Автор: Ханс Фаллада
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: gelbe Buchreihe
isbn: 9783754187036
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„Warum schreien Sie denn so, Kufalt?“ fragt der Hauptwachtmeister. „Sind Sie krank?“
„Gar nicht bin ich krank, aber siebzehn Pensum hab' ich gestrickt und der Meister will mir nur sechzehn anrechnen. Ist das Gerechtigkeit? Ich denke, wir werden hier nach Gerechtigkeit behandelt?“
„Wenn der Mann siebzehn gestrickt hat, muss er auch siebzehn bezahlt kriegen“, erklärt Rusch.
„Aber ich hab' dem Arbeitsinspektor...“
„Wat! Wat! Aber! Hat er siebzehn gestrickt –?“
„Ja, aber...“
„Wat! Wat! Aber? Kriegt er siebzehn bezahlt! Alles klar!“
„Aber ich hab' die Listen doch schon abgeliefert.“
„Dann sagen Sie eben, Sie haben einen Fehler gemacht.“
„Es ist nur, Herr Hauptwachtmeister“, sagt plötzlich grinsend Kufalt, „weil er denkt, ich hab' ihn in die Pfanne gehauen mit seinem Rosenthal. Darum soll ich ein Pensum weniger kriegen. Und darum bin ich so wütend gewesen.“
Der Hauptwachtmeister guckt und wartet. Dies ist seine Stunde. In solchen Stunden erntet er, in diesen Stunden, wenn sich die Kumpel verfeinden und die Genossen anschwärzen, da sammelt er sein Material gegen Gefangene und Stufenstrafvollzug, da kommt der Stoff her für seine Anzeigen. Alles weiß er, alles erfährt er, und vorne in seinem Büro, der Direktor schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und verzweifelt: ist denn nicht ein Gerechter...?
Der Netzmeister läuft blaurot an und schluckt: „Herr Rusch, wenn hier einer in die Pfanne gehauen werden muss...“
„Na, wat denn?“ fragt Rusch breit und gemütlich. „Sie meinen doch nicht unsern Musterknaben, den Willi Kufalt? Gucken Sie sich die Zelle an, wissen Sie sonst noch so 'ne Zelle im ganzen Bau? Gewienert, glänzt wie ein Affenarsch.“
Und Kufalt ist seiner Sache so sicher, dass auch er noch den Meister hetzt: „Freilich, ich muss in die Pfanne gehauen werden, Meister, Sie haben's gerade nötig, mir Lampen zu machen, Meister. Haben doch wohl auch als Hilfsbeamter einen Eid geschworen, Meister?“
Worauf nun wieder der Netzemeister wütend losbricht: „Der Erpresser der, aber ich will Ihnen sagen, Hauptwachtmeister...“ Und besinnt sich, dunkelrot, aber besinnt sich: „Also Sie kriegen Ihre siebzehn Pensum bezahlt, Kufalt. Und wenn ich Ihnen die achtzehn Pfennig übermorgen unterm Tor selber geben muss. Sie kriegen Sie!“
Der Netzemeister geht ab. Jetzt steht der Hauptwachtmeister unzufrieden und wütend da.
„Hab' ich keine Post, Herr Hauptwachtmeister?“ fragt Kufalt.
„Post. Post. Sie kriegen Ihre Post, wenn's Zeit ist. Und überhaupt haben Sie nicht so frech zu sein. Der Netzemeister ist Ihr Vorgesetzter. Ich schreib's in Ihren Entlassungsschein, Kufalt, dass die Führung schlecht war. Dann kommen Sie bei keiner späteren Strafe auch nur in die zweite Stufe.“
Spricht's und schrammt die Tür zu, ehe Kufalt sich von neuem entrüsten kann.
* * *
9
Abends um acht Uhr hat die dritte Stufe ihren allwöchentlichen Radioabend. Es ist schön still im Bau, die paar Wachtmeister vom Nachtdienst schlurren auf Filzlatschen herum und schließen die schon für die Nacht versperrten Zellen der Leute von der dritten Gruppe vorsichtig und leise noch einmal auf. Und sachte gehen die runter zum Schulzimmer, denn nichts ist schlimmer als ein Gefängnis, das nachts in Lärm gerät. Sind die Gefangenen erst einmal in ihrer kostbaren Nachtruhe gestört, dann hört das Schreien und Toben und Brüllen überhaupt nicht wieder auf.
Im Schulzimmer sammeln sich die Zwölf, es ist noch ziemlich taghell, der Schuster hantiert schon am Radio.
„Was gibt's denn?“ fragt Kufalt, aber der Schuster ist noch von mittag her böse und antwortet nicht.
Dafür sagt Batzke, der lange Batzke, der über nackte Mädchenschönheiten gebietet und der die Heizkessel der Anstalt versorgt: „'ne Oper, von Verdi. Willste zuhören?“
„Nee, nur nicht. Warum die am Abend nie was Humoristisches machen, versteh' ich nicht. Könnten doch auch mal an 'nen Gefangenen denken.“
Aber Batzke leiert seinen alten Vers: „Warum sollen die an uns denken? Sind froh, dass sie nicht an uns zu denken brauchen. Heilfroh, dass sie uns los sind, Vieh, das wir sind.“
Das Radio hat eingesetzt, und die beiden gehen den langen Gang neben den Schulbänken auf und ab.
„Hast du Tabak? Au, Mensch, Batzke, wo kriegst du nur immer den feinen Tabak her? Ich habe hier ja auch was gelernt von Schieben, aber so wie du...“
„Wenn du erst vierzehn Jahre Knast abgerissen hast wie ich“, sagt der sechsunddreißigjährige Batzke, „kennst du den Laden auch schon besser.“
„Nur nicht!“ ruft Kufalt. „Lieber tot!“
„Das sag man nicht“, tröstet Batzke. „Dafür ist die Zeit draußen umso schöner.“
„Nee, danke, ich werde jetzt solide.“
„Mach bloß so was nicht“, warnt Batzke. „Du hältst es ja doch nicht durch. Da strampelst du dich zwei Monate ab oder drei oder fünf und schiebst Kohldampf und rennst dich um nach Arbeit. Und vielleicht kriegst du wirklich Arbeit und schuftest dich tot, dass sie dich nur behalten. Aber dann kommt's doch irgendwie raus, dass du gesessen hast, und der Chef befördert dich an die Luft oder die Kollegen – die sind immer die schlimmsten – wollen mit so 'nem Verbrecher nicht arbeiten. Hab' ich alles versucht. Aber wenn du dann mürbe bist und hast drei Tage nichts gefressen und fasst was an und gehst hoch dabei, gleich sagen sie: ‚Das haben wir uns doch gedacht. Gut, dass wir den damals gleich rausgeschmissen haben.’ So sind die, und wenn du schlau bist, dann hörst du auf mich und fängst gar nicht erst so was an wie Solidwerden. Dann machste mit mir mit.“
„Aber man wird geschnappt und kommt wieder ins Kittchen.“
„Nicht so leicht, wenn man ausgeruht ist und Geld hat. Immer wenn man Kohldampf hat und Angst, und Geld kriegen muss. – Irgendwann fassen sie einen natürlich doch, aber bei mir wird das seine Weile haben.“
„Aber es gibt doch welche, die kommen nicht wieder rein?“
„Wer denn? Wer denn? Sag doch, wie lange schiebst du Knast? Wieviel Leute hast du schon wiederkommen sehen in der Zeit? – Na also! Und die nicht hierher wiedergekommen sind, die schieben jetzt woanders Knast. Ich dreh' mein nächstes Ding auch nicht wieder in Preußen, ich geh' mit 'nem Stadtplan brechen in Hamburg, dass ich nur nicht über die Grenze nach Altona gerate. Knast in Fuhlsbüttel ist viel besser als in Preußen, da kann schon die zweite Stufe Fußball spielen.“
„Ich mag aber nicht brechen gehen. Hab' keinen Mumm für so was.“
„Sollst du auch nicht, mein Junge. Weiß ich doch selber. Wie wirst du mit solchen Ärmchen brechen gehen? Nee, auf so einen wie dich habe ich schon lange gewartet. Du bist doch fein, kennst die Fremdwörter und ein bisschen Englisch. Parlewuh, du ahnst ja nicht, wie einem so was fehlt. Ich mach' auch lieber was anderes als auf Bruch gehen.“
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