Название: Fürstin des Nordens - Trilogy
Автор: Juryk Barelhaven
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754189160
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„Und?“
Gavers Handfläche tauchte auf. Er hatte wohlweislich etwas aufgeschrieben. „Nja, Ich bin Gaver“, las er tapfer ab. „Wir benötigen ein neues Sitzkissen.“
Francesco starrte ihn an.
„Was-?“
„Die Sitzkissen sind ganz durchgescheuert, also besser zwei oder drei. Lavendel finde ich schön. Aber du solltest wissen, Herr, nja, dass wir nicht nur arbeiten!“
„Ach?“
„Wir brauchen eine neue Pfanne, Herr.“ Er schniefte leise. Etwas hatte sich in seinem linken Nasenloch gebildet. Starr vor Staunen beobachtete Francesco wie sich sein Finger hob. „Und der Winter naht, Herr. Ein neuer Ofen wäre nicht schlecht, nja. Etwas Kohle dazu, eine neue Pfanne und ich mache die besten Speckkartoffeln, die du dir vorstellen kannst. Ist kein Witz, Herr.“
„Bitte benutz ein Taschentuch. Willst du Geld, Mann? Schulden wir euch Gehalt? Wenn ja, wieviel?“
Gaver erstarrte, blickte Francesco aus großen Augen an und hob langsam die rechte Hand, um davon abzulesen. „Wir… haben… Gehalt von Juli bis August… und das kann ich nicht lesen!“
„Gibt es eine Mama oder einen Papa, mit dem ich reden dürfte?“ half Francesco aus und spürte, wie sich sein Nacken verspannte. „Jetzt verstehe ich, warum du als Letzter kommst.“
Das letzte Haus in der Tuchmüllenstraße war ein einsames, bis auf die Grundfesten niedergebranntes Gemäuer. Die Balken waren schief und krumm, aus der Asche sprossen vereinzelt Setzlinge. Nach über einem Jahr hatte niemand daran gedacht eine Neues zu bauen. Zum Glück der Stadt war es an der Mauer gelegen, so dass die Flammen kaum Chancen hatten, überzugreifen. Brände in Städten konnten alles zerstören – das war kein Geheimnis.
Alexandra Häberlein setzte sich schweratmend auf einen Stein und starrte in die erkaltete Asche. Mehr und mehr sackte sie in sich zusammen, bis sie ihr Gesicht verbarg. Lautes Schluchzen ließ Claudile dazu herab, sich zu ihr zu setzen. „Er war so gemein“, schniefte sie leise und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. „Meine Brüder und meine Mutter! Wir haben versucht ihn festzuhalten, doch er war zu stark. Er hatte schon viel getrunken und dann…“
Claudile stöhnte leise mitfühlend und tätschelte ihr die Schulter. „Es war bestimmt anstrengend, die ganze Zeit einen Mann zu spielen, was?“
„Ihr habt ja keine Ahnung“, brachte sie hervor. „Die Idee hatte mein Onkel. Wir sahen keinen anderen Ausweg. Also nahm ich die Schere und schnitt mir alles ab. Mit einem Laken band ich mir das Oberteil fest und versteckte mich für einige Wochen bei den Holzfällern im Ort. Dort nahm man mich auf und ich lernte zu gehen und zu sprechen wie sie. Ich wusste nicht weiter! Immerzu diese Maskerade.“
Claudile nickte mitfühlend. „Er hat dich nie gefunden. Du bist jetzt frei.“
Sie blickte mit ihrem verquollenem Gesicht auf: „Frei? Sagtest du frei!? Ich bin schon so lange ein Mann, dass ich nicht mehr weiß, was ich eigentlich bin!“
Wer wüsste das besser als ein Werwolf? Gefangen in einem Körper, der weder zur einen noch zur anderen Seite gehörte. „Als würde man zwischen einem Spiegel leben. Die eine Seite verlangt ihr Recht, sowie die andere Seite.“
Beide blickten traurig in die Reste des Hauses, das einst so voller Leben war. „Wir hatten immer genug zu essen, bis der Baron kam. Er lief durch die Straßen und setzte sein Recht durch wie ein…wie ein…,“
„…wie ein Werwolf“, half Claudile aus und nickte beklemmend. „Das wolltest du doch sagen, oder?“
„Baron. Wie ein Baron. Verzeihung“, schniefte sie leise.
„Nein, du hast recht“, gab sie bekümmert zu. „Warum war er hinter dir her? Komm, mir kannst du es sagen“, versuchte sie zu trösten und nahm sie in den Arm. „So ist es gut. Ja, jetzt wird alles gut.“
Alexandra wandte sie um und sah sie ängstlich an. „Ihr dürft es niemanden sagen, Herrin. Bitte, ich beschwöre euch!“
Sie stutzte, aber nickte schließlich. „Gut, verstanden.“
Alexandra nickte zaghaft und schluckte trocken. „Jungfrau.“
„Mmh.“ Claudile wusste, dass sich manche Männer von den Unberührten angezogen fühlte. Offenbar galt das auch für männliche Werwölfe. „Verstehe. Hast du...?“
„Nein, natürlich nicht.“
„Gut, äh… ist besser so.“ Sie hustete trocken. „Sind deine Eltern… standesgemäß beigesetzt worden“, fragte sie leise und strich ihr übers Haar.
„Darum hat sich Pater Brain gekümmert“, antwortete sie leise. „Er ist ein guter Mann, Herrin. Er schimpfte und tobte, aber wenn er mich sah vergoss er immer Tränen. Seine Grabesrede war gut. Ich mag ihn sehr.“
Mich mag er nicht, dachte Claudile böse. „Könntest du ein gutes Wort für mich einlegen?“
Alexandra lächelte und kuschelte sich näher heran.
So saßen sie eine Zeitlang beisammen.
Die Glückliche Bettina hatte alle Pflichten wie üblich erfüllt, ihre Kinder zu Bett gebracht und einen Teller mit Gewürzgurken, einigen Scheiben Käse und etwas Trauben gemacht. Zufrieden mit sich und der Welt gelangte sie zum Saal, um den netten Mann eine kleine Stärkung zu bringen. Sie erblickte Gaver und Francesco. Sie ahnte gleich, dass das nicht gut ausging.
„Hütet euch vor den Hexen! Vertraut ihnen nicht. Weist sie an euren Türen ab. Sie sind nichts als ein Zufall der Kräfte, ungeschrieben und unsauber, das blasse, neidische Echo lebender, denkender Geschöpfe. In ihren Herzen ist ein Stein. Sie bauen nicht an, sie gründen nicht, sie pflanzen nicht und ernten nicht. Ihre Entstehung war ein Akt des Stehlens, und sie stehlen von Menschen und entehren die Natur. Der einzige Zweck ihres erbärmlichen Lebens ist ihr Ende. Es ist kein Mord, eine Hexe zu töten. Nja, schlimmstenfalls ein Akt der Nächstenliebe!“ So sprach Gaver voller Inbrunst, aber ohne Betonung so dass sich die einstudierte Rede wie ein Singsang eines dummen Kindes anhörte.
Einige wenige Städter hatten sich in Gruppen zusammengefunden und flüsterten hinter vorgehaltener Hand, während Francesco noch immer mit dem Federkiel in der Hand an seinem Platz saß und ihn anstarrte. Langsam ging ihm die Geduld aus.
„Das habe ich in der Sonntagsschule gelernt“, half Gaver nach und nickte befreiend. „Man kann die Worte austauschen, nja. Statt Hexe sagt man Werwolf, Zigeuner, Diebe, …“
„Ich frage dich zum dritten Mal“, zischte er mühsam beherrscht, „ob wir dir Geld schulden. Es sollte ein Gesetz geben, das schwachsinnige Narren verbietet!“
„Wenn es eins gäbe, müsste ich jeden Tag Überstunden machen, Herr.“
„Das gebe ich dir recht, Gaver.“ Francesco lehnte sich zurück und presste die Fingerspitzen aneinander. Er atmete hörbar ein und lächelte СКАЧАТЬ