Die Dämonen. Fjodor Dostojewski
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Читать онлайн книгу Die Dämonen - Fjodor Dostojewski страница 45

Название: Die Dämonen

Автор: Fjodor Dostojewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754188668

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СКАЧАТЬ verstanden?‹ fragte er. ›Nein,‹ antwortete ich, ›ich habe nichts verstanden; lassen Sie mich nur ganz in Ruhe!‹ Seitdem ließen sie mich ganz in Ruhe, lieber Schatow. Aber als ich einmal aus der Kirche kam, da flüsterte mir eine unserer Nonnen, die bei uns Buße tun mußte für ihre Weissagungen, leise zu: ›Was ist die Muttergottes? Was meinst du?‹ ›Die Muttergottes‹, antwortete ich, ›ist die Hoffnung des Menschengeschlechtes.‹ ›Ja,‹ sagte sie, ›die Muttergottes ist die kühle Mutter Erde, und sie schließt für den Menschen große Freude ein. Und jeder irdische Kummer und jede irdische Träne wird uns zur Freude; und wenn du mit deinen Tränen die Erde unter dir eine halbe Elle tief getränkt haben wirst, dann wirst du dich sogleich über alles freuen. Und du wirst keinen, gar keinen Kummer mehr haben,‹ sagte sie; ›eine solche Prophezeiung gibt es.‹ Dieses Wort prägte sich mir damals ein. Seitdem fing ich an, beim Gebete, wenn ich die tiefen Verbeugungen machte, jedesmal die Erde zu küssen; ich küßte sie und weinte. Und ich kann dir sagen, lieber Schatow: diese Tränen sind etwas Gutes; und wenn du auch keinen Kummer hast, so fließen deine Tränen doch vor lauter Freude. Die Tränen fließen von selbst, das ist sicher. Ich ging manchmal an das Seeufer: auf der einen Seite lag unser Kloster und auf der andern unser spitzer Berg; er hieß darum auch der Spitzberg. Ich stieg auf diesen Berg hinauf und wandte mich mit dem Gesichte nach Osten, fiel auf die Erde nieder, weinte und weinte und konnte mich nicht erinnern, wie lange ich geweint hatte, und konnte mich damals an nichts erinnern und wußte damals nichts. Dann stand ich auf und wandte mich um, und die Sonne ging unter, so groß und prächtig und herrlich, – siehst du gern in die Sonne, lieber Schatow? Es ist ein schöner, aber trauriger Anblick. Dann wandte ich mich wieder nach Osten, und der Schatten, der Schatten unseres Berges lief wie ein Pfeil weit über den See hin, schmal und lang, ganz lang, über eine Werst weit, bis zu der Insel im See, und da zerschnitt er diese steinige Insel in zwei Hälften, und wenn er sie in zwei Hälften zerschnitten hatte, dann ging die Sonne ganz unter, und alles erlosch plötzlich. Dann wurde ich ganz traurig; dann kam mir auf einmal die Erinnerung wieder, und ich fürchtete mich vor der Dunkelheit, lieber Schatow. Und am meisten weinte ich um mein Kindchen ...«

      »Hast du denn eines gehabt?« fragte Schatow, der die ganze Zeit über sehr aufmerksam zugehört hatte, und stieß mich mit dem Ellbogen an.

      »Gewiß doch! Ein ganz kleines, rosiges, mit so winzigen Nägelchen, und mein ganzer Kummer ist, daß ich mich nicht erinnern kann, ob es ein Knabe oder ein Mädchen war. Bald ist es mir, als sei es ein Knabe, bald, als sei es ein Mädchen gewesen. Und als ich es damals geboren hatte, wickelte ich es gleich in Batist und Spitzen und umwand es mit rosa Bändern und bestreute es mit Blumen und putzte es an und verrichtete ein Gebet über ihm und trug es ungetauft weg; ich trug es durch einen Wald und fürchtete mich vor dem Walde, und mir war so bange, und am meisten weinte ich darüber, daß ich es geboren hatte und meinen Mann nicht kannte.«

      »Hast du denn einen gehabt?« fragte Schatow vorsichtig.

      »Du kommst mir lächerlich vor, lieber Schatow, mit deinen Einwendungen. Ich hatte einen, ich werde wohl einen gehabt haben; aber was hilft mir das, wenn es ganz ebenso ist, als ob ich keinen gehabt hätte? Da hast du ein leichtes Rätsel; nun rate mal!« fügte sie lächelnd hinzu.

      »Wo hast du das Kind denn hingetragen?«

      »In den Teich habe ich es getragen,« antwortete sie seufzend.

      Schatow stieß mich wieder mit dem Ellbogen an.

      »Wie aber, wenn du überhaupt kein Kind gehabt hast und das alles nur ein Hirngespinst ist, wie?«

      »Da legst du mir eine schwere Frage vor, lieber Schatow,« antwortete sie nachdenklich und ohne über eine solche Frage irgendwie erstaunt zu sein. »Darüber kann ich dir nichts sagen; vielleicht habe ich auch keins gehabt; meiner Meinung nach ist das von dir nur Neugier. Aber jedenfalls werde ich immer über das Kindchen weinen; habe ich es denn nicht im Traume gesehen?« Und große Tränen glänzten in ihren Augen. »Lieber Schatow, lieber Schatow, ist das wahr, daß dir deine Frau weggelaufen ist?« fragte sie, indem sie ihm plötzlich beide Hände auf die Schultern legte und ihn mitleidig anblickte. »Sei mir nicht böse wegen der Frage; mir ist ja auch traurig ums Herz. Weißt du, lieber Schatow, mir hat geträumt, er käme wieder zu mir und riefe lockend: ›Komm her, mein Kätzchen; komm zu mir, mein Kätzchen!‹ Am meisten freute ich mich darüber, daß er ›mein Kätzchen‹ sagte; er liebt mich noch, dachte ich.«

      »Vielleicht wird er auch in Wirklichkeit kommen,« murmelte Schatow halblaut.

      »Nein, lieber Schatow, das war ein Traum ... in Wirklichkeit kann er nicht kommen. Kennst du das Lied:

      ›Statt deines Prunkgemachs erwähle

      Ich diese enge Zelle mir;

      Daß meiner und auch deiner Seele

      Sich Gott erbarme, bet' ich hier.‹

      Ach, mein lieber, guter Schatow, warum fragst du mich nie nach etwas?«

      »Du sagst ja doch nichts; deshalb frage ich dich erst gar nicht.«

      »Ich werde nichts sagen, ich werde nichts sagen, und wenn man mich in Stücke reißt; ich werde nichts sagen,« fiel sie schnell ein. »Und wenn man mich brennt, werde ich nichts sagen. Was ich auch erdulden muß, ich werde nichts sagen, die Leute werden nichts erfahren.«

      »Nun, siehst du, so hat also jeder sein Geheimnis,« sagte Schatow noch leiser und ließ den Kopf immer tiefer herabsinken.

      »Aber wenn du mich bätest, würde ich es vielleicht doch sagen!« wiederholte sie verzückt. »Warum bittest du mich nicht? Bitte mich, bitte mich hübsch, lieber Schatow; vielleicht werde ich es dir sagen; bitte mich inständig, lieber Schatow, damit ich es gern tue ... lieber Schatow, lieber Schatow!«

      Aber der liebe Schatow schwieg; das allgemeine Schweigen dauerte ungefähr eine Minute lang. Die Tränen rannen still über ihre blassen Wangen; sie saß da, ohne zu wissen, daß ihre beiden Hände noch auf Schatows Schultern lagen; aber sie blickte ihn nicht mehr an.

      »Ach was! Was gehst du mich an! Es ist sogar unrecht!« rief Schatow und erhob sich plötzlich von der Bank. »Stehen Sie auf!« Er zog mir ärgerlich die Bank unter dem Leibe weg und stellte sie an ihren früheren Platz.

      »Damit er nichts merkt, wenn er kommt. Es ist Zeit, daß wir gehen.«

      »Ach, du sprichst immer von meinem Bedienten!« sagte Marja Timofejewna auflachend. »Du hast Angst vor ihm! Nun, lebt wohl, meine lieben Gäste; aber höre noch einen Augenblick, was ich sagen will! Heute kam dieser Nilowitsch mit dem rotbärtigen Hauswirt Filippow her, gerade als mein Bedienter auf mich losstürzte. Nein, wie der Hauswirt ihn packte und durch das Zimmer schleifte und mein Bedienter immer schrie: ›Ich trage keine Schuld; ich leide für fremde Sünden!‹ Kannst du es glauben: wir alle, die wir da waren, schüttelten uns nur so vor Lachen ...«

      »Ach was, Timofejewna, das war ja ich und nicht der Rotbart; ich habe ihn ja heute an den Haaren von dir weggerissen. Der Hauswirt aber ist vorgestern zu euch gekommen, um euch zu schimpfen. Das hast du verwechselt.«

      »Warte mal, das habe ich wirklich verwechselt; vielleicht bist du es gewesen. Nun, wozu sollen wir über Kleinigkeiten streiten; ihm kann es ganz gleich sein, wer ihn wegreißt,« sagte sie lachend.

      »Kommen Sie!« rief Schatow und zog mich fort. »Das Tor hat geknarrt; wenn er uns hier antrifft, schlägt er sie.«

      Wir waren kaum die Treppe hinaufgelaufen, als am Tore das Geschrei eines Betrunkenen СКАЧАТЬ