Название: Fürstin des Nordens - Trilogy
Автор: Juryk Barelhaven
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754189160
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Und dann bewegte es sich in das hereinfallende Licht des Mondes, so dass man ihn gerade eben erkennen konnte, ein Schatten aus einem Alptraum: Canis Lupus – ein Wolf.
Immer wieder prüfte er den Raum. Mit seinen unnatürlich glatten Wänden und dem menschlichen Gestank, der nach Furcht roch. Die Krallen scharrten über den Boden, und alles in ihm drängte daran, wieder raus in den Wald zu laufen. Auf der anderen Seite saßen zwei Menschen und sahen ihn nahen. Aber sie flohen nicht. Sie gaben selten ein Geräusch von sich, sahen sie nie kommen, sondern standen bloß da. In regelmäßigen Abständen gingen sie schlafen, standen wieder auf und taten, was Menschen tun. Die Menschen merkten nie etwas. Sie lasen keine Spuren, sondern trampelten über sie hinweg. Sie machten Lärm, aber konnten nicht kämpfen. Sie bemerkten sie nie. Sie waren dumpf, verweichlicht und langsam. Im Rudel konnten sie gefährlich werden, mit ihren Spitzen und dem Feuer, um das sie sich gerne scharrten. Aber jetzt nicht. Der Mann war kein Problem – ein schneller Sprung an seine Kehle und dann das Kind. Es würde schnell gehen.
Die Menschen sprachen miteinander.
Er fragte sich, ob ihre Knochen so zerbrechlich waren wie die eines Kaninchens. Er fragte sich, ob sein Blut so warm war wie das des Rehs, dass vor wenigen Tagen das Pech hatte, ihm zu begegnen.
Genug des Wartens.
Plötzlich hielt er inne. Ein unerwartetes, plötzliches Chaos. Krieger, die schreiend starben. Dort flammte es auf, rauschte über die Bäume und hielt auf ihn zu. Kein Mensch. Kein Tier. Nein, es war schlimmer.
Der Wolf blinzelte verwirrt. In seinem Kopf wirbelten Fragmente von Erinnerungen und Instinkten herum, die er nicht einordnen konnte. Der alles durchdringende Schmerz des Verlustes, eines unwiederbringlichen, betäubenden Verlustes strömte durch seinen Körper. Er bedeutete nichts und alles.
Das Fenster gab nach, etwas Schweres und sehr Kraftvolles landete vor ihm auf den Boden und rollte sich perfekt ab. Der Wolf duckte sich weg – nicht wegen der Kraft eines ausgewachsenen Bären oder der Schnelligkeit einer Schlange, sondern wegen dem Geruch. Der Geruch von etwas sehr Altem, das sich behaupten konnte. Etwas wölfischem, aber dazu etwas Kaltem und sehr Scharfem.
Sie.
Die Meister waren nicht willkommen. Sie gehörten nicht zum Wald – nicht zu diesem Revier weit hoch im Norden. Das Licht und die Kraft. Mehr Kraft als Mensch. Mehr Licht als Wolf. Aber sie gehörten nicht hierher…
Mein Revier, bellte er.
Gewesen, sagte die Präsenz.
Er jaulte leise, als er die Meisterin erkannte.
Ihre strukturelle Perfektion wurde nur noch von ihrer Feindseligkeit übertroffen. Sie war eine Überlebende, die sich weder durch Bewusstsein, Gewissen oder moralische Illusionen behindern ließ.
Der Wolf legte sich hin und jaulte seine Zustimmung.
Was blieb ihm anderes übrig?
2
„Der Wald ist unruhig. Die natürlichen Pfade werden nicht mehr gegangen. Es wird Wochen dauern, bis sie wissen, wie es zu laufen hat“, sagte Claudile am nächsten Morgen, als sie allein mit Korporal Axel über die Straße zum Marktplatz ging. Sie trug gemäß der Etikette ein doppelgewebtes Kleid mit Rüschen, die an sich schon übertrieben vornehm wirkten. Zum Glück war das ganze Kleid blutrot, so dass niemand den Prunk auffallen würde. Über ihre Augen trug sie eine dunkelglasige Brille, die ihre Augen vor dem Licht der Sonne schützen würde. Nach einer anstrengenden Nacht beliebten es die Herren, sich zu schonen. Sie wirkte sehr müde; und nicht nur in körperlicher Hinsicht. Sie hatte schweigend zugehört, als der Korporal berichtete, was die Leute in aller Frühe auf dem Marktplatz gefunden hatten. Leichen.
Von Wölfen.
Er blickte sie von der Seite aus an. „Wölfe haben des Öfteren uns heimgesucht.“
„Ja, sie brauchten einen Denkzettel.“
Er schluckte als Antwort.
Sie deutete auf die Blutlachen vor sich. „Lyren hat als Wolf versagt – das ist schlimmer als seine Verbrechen gegen euch. Er darf kein Mitleid erwarten.“ Sie spazierten rüber zu einem Fleischerstand, der zufälligerweise Wolf im Angebot hatte. Es waren nur drei gewesen, erinnerte sich Claudile dumpf, die sich hässlich ihr gegenüber geäußert hatten. Der Rest war über die Berge verschwunden. „Die Wölfe werden euch nicht mehr behelligen, denke ich.“
„Denkt Ihr, so.“ Der Korporal blickte sie zweifelnd von der Seite an.
„Ja, könnte natürlich sein, dass ein weiterer Jungwolf mich herausfordern will. Ich denke, kurz vor dem Winter solltet ihr achtsam sein.“
„Wir Menschen?“
„Ja. Aber genug davon. Führt mich herum.“
„Na schön, wie Ihr wollt.“
Aus der Nähe betrachtet war Blaqrhiken noch schlimmer als befürchtet: Berge aus Müll stapelten sich in den Gassen, Kinder mit verdreckten Gesichtern liefen durch gefrorenen Matsch und spielten mit einer toten Ratte während Erwachsene sich an starkem Selbstgebranntem erfreuten.
Axel bewegte sich ganz wie ein Gentlemen und deutete auf die Gasse vor ihnen. „Dort leben die Schwestern des Schmieds, den ihr gestern getroffen habt. Sie haben den Blechschmied Erich geheiratet. Das heißt, nur Eine von ihnen, aber die andere fühlt sich sehr wohl im Haushalt und jetzt muss Erich für sie beide sorgen. Seht Ihr den hageren, kleinen Mann hinter seinem Arbeitsplatz? Das ist Erich. Heh, Erich!“ Er winkte dem Mann zu, der mit offenem Mund halb zu schlafen schien. Er wirkte blass und völlig ausgelaugt. „Armer Kerl. Sie nehmen ihn zu hart ran…“
„Ihr meint, …“ Claudile errötete leicht.
„Schrecklich, nicht wahr?“ Axel wirkte ehrlich mitfühlend. „Sie wollen, dass er doppelt so hart arbeitet. Ich weiß aber, dass die beiden die ganze Zeit nur in ihrem Laden sitzen und über die Leute herziehen. Sie sind das Sprachrohr der Gemeinde, könnte man sagen.“
„Ach so.“ Die Fürstin nickte dem Mann mitfühlend zu. „Er wirkt auch nicht glücklich.“
Alle Häuser und Zelte spotteten der Beschreibung Behausung. Was dieser Ort brauchte, waren Handwerker. Aber die kosteten Geld, und wie es um die Finanzen stand, bemerkte sie, als sie am Stand des Bäckers die Auslage sah: graue Klumpen erinnerten in der Ferne an Brot. Das Brot sein sollte, aber kaum als Nahrungsmittel durchging. Probeweise nahm sie eins in der Hand und witterte Wasser, etwas altes Mehl, Sägemehl und braune Brocken, die sie nicht identifizieren wollte. „Was soll das sein?“
„Brot.“
„Wo sind die Pasteten, für die ihr so bekannt seid?“
Der Bäcker starrte sie aus einer Mischung aus Wut und Verwunderung an. Er selbst wirkte, als hätte er selbst seit Wochen nicht mehr richtig gegessen.
„Vergesst die Frage“, beeilte sich Claudile zu sagen und eilte schnell hinter Axel weiter.
„Seht Ihr das Haus am Ende der Gasse? Dort oben wohnt die Glückliche СКАЧАТЬ