Anna Karenina | Krieg und Frieden. Leo Tolstoi
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Anna Karenina | Krieg und Frieden - Leo Tolstoi страница 176

Название: Anna Karenina | Krieg und Frieden

Автор: Leo Tolstoi

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754188644

isbn:

СКАЧАТЬ Verwirklichung ihrer Wünsche ihr Glück erhoffen. In der ersten Zeit, nachdem er sich mit Anna vereinigt und Zivilkleidung angelegt, hatte er den ganzen Reiz der Freiheit überhaupt, der ihm bis dahin unbekannt gewesen war, und der Freiheit in der Liebe im besonderen empfunden und war zufrieden gewesen; aber das hatte nicht lange gedauert. Er hatte bald gefühlt, daß sich in seiner Seele sozusagen das Verlangen nach einem Verlangen herausbildete: die Langeweile. Ohne es selbst zu wollen, begann er sich jeder augenblicklichen Laune zu überlassen, indem er sie für ein ernsthaftes Verlangen, für ein erstrebenswertes Ziel ansah. Die sechzehn Stunden des Tages mußten doch auf irgendwelche Art ausgefüllt werden, da er und Anna im Auslande in vollständiger Freiheit lebten, fern von jenem gesellschaftlichen Verkehr, der in Petersburg soviel Zeit beanspruchte. An Junggesellen-Vergnügungen, die Wronski sich auf früheren Auslandsreisen gestattet hatte, war nun schon gar nicht zu denken, da der einzige Versuch, den er nach dieser Richtung hin unternommen hatte, in ganz unerwarteter Weise auf Anna eine niederdrückende Wirkung ausgeübt hatte, eine unverhältnismäßig starke Wirkung für ein etwas länger dauerndes Souper mit ein paar Bekannten. Mit der einheimischen und der russischen Gesellschaft Beziehungen zu unterhalten, war bei der Unregelmäßigkeit ihres Verhältnisses gleichfalls unmöglich. Die Besichtigung der Sehenswürdigkeiten hatte, ganz abgesehen davon, daß er alles schon früher gesehen hatte, für ihn als Russen und vernünftigen Menschen nicht jene unerklärliche Wichtigkeit, die die Engländer ihr beizulegen gewohnt sind.

      Und wie ein hungriges Tier jeden Gegenstand, der ihm in den Wurf kommt, packt, in der Hoffnung, an ihm Nahrung zu finden, so stürzte sich Wronski ganz unbewußt bald auf die Politik, bald auf neue Bücher, bald auf Gemälde.

      Da er von klein auf eine gewisse Befähigung zum Malen besessen und in der Zeit, wo er nicht wußte, was er mit seinem Gelde anfangen sollte, begonnen hatte, Kupferstiche zu sammeln, so blieb er jetzt bei der Malerei stehen, beschäftigte sich ziemlich viel mit ihr und verwandte auf sie jenen unbenutzt daliegenden Vorrat von Tätigkeitsdrang, der nach Befriedigung verlangte.

      Er besaß die Fähigkeit, ein Kunstwerk zu verstehen, sowie die Fähigkeit, ein Kunstwerk treu und geschmackvoll nachzubilden; so meinte er denn, eben das zu besitzen, was ein Künstler nötig habe, und nachdem er einige Zeit geschwankt hatte, für welche Gattung der Malerei er sich entscheiden solle, für die religiöse, die historische, das Genre oder die realistische, machte er sich daran zu malen. Er hatte für alle diese Gattungen Verständnis und war imstande, sich sowohl für die eine wie auch für eine andere zu begeistern; er konnte sich aber nicht vorstellen, daß es möglich sein sollte, gar nicht zu wissen, welche Richtungen es in der Malerei gibt, und sich unmittelbar für das zu begeistern, was einem in der Seele lebt, ohne sich darum zu kümmern, ob das, was man malen wolle, zu irgendeiner bestimmten Richtung gehören werde. Da er dies nicht verstand und sich nicht unmittelbar durch das Leben begeistern ließ, sondern mittelbar durch das von der Kunst bereits verkörperte Leben, so begeisterte er sich sehr rasch und leicht und erreichte es ebenso rasch und leicht, daß das, was er malte, derjenigen Richtung sehr ähnlich wurde, die er nachahmen wollte.

      Mehr als alle anderen Richtungen gefiel ihm die anmutige und wirkungsvolle französische Richtung, und so begann er denn im Stil dieser Richtung Annas Porträt in italienischem Kostüm zu malen, und mit ihm waren alle, die dieses Porträt sahen, der Ansicht, daß es sehr gut gelinge.

      9

      Der alte, verwahrloste Palazzo mit den hohen, stuckverzierten Zimmerdecken und den Fresken an den Wänden, mit den Mosaikfußböden, mit den schweren, gelben Stoffgardinen an den hohen Fenstern, mit den Vasen auf Konsolen und Kaminen, mit den geschnitzten Türen und den düsteren Sälen, die mit Gemälden vollgehängt waren – dieser Palazzo nährte, nachdem sie nun nach ihm übergesiedelt waren, bei Wronski die angenehme Täuschung, daß er nicht so sehr ein russischer Gutsbesitzer und Hofstallmeister z.D., vielmehr ein hochgebildeter Liebhaber und Beschützer der Künste sei und zugleich selbst ein bescheidener Künstler, der um eines geliebten Weibes willen auf seine Stellung in der Welt, auf alle seine guten Verbindungen und auf allen Ehrgeiz verzichtet habe.

      Diese Rolle, die sich Wronski bei der Übersiedlung nach dem Palazzo zurechtgemacht hatte, gelang ihm vollkommen, und nachdem er durch Golenischtschews Vermittlung auch noch einige interessante Persönlichkeiten kennengelernt hatte, war ihm in der ersten Zeit ruhig und wohl zumute. Er malte unter der Anleitung eines italienischen Professors der Malerei Studien nach der Natur und beschäftigte sich mit dem italienischen Leben im Mittelalter. Dieses mittelalterliche italienische Leben gewann zuletzt für Wronski einen solchen Reiz, daß er sich sogar einen Hut nach damaliger Art anschaffte und einen Überwurf nach damaliger Sitte über der Schulter trug, was ihm sehr gut stand.

      »Da leben wir nun hier und wissen von nichts«, sagte Wronski einmal zu Golenischtschew, der am Vormittag zu ihm kam. »Hast du Michailows Bild gesehen?« fragte er ihn, indem er ihm eine soeben am Morgen eingetroffene russische Zeitung reichte und auf einen Aufsatz über einen russischen Maler zeigte, der in der gleichen Stadt lebte und ein Gemälde fast vollendet hatte, das schon lange allerlei umlaufende Gerüchte veranlaßt und schon im voraus einen Käufer gefunden hatte. Dieser Aufsatz enthielt Vorwürfe gegen die Regierung und gegen die Akademie, weil sie einen so hervorragenden Künstler ohne jede Aufmunterung und Unterstützung gelassen hätten.

      »Ja, ich habe es gesehen«, antwortete Golenischtschew. »Versteht sich, es mangelt ihm nicht an Talent; aber seine Richtung ist völlig verkehrt. Immer die Iwanow-Strauß-Renansche Stellungnahme zur Christusgestalt und zur religiösen Malerei.«

      »Was stellt denn das Bild dar?« fragte Anna.

      »Christus vor Pilatus. Christus ist als Jude dargestellt, mit dem ganzen Realismus der neuen Schule.«

      Und nun begann Golenischtschew, der durch die Frage nach dem Gegenstand des Gemäldes auf eines seiner Lieblingsgebiete gebracht war, seine Ansicht darzulegen.

      »Ich begreife gar nicht, wie die Leute einen so groben Mißgriff begehen können. Christus hat doch bereits seine ein für allemal feststehende Verkörperung in den Kunstwerken der großen alten Meister gefunden. Folglich, wenn diese Leute nicht einen Gott, sondern einen Revolutionär oder einen Weisen darstellen wollen, so mögen sie sich doch aus der Geschichte Sokrates oder Franklin oder Charlotte Corday auswählen, aber nur nicht Christus. Sie wählen gerade die Persönlichkeit, die sie bei ihrer Richtung im Interesse der Kunst nicht wählen dürften, und dann ...«

      »Ist denn das wahr, daß dieser Michailow in solcher Armut lebt?« fragte Wronski, der sich sagte, daß er als russischer Mäzen den Künstler unterstützen müsse, ob nun das Bild gut oder schlecht sei.

      »Ich kann es mir kaum denken. Er ist ein vorzüglicher Bildnismaler. Haben Sie sein Bildnis der Frau Wasiltschikowa gesehen? Aber er mag, wie es scheint, keine Bildnisse mehr malen, und daher könnte es schon möglich sein, daß er sich wirklich in Not befindet. Ich wollte also sagen ...«

      »Könnte man ihn nicht bitten, Anna Arkadjewnas Bildnis zu malen?« fragte Wronski.

      »Warum denn gerade mein Bildnis?« fragte Anna. »Nach dem, das du malst, mag ich kein anderes Bildnis mehr haben. Laß ihn doch lieber Anny malen« (so nannte sie ihr Töchterchen). »Da ist sie gerade«, fügte sie hinzu, als sie bei einem Blick durch das Fenster die schöne italienische Amme gewahr wurde, die das Kind in den Garten trug, und blickte sofort verstohlen auf Wronski. Diese schöne Amme, deren Kopf Wronski für ein Bild benutzte, an dem er malte, war der einzige geheime Kummer in Annas Dasein. Wronski betrachtete, während er sie malte, voll Bewunderung ihre Schönheit und ihre mittelalterliche Erscheinung, und Anna mochte sich nicht eingestehen, daß sie nahe daran war, auf diese Amme eifersüchtig zu werden; sie behandelte sie daher mit besonderer Freundlichkeit und verwöhnte sowohl sie wie deren Söhnchen.

      Wronski warf gleichfalls СКАЧАТЬ