Handbuch des Strafrechts. Bernd Heinrich
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Название: Handbuch des Strafrechts

Автор: Bernd Heinrich

Издательство: Bookwire

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isbn: 9783811456655

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СКАЧАТЬ zu bewahren oder herzustellen, in dem der Täter fähig ist, diese Pflichten zu erfüllen. Eine Herleitung dieser Sorgfaltspflichten aus den Verbotsvorschriften selbst (vorliegend also aus den §§ 222, 229 StGB) ist möglich, nämlich unter dem Aspekt einer Effektuierung dieser Vorschriften.[884] Der Annahme derartiger Verhaltenspflichten im Vorfeld einer Erfolgsbewirkung steht nicht entgegen, dass Strafvorschriften verhaltensleitend wirken sollen: So entfalten im Falle der Übernahmefahrlässigkeit (bspw. bei Durchführung einer Operation ohne hinreichende Voruntersuchung des Patienten oder Übernahme einer Behandlung, der der Täter mangels Sachkunde[885] oder sächlicher Ausstattung nicht gewachsen ist[886]) die §§ 222, 229 StGB in der Krise der „eigentlichen“ Tathandlung (also im Beispiel: bei Durchführung der Operation) für den Täter mangels persönlicher Fähigkeit zur Normbefolgung keine Güter des Patienten schützenden Verhaltensrichtlinien. Diese Vorgaben waren dem Täter im Vorfeld als Gebot zur Gefahrenminimierung[887] auferlegt („Du musst Deinen Patienten hinreichend untersuchen, wenn Du ihn morgen einer Operation unterziehen willst“). Der prospektive Täter steht also durch die pauschale Strafandrohung der §§ 222, 229 StGB bereits im Vorfeld der unmittelbaren Güterbedrohung in der (erst bei nachfolgendem Eintritt eines rechtlich missbilligten Erfolges relevanten) Pflicht, bei konkreten Anzeichen dafür, dass sein Verhalten Leib oder Leben des Patienten gefährden könnte, hinreichende Maßnahmen hiergegen zu treffen, also bspw. die Operation nicht oder nur nach hinreichender Diagnostik durchzuführen.[888] Eine derartige wie auch sonst beim Fahrlässigkeitsdelikt aus der Vorhersehbarkeit schadensträchtiger Kausalverläufe herzuleitende Verhaltensanleitung kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Freiheitsschutzes als zu unbestimmt eingestuft werden.[889]

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      Eine das Ziel der Schadensvermeidung verfehlende Organisation des eigenen Kompetenz- und Wirkungsbereiches vermag mithin auch im Bereich ärztlichen Handelns eine Zuschreibung strafrechtlicher Verantwortlichkeit nach sich zu ziehen.[890] Zu diesem Verantwortungsbereich zählt auch die Befähigung, sich die Möglichkeit zu normgerechtem Verhalten zu erhalten, soweit eine derartige Verpflichtung nicht unzumutbar in die allgemeine Handlungsfreiheit des Täters eingreift.[891] Hiervon kann bei erkennbar schadensträchtigem Verhalten (wie bspw. der Übernahme einer ärztlichen Behandlung ohne hinreichende Fortbildung[892] oder genügende sächliche Ausstattung) aber keine Rede sein. Bei der Übernahmefahrlässigkeit sind zur Ermittlung der unerlaubten Risikoschaffung die Güterschutzinteressen potentieller Opfer mit den Freiheitsinteressen potentieller Täter abzuwägen: Je weiter entfernt von der eigentlichen krisenhaften Zuspitzung das zu beurteilende Verhalten angesiedelt ist, je mehr an Ausweichmöglichkeiten dem Täter noch zur Verfügung stehen, desto weniger können für ihn entsprechende Vermeidungspflichten angenommen werden, und umgekehrt.[893] Mit zunehmendem zeitlichen Abstand zwischen unmittelbar ursächlicher Tathandlung und einem unsorgfältigen Verhalten vorab muss die Frage unerlaubter Risikoschaffung verstärkte Prüfung erfahren.[894] Um wenigstens eine gewisse Bestimmtheit des Handlungsunwerts beim Fahrlässigkeitsdelikt zu gewährleisten, wird man insoweit auf hinreichende Anhaltspunkte für eine Rechtsgutsgefährdung zu bestehen haben. Nur wenn im Sinne von Duttge[895] dem Täter hinreichend Warnsignale in Bezug auf eine dem Standard nicht entsprechende medizinische Behandlung ersichtlich waren, kann man davon sprechen, dass – in den Worten von Binding[896] – die schuldhafte Vergangenheit ihre Schatten in die schuldlose Gegenwart wirft.

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      Zu den Fortbildungsanforderungen an Ärzte siehe Rn. 37.

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      Diese Fahrlässigkeitsstrafbarkeit unter dem Aspekt der Übernahmefahrlässigkeit kann nicht infolge eines Erst-recht-Schlusses dadurch in Zweifel gezogen werden, dass man Fahrlässigkeitsstrafbarkeit erst dann eingreifen lässt, wenn im gedachten Parallelfall vorsätzlichen Handelns der Täter bereits den Bereich des Versuches erreicht hätte.[897] Hierbei spielt es keine Rolle, ob man das Fahrlässigkeitsdelikt als Minus[898] oder unter Betonung der fehlenden bewussten Entscheidung gegen das Rechtsgut als aliud[899] zum Vorsatzdelikt ansieht. Das diesem einschränkenden Ansatz zugrunde liegende argumentum a fortiori als Unterfall eines Analogieschlusses stellt ja keinen Akt logischen Schließens, sondern einen Akt der Wertung dar. Bei der hierbei an der ratio legis auszurichtenden Dezision[900] ist entscheidend darauf abzustellen, ob der Normzweck einer Vorschrift (hier also die zeitliche Eingrenzung des Vorsatzdeliktes durch das unmittelbare Ansetzen im Sinne von § 22 StGB) bei dem nicht geregelten Sachverhalt (hier also die fahrlässigen Erfolgsdelikte, also etwa „Tod verursachen“ im Sinne von § 222 StGB) noch stärker gegeben ist als bei dem geregelten Normtatbestand. Es dürfte insoweit aber bereits an einer verdeckt vorhandenen, also unausgesprochenen gesetzlichen Bewertung fehlen, die eine Gleichbehandlung von vorsätzlicher und fahrlässiger Tatbegehung geboten erscheinen lässt.[901] Entscheidend fällt jedenfalls ins Gewicht, dass beim Vorsatzdelikt als bewusster Auflehnung gegen die Rechtsordnung eine zeitliche Eingrenzung sinnvoll ist: Erst der Versuch erschüttert das Rechtsbewusstsein und gefährdet den Rechtsfrieden durch Betätigung des rechtsfeindlichen Willens.[902] Demgegenüber kann beim Fahrlässigkeitsdelikt die gütergefährdende Sorgfaltspflichtverletzung auch erhebliche Zeit vor der unmittelbaren Tathandlung liegen: Beim fahrlässigen Erfolgsdelikt können fahrlässiges Verhalten und Erfolg zeitlich auseinander fallen. Die Rechtsfriedensstörung, auf die strafrechtlich zu reagieren ist, tritt dann erst durch den bewirkten und sichtbaren äußeren Deliktserfolg ein. Der Aktunwert ist zwar nicht notwendigerweise, aber eben doch möglicherweise zeitlich vom Erfolg separiert aufzufinden und stellt damit mangels konkreter Gütergefährdung noch gar keine bedeutsame, sichtbare Friedensstörung dar. Die mit generalpräventiven Erwägungen zu begründende Strafwürdigkeit fahrlässiger Erfolgsdelikte kommt, will man nicht ihren Bezugspunkt einer Abwehr von unsorgfältigen, gütergefährdenden Verhaltensweisen aufgeben, nicht umhin, Güterverletzung und Vorab-Sorgfaltswidrigkeit als erst gemeinsam friedensstörende Momente zu einer Sinneinheit zusammenzuziehen und die Notwendigkeit einer Sanktionierung damit auch an eine Verhaltensweise anzuknüpfen, die – isoliert betrachtet – noch keine bzw. allenfalls eine latente Friedensstörung darstellt. Hierin liegt ein erheblicher Unterschied zur vorsätzlichen Deliktsverwirklichung.[903]

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      Ist ein Berufsanfänger nicht in der Lage, bei Durchführung der Operation den gebotenen Standard eines Facharztes zu gewährleisten,[905] so kommt für den Berufsanfänger selbst eine Fahrlässigkeitsverantwortlichkeit wegen fahrlässiger Tätigkeitsübernahme in Betracht. Hat er erkannt oder hätte er erkennen können, dass er zu dem ihm übertragenen Eingriff nicht befähigt ist, so hat er ihn von vornherein zu unterlassen. Zwar ist an einen Arzt in der Ausbildung bzw. Berufsanfänger nicht der Sorgfaltsmaßstab anzulegen wie an einen fertig ausgebildeten oder erfahrenen Arzt; mit den Worten des 6. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes:[906] „Maßstab für die an einen in der Ausbildung befindlichen Assistenzarzt zu stellenden Sorgfaltsanforderungen, d.h. … für die Überlegungen, die der … (Berufsanfänger) im Hinblick auf die Gefährdung der Patientin anzustellen und wie er sich danach zu verhalten hatte, kann nicht der medizinische Wissens- und Erfahrungsstand eines fertigen, in der Praxis geübten Facharztes sein. … (Ihm) kann nur dann ein Vorwurf daraus gemacht werden, daß er sich weisungsgemäß auf die selbständige Operation eingelassen hat, wenn er nach den bei ihm vorauszusetzenden Kenntnissen und Erfahrungen dagegen Bedenken hätte haben und eine Gefährdung der Patientin hätte voraussehen СКАЧАТЬ