WOLLUST ACH - Uwe, der Student. Gerhard Ebert
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Название: WOLLUST ACH - Uwe, der Student

Автор: Gerhard Ebert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783738031256

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СКАЧАТЬ und schienen alsbald auf fröhlicher Kaffeefahrt zu sein. Keine Einstimmung auf den verhängnisvollen Ort vor ihnen, sondern Blödelei da, Hänselei dort. Uwe sonderte sich ab. So viel Teilnahmslosigkeit konnte er nicht fassen. Hatten die Menschen, die dort oben auf dem Berg grausam umgekommen waren, nicht verdient, dass man sich ihnen ruhig und würdig näherte und so ihr Opfer irgendwie heiligte?

      Als die Studenten schließlich einzeln oder in Gruppe durch das eiserne Lagertor schritten, das den Passanten noch immer absurd mit der Inschrift „Jedem das Seine“ empfing, wurden sie denn doch still. Der Ort ungeheuerlicher deutscher Verbrechen ergriff jetzt alle Sinne. Unschlüssig blieb das Häuflein junger Leute zunächst am Tor stehen. Es sollte eine Führung stattfinden.

      Alsbald kam ein alter, ergrauter Herr heran, musterte die Ankömmlinge aufmerksam und grüßte mit brüchiger Stimme. Er schien ein ehemaliger Häftling gewesen zu sein; denn seine Schilderungen, die er nun gab, beeindruckten durch Sachkunde, aber auch durch einen wehmütigen Sprachton, der emotional berührte. Zunächst verharrten sie am Torgebäude, in dem sich Arrestzellen befanden und in dem Häftlinge gefoltert und auch ermordet worden waren.

      Dann gingen sie zum 15000 qm großen Appellplatz, von dem aus noch Reste von Wachtürmen und vom hohen Stacheldrahtzaun zu sehen waren. Wenn man ins Lager verbracht wurde, erfuhren die Studenten, genoss man sogenannte „Schutzhaft“ - ein Begriff, der besonders abscheulich verschleierte, worum es eigentlich gegangen war, nämlich um Mord. Über 50000 Menschen, Juden, Christen, Kommunisten, Sozialdemokraten, kriegsgefangene Russen, waren im Lager auf unterschiedliche Weise umgebracht worden, zum Beispiel im Keller des Krematoriums, wo sie an eigens installierten Wandhaken hingerichtet wurden, um dann nebenan in den Verbrennungsöfen der Erfurter Firma „Topf- und Söhne“ verbrannt zu werden. Stumm standen die Studenten vor diesen Öfen, von Empfindungen ergriffen, die sich nicht beschreiben lassen. Geradezu verzweifelt, gleichsam als geistigen Schutz, als ob sich das Grauen damit fern halten ließe, wiederholte Uwe in Gedanken unablässig den Schwur: Nie wieder Faschismus! Nie wieder! Von den anderen unbemerkt, aber sehr bewusst, verneigte er sich dann am Eingang des Ofenraums an der Stelle, an der am 18. August 1944 auf Befehl Hitlers der KPD-Vorsitzende und Reichstagsabgeordnete Ernst Thälmann erschossen worden war.

      „Machen Sie sich keine Illusionen, Genossen“, sagte der Alte auf einmal mit merklich gehobener Stimme, „die Mörder sind unter uns! Der Mörder von Thälmann lebt unbehelligt in Westdeutschland. Jetzt hier lang.“

      Genug der Einzelheiten, genug des Grauens! Uwe drängte es an die frische Luft, hinweg von diesem Ort unfassbarer deutscher Verbrechen. Mit einem scheuen „Danke“ zu dem alten tapferen Mann ergriff er die Flucht. Andere folgten ihm. Und obwohl sie das perverse Haupttor schon lange hinter sich gelassen hatten, kam lockere, gelöste Stimmung unter den Kommilitonen nicht auf. Irgendwie lief jeder für sich, musste jeder erst einmal für sich mit dem ins Reine zu kommen versuchen, was sie da an unbeschreiblichen Eindrücken in sich hatten aufnehmen müssen. Erst als sie wieder im Bus saßen, der sie zurück nach Weimar brachte, löste sich die entsetzliche Spannung und schlug in einen Gegensatz um - in den Willen, die Eindrücke möglichst bald abzuschütteln, ja zu vergessen.

      Noch hatten sie Weimar nicht erreicht, war schon ein Termin ausgemacht, nämlich der Besuch des schwedischen Films „Sie tanzte nur einen Sommer“. In der Nachmittagsvorstellung würde man wahrscheinlich noch Plätze bekommen. Auch Uwe hatte den Film natürlich schon gesehen, aber diese erregende Liebesgeschichte konnte man sich zweifellos mehr als einmal ansehen. Im Moment war sie bestens dafür geeignet, sich nach Buchenwald wieder dem Leben zuzuwenden.

      Zunächst also zum Kino, um Karten zu kaufen. Mehr oder weniger zufällig hatte sich ergeben, dass sich dem „Ratstannen-Kollektiv“ Heinrich, Erich und Uwe drei Kommilitoninnen angeschlossen hatten: Marie-Luise, Gabriele und Gudrun. Die drei entpuppten sich als glühende Verteidigerinnen der Nacktszene des heiß diskutierten Films. Ein guter Grund mehr für die drei Männer, ihre Angel auszuwerfen.

      Nach einem kurzen Imbiss in der Nähe des Kinos und einem Thüringer Bier zogen die drei Paare los. Wofür man sie hätte halten können, was sie aber natürlich nicht waren. Doch Tendenzen zeichneten sich ab. Heinrich, der stürmische Gefühlsmensch, hatte sich a priori für die kräftige, mitunter drastisch direkte Marie-Luise entschieden. Erich, der kleine erotische Angeber, machte der in der Regel Sittsamkeit demonstrierenden Gabriele versteckte Avancen. Und Uwe, der Ahnungslose, begriff, dass er, wollte er überhaupt irgendwelche Chancen haben, Gudrun zumindest ein gewisses Interesse signalisieren musste. Dergestalt in gewisser Weise vorsortiert saßen die sechs denn auch im Kino. Wo der Film allerdings die eine oder andere stattgehabte leise Annäherung erst einmal wieder vergessen machte.

      Beim ersten Besuch des Films hatte Uwe an sich halten müssen; denn bei der ungewöhnlichen Nacktszene war sein Glied unruhig geworden. Da er sich inzwischen für erwachsen gehalten hatte, was ja nun wirklich stimmte, hatte er sich verkniffen, dem Unabhängigen auch nur die geringste Chance einzuräumen. Im dunklen Kino hätte gemäße Behandlung während der Szene durchaus mächtigen Lustgewinn bedeuten können, aber er hatte widerstanden.

      Nun beim zweiten Besuch des Films konzentrierte sich Uwe von vorn herein darauf, möglichst keine Einzelheit der Szene zu verpassen. Und als sich die wunderschöne nackte Kerstin ihrem Geliebten, dem ebenfalls nackten Göran, zum Kusse näherte, wäre ihm beinahe ein tiefer Seufzer entschlüpft. Irgendetwas in der Richtung musste ungewollt sogar passiert sein, denn Gudrun neben ihm schaute überrascht her. Und ihr Blick, so empfand Uwe, schien verständnisinnig.

      Nach der Vorstellung war ihnen schnell klar: Das Gesehene musste ausgewertet werden! Ein, zwei Bier und bisschen Wodka mussten jetzt drin sein! Auch ohne Alkohol schon ziemlich aufgekratzt zogen sie denn los und fanden sich alsbald in einer gemütlichen Kneipe wieder an einem Tisch für sechs Personen.

      Noch bevor sie etwas getrunken hatten, begann Heinrich, der Gefühlsmensch, zu schwärmen. Ihn hatte der Film an seine Freundin erinnert und daran, dass man in unmittelbarer Nähe seines Heimatdorfes in kleinen, klaren Weihern nicht nur erfrischend baden, sondern auch einer Freundin nahe kommen konnte. Marie-Luise giftete. Was er in Mecklenburgischen Weihern treibe, gehöre jetzt nicht hier her. Sie fand es kühn und gut, dass die Schweden nicht prüde gewesen waren, dass sie sich hier Naturalismus geleistet hatten. Nach einigem Für und Wider wurden sie sich jedoch einig, dass es sich nicht um Naturalismus gehandelt habe; denn dann hätte auch gezeigt werden müssen, wie es die beiden im flachen Wasser treiben. Das aber sei von den Filmemachern der Phantasie des Zuschauers überlassen worden. Also handelte es sich um Realismus!

      Inzwischen waren die sechs bei der zweiten Runde Bier plus Wodka angekommen. Uwe gab ihrer Debatte ein neues Thema. Hatte es diese Kerstin verdient, fragte er, bei einem Motorradunfall ums Leben zu kommen? Da regte sich Gudrun. Leidenschaftlicher als bei ihr vermutet argumentierte sie, dass das ja die Tragödie sei. Deshalb sei man als Zuschauer letztlich so mitgenommen. Nicht wegen der nackten Leiber, sondern wegen dieses unverdienten Schicksals.

      Das war der Moment, in dem Uwe zum ersten Mal richtig auffiel, dass diese Gudrun über einen echt prächtigen Busen verfügte. Jetzt, wo sie sich aufregte, wogte er geradezu einladend auf und ab. Welch Wonne, da mal hin fassen zu dürfen! Uwe hielt an der Kontroverse fest, erzwang sich so Gudruns Aufmerksamkeit. Tragödie hin, Tragödie her, meinte er, für ihn stand fest, dass ein versöhnliches Ende der wunderbaren Liebe dieser Menschen gerechter geworden wäre. Gudrun widersprach heftig. Darum sei es doch gar nicht gegangen, sondern darum, die unlösbaren Klassenwidersprüche aufzuzeigen, nämlich zwischen der vom Pfarrer borniert gehaltenen Landbevölkerung und dem doch schon etwas aufgeklärten Bürgersohn aus der Stadt.

      Nun griff Erich ein, den Kopf gewichtig anhebend und sein Bierglas fester fassend. Das mit den Klassen, meinte er, sei ja eigentlich nur ein Nebeneffekt. Viel ernsthafter müsse geprüft werden, ob das klassische Prinzip Tragödie überhaupt hier in Anwendung gebracht werden könne. Denn in der Antike spiele ja immer irgendwie eine massive Schuld eine Rolle, die dann СКАЧАТЬ