»es kommt darauf an! – Ein paar Umstände, von denen die Stadt keine Notiz genommen, und die ich zum Teil von meinem Herrn erfahren, teils selbst belauscht habe, sind noch nachzuholen. – Mit der Liebe des Herrn Formosus zu der reichen Präsidententochter muß es doch nicht so arg gewesen sein, wie der Alte glaubte, denn im höchsten Stadium dieser tötenden Leidenschaft unterließ der junge Mann nicht, nachdem er den Tag über verzweifelt, jeden Abend eine hübsche niedliche Putzmacherin zu besuchen. Als Ulrike nun aber seine Braut worden, fand er bald, daß das engelsmilde Fräulein das eigne Talent besaß, sich bei schicklicher Gelegenheit plötzlich in einen kleinen Satan zu verwandeln. Außerdem kam ihm aus sicherer Quelle die verdrießliche Nachricht zu, daß Fräulein Ulrike in der Residenz, was Liebe und Liebesglück betrifft, ganz besondere Erfahrungen gemacht, und nun ergriff ihn plötzlich ein unwiderstehlicher Edelmut, vermöge dessen er die reiche Braut dem Freunde abtrat. Walter hatte sich in seltsamer Verwirrung in Ulriken, die er an öffentlichen Orten im höchsten Glanz aller Toilettenkünste gesehen, wirklich verliebt, und Ulriken ihrerseits war es ziemlich einerlei, wer von beiden sich ihr als Gemahl anheftete, Formosus oder Walter. Dieser hatte auch wirklich ein schönes einträgliches Amt, bei dessen Verwaltung aber solche krause Streiche gemacht, daß er der Entsetzung binnen weniger Zeit entgegensehen mußte. Er zog es vor, früher zugunsten seines Freundes den Abschied zu nehmen und so durch einen Akt, der alle Kennzeichen der edelsten Gesinnung trug, seine Ehre zu retten. Die dreitausend Taler wurden in guten Papieren einer alten, sehr anständigen Frau eingehändigt, die zuweilen die Mutter, zuweilen die Muhme, zuweilen die Aufwärterin jener hübschen Putzmacherin vorstellte. Bei diesem Geschäft erschien sie in doppelter Gestalt. Erst bei dem Empfang des Geldes als Mutter, dann, als sie das Geld überbrachte und einen guten Tragelohn empfing, als Aufwärterin des Mädchens, die du kennst, lieber Murr, da sie eben erst mit dem Herrn Formosus zum Fenster hinausschaute. – Übrigens wissen beide, Formosus und Walter längst, auf welche Weise sie sich in edelmütiger Gesinnung überboten, sie haben sich, um wechselseitigen Lobeserhebungen auszuweichen, lange vermieden, und deshalb waren ihre heutigen Begrüßungen, als der Zufall sie auf der Straße zusammenführte, so herzlich.«—

      In dem Augenblick entstand ein fürchterlicher Lärm. Die Menschen liefen durcheinander, schrien:»Feuer! – Feuer!«Reiter sprengten durch die Straßen – Wagen rasselten. – Aus den Fenstern eines Hauses, unfern von uns, strömten Rauchwolken und Flammen. – Ponto sprang СКАЧАТЬ