Handbuch des Strafrechts. Bernd Heinrich
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Название: Handbuch des Strafrechts

Автор: Bernd Heinrich

Издательство: Bookwire

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isbn: 9783811456655

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СКАЧАТЬ im Arztstrafrecht möglich. Bei bewusstem Eingehen eines hohen Risikos durch einen Arzt, dem hierbei erhebliche Sorgfaltspflichtverletzungen unterlaufen, kann ein richterlicher Schluss, dass beim Arzt dolus eventualis vorlag, durchaus naheliegend sein.[1157]

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      Auf ein gegenläufiges Indiz weisen Lindemann/Wostry[1158] zurecht hin, nämlich die Etablierung organisatorischer Strukturen zur Schadensvermeidung und deren jedenfalls grundsätzliche Einhaltung durch den Arzt. Dies gibt im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung Anlass, dieser gegen die Annahme von dolus eventualis sprechenden Gegenanzeige nachzuspüren: Hält sich der Arzt nämlich weitgehend an diese auf Vermeidung haftungsrechtlicher Folgen abzielenden (Compliance-)Vorgaben, so liegt es nahe anzunehmen, dass sein Verhalten darauf abzielte, einen patientenschädlichen Erfolg zu vermeiden. Entsprechendes gilt bei Befolgen des „Behandlungsprogramms“, das in einer aktuellen Leitlinie dokumentiert ist. Entsprechen diese Vorgaben dem anerkannten ärztlichen Standard, so kann ein diese Vorgaben grundsätzlich befolgender Arzt auch bei riskantem Verhalten, das die Grenzen des vom Facharztstandards umrissenen erlaubten und in den genannten Vorgaben korrekt umschriebenen, Risikos – von ihm auch erkannt – partiell überschreitet, durchaus berechtigt auf das Ausbleiben der Patientenschädigung vertraut und damit unvorsätzlich gehandelt haben.

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      Umgekehrt liegt die Annahme einer für die Annahme des dolus eventualis von der Rechtsprechung geforderten „Billigung des Erfolges“ beweisrechtlich nahe,[1159] wenn der Täter sein Vorhaben trotz äußerster Gefährlichkeit durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, oder er es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht.[1160] Bei derart tatsachenfundierter Gefahreneinschätzung[1161] vermag auch die vage Hoffnung, jene Gefahr würde sich wider Erwarten nicht verwirklichen, alles würde schon „gut gehen“, den dolus eventualis nicht auszuschließen; mit anderen Worten: Was einem die Vernunft sagt, kann nicht durch bloßes Gottvertrauen verdrängt werden.[1162] Es ist aber insoweit stets eine tatrichterliche Gesamtabwägung unter Einbeziehung der Handlungsziele des Täters erforderlich.[1163] Kann im Einzelfall dann ausnahmsweise einmal bedingter Tötungsvorsatz festgestellt werden, so liegt im Übrigen auch eine Prüfung von Mordmerkmalen nahe.[1164]

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      Im Gegensatz zu den sicherlich selten Ärzten zur Last zu legenden vorsätzlichen Tötungsdelikten[1165] (durch Unterlassen) dürften in der Praxis hingegen Fallgestaltungen durchaus anzutreffen sein, die zu einer zumindest billigend in Kauf genommenen Körperverletzung des Patienten führen. Zu denken ist insoweit namentlich an den Bereich einer möglichen und auch rechtlich gebotenen Schmerzbekämpfung:[1166] Unterlässt der behandelnde Arzt die gebotenen Maßnahmen zur Schmerzlinderung, so verwirklicht er durch sein Untätigbleiben den Tatbestand einer vorsätzlichen Körperverletzung durch Unterlassen (§§ 223, 13 StGB).[1167] Paradigmatisch ist insoweit ein von Ulsenheimer/Gaede mitgeteilter (hier abgekürzter) Sachverhalt anzuführen,[1168] bei dem ein Strafverfahren wegen vorsätzlicher Köperverletzung durch Unterlassen letztendlich[1169] mit einer Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO beendet wurde: Ein Gynäkologe hatte bei einer Saugkürettage trotz entsprechender Hinweise der Patientin eine zu geringe Anästhesie-Dosis eingesetzt, so dass sie nicht unerhebliche Schmerzen zu ertragen hatte. Eher selten dürften hingegen Fallgestaltungen sein, in denen ein Arzt die von ihm begonnene Operation unterbricht, um einen Fernreise-Flug zu erreichen, woraufhin seine Patientin ungefähr eine Stunde stark blutend und anästhesiert im Operationssaal lag, bis ein anderer Arzt den Eingriff zu Ende führen konnte.[1170] Für die Annahme des ärztlichen Erfolgsvorsatzes genügt es sowohl bei einem vollendeten als auch bei einem versuchten Unterlassungsdelikt,[1171] dass der Täter den Erfolgseintritt für möglich hält; ein Täterbewusstsein, dass bei seinem fiktiven Handeln eine Erfolgsvermeidung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einträte, ist hingegen nicht erforderlich.[1172]

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      Ist hingegen eine Einwilligung des Patienten in den Heileingriff infolge fehlender oder mangelhafter Aufklärung unwirksam, so liegt nach ständiger Rechtsprechung und einem Teil der Lehre eine tatbestandsmäßige vorsätzliche Körperverletzung i.S.v. § 223 StGB vor.[1173] Ist hiermit dann eine schwere Folge (also eine gravierende Gesundheitsbeschädigung oder gar der Tod des Patienten) verbunden, so kommt ärztliche Strafbarkeit nach §§ 226, 227 StGB in Betracht. Bei diesen erfolgsqualifizierten Delikten würde dann gemäß § 18 StGB bereits einfache Fahrlässigkeit[1174] hinsichtlich einer dem Arzt unerwünschten Folge der Heilbehandlung zur erhöhten Strafbarkeit führen.[1175]

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      Gemäß der Neuregelung[1176] von § 630c Abs. 2 S. 2 BGB[1177] hat der Behandelnde seinen Patienten auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren über erkennbare Umstände zu informieren, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen könnten.[1178] Das Patientenrechtegesetz[1179] brachte zusätzlich mit § 630c Abs. 2 S. 3 BGB eine gesetzliche Regelung hinsichtlich der Verwendbarkeit dieser durch § 630c Abs. 2 S. 2 BGB vom Behandelnden geforderten Patienteninformation im Rahmen eines Straf- oder Bußgeldverfahrens mitsich.[1180] Diese Normierung ist allerdings nicht sonderlich geglückt.[1181] Insoweit ist weniger zu beklagen, dass eine strafprozessuale Frage im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt wird.[1182] In unserer Rechtsordnung lassen sich einige Regelungen außerhalb der Strafprozessordnung finden, in denen Informationspflichten statuiert werden, die sogleich in diesem Gesetz von einem Beweisverwendungs- oder Beweisverwertungsverbot flankiert werden.[1183]

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      Problematisch ist allerdings, dass die Reichweite dieser Vorschrift in mehrerlei Hinsicht unklar bleibt. Als gesichert kann nur gelten, dass die durch den Behandelnden gegebenen Informationen als solche jedenfalls nicht direkt als Urteilsgrundlage in einem Straf- oder Bußgeldverfahren herangezogen werden dürfen.[1184] Auch ist es unzulässig, sie durch die Vernehmung des Patienten (oder des Krankenhauspersonals) als Zeugen in die Verhandlung einzuführen.[1185] Fraglich ist jedoch, ob § 630c Abs. 2 S. 3 BGB darüber hinaus zunächst eine „Vorwirkung“ dahin entfaltet, dass die vom Behandelnden erteilten Informationen auch nicht als Ansatz für weitere Ermittlungen verwendet werden dürfen.[1186] Ferner ist problematisch, ob der Vorschrift eine „Fernwirkung“ zukommt,[1187] ob also Umstände, die aufgrund der ärztlichen Mitteilung erst ermittelt werden konnten, zur Urteilsgrundlage werden dürfen. Klärungsbedürftig ist schließlich auch, ob und ggf. inwieweit das Verwertungsverbot über den Bereich des Straf- und Bußgeldrechts hinaus Wirkungen entfaltet.

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      Nimmt man diese in den Blick, so fällt ins Auge, dass § 630c Abs. 2 S. 3 BGB davon spricht, dass „die Information nach Satz 2“ nicht „verwendet“ werden darf. Diese weite – über ein bloßes Beweisverwertungsverbot hinausgehende – Formulierung wird freilich durch die Einschränkung „zu Beweiszwecken“ СКАЧАТЬ