Das Tagebuch der Mademoiselle S.. Wilhelmine Schröder-Devrient
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Название: Das Tagebuch der Mademoiselle S.

Автор: Wilhelmine Schröder-Devrient

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750203334

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СКАЧАТЬ gar keine Rede. Allerlei Gedanken gingen mir im Kopf herum. Ich hörte Marguerite noch einige Zeit herumwirtschaften, sich dann ausziehen und das Nachtkleid anlegen. Ein schwacher Lichtschein durch die spanische Wand zeigte mir eine kleine, kaum einen Stecknadelkopf große Öffnung, und schnell hatte ich eine Haarnadel zur Hand, um das Loch unbemerkt größer zu machen, so daß ich mich im Bett nur etwas hinabzuschieben brauchte, um ganz bequem zu Marguerite hinübersehen zu können. Sie hatte eben das Hemd ausgezogen, um das Nachthemd anzuziehen. Ich sah freilich keinen so schönen Körper wie den meiner Mutter, aber eine kleine, sehr wohlgeformte Brust und geschlossene Schenkel. Ich hatte kaum eine Sekunde Zeit für das Beschauen, denn rasch warf sie das Nachthemd über, setzte eine Haube auf und holte aus ihrem Reisesack ein Buch, mit dem sie sich an einen Tisch gegenüber dem Bett setzte und zu lesen begann.

      Kaum aber hatte sie einige Minuten gelesen, als sie aufstand, die Lampe nahm und auf unsere Seite kam, um nachzusehen, ob wir auch schliefen. Natürlich schloß ich die Augen so fest wie möglich und öffnete sie erst wieder, als ich hörte, daß sich die Erzieherin jenseits der spanischen Wand auf den Stuhl setzte. Gleich war mein Auge wieder an der Öffnung. Marguerite las mit größter Aufmerksamkeit in dem Buch, Sein Inhalt mußte etwas ganz Besonderes sein, denn ihre Wangen röteten sich, ihre Augen glänzten, die Brust hob sich unruhig, und plötzlich ließ sie die rechte Hand unter das Hemd gleiten. Jetzt schien sie noch eifriger, mit noch größerem Vergnügen zu lesen. Allzuviel konnte ich freilich nicht sehen, aber ich reimte mir das heute morgen Gesehene damit zusammen. Nun holte sie aus der Reisetasche ein Paket Wäsche hervor, wickelte es auf und hatte plötzlich ein sonderbares Instrument in der Hand. Ich armes Ding, was wußte ich damals von einem Godemiché!

      Mir quollen vom anstrengenden Sehen fast die Augen aus dem Kopf. Nun nahm Marguerite das Buch wieder in die linke Hand – beim Aufnehmen hatte ich bunte Bilder darin entdeckt, ohne erkennen zu können, was sie darstellten – , das Instrument in die Rechte und vollführte, was ansonsten dem Mann vorbehalten ist. Ihre Augen nahmen einen immer sonderbarer werdenden Glanz an. Den Inhalt des Buchs mit seinen Bildern schien sie verschlingen zu wollen, bis sie das Buch fallen ließ und die Augen schloß. Ihr Körper vollführte ekstatische Bewegungen. Sie kniff die Lippen gewaltsam zusammen, als fürchte sie, sich durch einen Seufzer zu verraten. Der höchste Moment schien gekommen; sie lag regungslos, aber tief atmend auf dem Stuhl. Ich rührte mich immer noch nicht. Endlich packte Marguerite Buch und Instrument sorgfältig ein, kam darauf noch einmal mit der Lampe an unser Bett, um zu sehen, ob wir schliefen, und legte sich dann selbst zur Ruhe mit einem so glücklichen Gesicht, als sei ihr das Höchste widerfahren, das es auf der Welt gibt. Während sie ins Bett stieg, schob auch ich mich zurecht und freute mich, nun eine Gelegenheit für die Lösung all der Rätsel gefunden zu haben, die sich unruhig in meinem kleinen Kopfe tummelten.

      Worauf doch die Menschen in ihrer Triebhaftigkeit verfielen – oder war es sexuelle Not, die sie erfinderisch machte? Einen Phallos nachzuahmen …! Jetzt, nachdem ich die Augen geschlossen hatte und die Bilder der vergangenen Minuten wieder an mir vorüberziehen ließ, erschien mir der Godemiché als Ausbund der Verirrungen, dem das Sinnliche ebenso anhaftete wie die Tragik, die sich vom Menschlichen her dahinter verbarg. So jedenfalls empfand ich damals diesen Akt zunächst, ohne den Vorgang wie heute in Worte fassen zu können. Dann wieder schlich sich ein Gefühl in mein Denken, das tragikomische Akzente hatte. Das Sinnliche, Aufreizende aber überwog. Ich war außer mir und fest entschlossen, Marguerite dazu zu bringen, mir zu beichten, mich aufzuklären, mir zu helfen. Tausend Pläne durchkreuzten meinen Kopf. Wie ich sie ausführte, soll mein zweiter Brief Ihnen sagen. War ich nicht aufrichtig?

      2. Brief

      Marguerite also war meine Hoffnung. Gern wäre ich gleich zu ihr hinübergeeilt, hätte mich zu ihr ins Bett gedrängt, hätte gebeten oder gedroht, bis sie mich vollständig über all die seltsamen, verbotenen und aufregenden Dinge aufgeklärt hätte, die ich heute gesehen hatte; bis sie mich gelehrt, das nachzuahmen, was mich so unbeschreiblich lüstern gemacht hatte. Aber so jung ich war, hatte ich doch bereits denselben Verstand und dieselbe vorsichtige Berechnung, die mich später vor so vielen Unannehmlichkeiten bewahrt haben. – Konnte ich nicht durch irgendeinen Zufall ebenso belauscht werden, wie ich Marguerite und wie ich meine Eltern gesehen hatte? Ich empfand, daß es sich um Unerlaubtes handelte, und wollte ganz sicher sein. Obwohl ich ganz Feuer war, meine Gedanken ausschweiften, und mein Körper prickelte und zuckte, verhielt ich mich ruhig und zwang mich, zu überlegen. Als ich den Plan gefaßt hatte, meinen Onkel aufs Land zu begleiten, weil ich dort Gelegenheit finden würde, mit Marguerite ganz allein und unbelauscht zu sein, schlief ich ein. Es wurde mir nicht schwer, bei meinem Onkel und den Eltern meine Absichten durchzusetzen, und ich erhielt die Erlaubnis, acht Tage auf dem Lande zu verbringen. Das Gut meines Onkels lag nur wenige Meilen von der Stadt entfernt, und nach dem Mittagessen fuhren wir hinaus. Den ganzen Tag über war ich liebenswürdig und zuvorkommend gewesen, und auch Marguerite schien großen Gefallen an mir zu finden. Meine kleine Cousine war mir gleichgültig, und vor meinem Vetter fühlte ich eine unerklärliche Scheu. Da ich sonst keinen jungen Mann kannte, mit dem ich so nah und so unverdächtig hätte zusammenkommen können wie mit ihm, war er mein erster Gedanke gewesen, um über all die Rätsel aufgeklärt zu werden, die mich seit meinem Versteck im Alkoven quälten. Ich war gegen ihn so freundlich und auffordernd wie möglich gewesen, er war mir aber immer scheu ausgewichen. Bleich und mager, hatten seine Augen einen ganz sonderbaren, unsteten und trüben Ausdruck, und wenn ich ihn neckend berührte, schien ihm das unangenehm zu sein. Ich sollte bald den Grund dieser auffallenden Erscheinung kennenlernen, die ich um so weniger begriff, als ich immer gesehen hatte, daß Jünglinge seines Alters sich zur Gesellschaft junger Mädchen hin drängen. Es war gegen acht Uhr abends, als wir auf dem Gut ankamen, hoher Sommer und sehr heiß. Von der Fahrt ermüdet, eilte alles, sich bequemer zu kleiden. Es wurde Tee getrunken, und ganz unbefangen scheinend sorgte ich dafür, daß ich in das Schlafzimmer der Gouvernante gebettet wurde, weil ich vorgab, mich zu fürchten, wenn ich in einem fremden Zimmer allein schlafen solle. Man fand das ganz natürlich. Damit hatte ich meinen Willen durchgesetzt, so daß ich das übrige getrost meiner Schlauheit überlassen konnte. Ich sollte indessen nicht zu Bett kommen, ehe ich nicht noch eine andere Erfahrung gemacht hatte, an die ich aber jetzt beim Niederschreiben nur mit Widerwillen zurückdenke, wenn sie auch damals einen Eindruck ganz anderer Art in mir hervorrief. Nach dem Tee fühlte ich die Notwendigkeit, ein natürliches Bedürfnis zu befriedigen, und die Gouvernante wies mich an den dafür bestimmten Ort.

      Es waren zwei Türen nebeneinander, die beiden Gemächer jedoch nur durch eine Bretterwand getrennt, die von der Hitze so ausgetrocknet war, daß einige der Fugen auseinanderklafften. Eben wollte ich wieder gehen, als ich jemand kommen hörte, der die Tür neben mir aufmachte und sogleich hinter sich verriegelte. Ich hielt mich mäuschenstill, um nicht bemerkt zu werden; ich wollte meinen unbekannten Nachbarn erst wieder fortgehen lassen, ehe ich mich entfernte. Nur aus ganz gewöhnlicher Neugier, ohne alle Nebengedanken, lugte ich durch eine Spalte und sah meinen Vetter, der sich entblößt hatte, aber völlig anders beschäftigt war, als ich erwartet hatte. So wenig mein unreifer Körper eines Vergleichs mit dem meiner Mutter würdig war, so wenig war es der meines Vetters mit meines Vaters Gestalt. Seine matten Augen nahmen nach und nach einen merkwürdigen Glanz an, dann sah ich ihn in Zuckungen geraten, sah seine Lippen beben und ihn endlich vornübersinken. Obgleich ich durch dieses sonderbare Schauspiel über vieles aufgeklärt worden war – namentlich reimte ich mir nun alles zusammen, was meine Eltern in ekstatischem Überschwang gesprochen hatten – , so war mir doch das, was ich hatte sehen müssen, unbeschreiblich widerwärtig – nicht während seines Verlaufs, denn da waren Neugier und erwachende Sinnlichkeit mit im Spiel gewesen. Aber jetzt, wo ich diese vollkommene Schlaffheit und Entkräftung eines noch so jungen Mannes sah, wo ich Zeuge sein mußte, wie er stier und gläsern aus den Augen blickte … Mein Vater und meine Mutter waren schön geworden, als sie die Erfüllung ihrer Zweisamkeit auskosteten. Mein Vetter aber häßlich, fahl und zerknickt. Daß Marguerite so etwas trieb, begriff ich, denn ein Mädchen ist überall auf Heimlichkeiten angewiesen, wenn es sich um Gefühl und Genuss handelt. Und sie hatte sich dem mit einer wahren Begeisterung, mit äußerster Heftigkeit und vollster Hingabe überlassen. Mein СКАЧАТЬ