Название: Hans Fallada: Der Trinker – Band 186e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski
Автор: Ханс Фаллада
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: gelbe Buchreihe
isbn: 9783754187999
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Sie sagte nichts. Sie sah stumm auf mich, dann auf meine blutigen Füße. Sie war sehr bleich. Aus ihren Augen lösten sich zwei Tränen, sie rannen langsam über ihre blassen Wangen, sie wischte sie nicht fort, ich verfolgte gespannt ihren Weg mit den Augen, bis sie auf das Kleid tropften. Diese Tränen rührten mich nicht, im Gegenteil, es tat mir nur gut, dass sie weinte, es war ein süßes Gefühl in mir, dass sie noch Schmerz empfinden konnte meinetwegen.
Ich trank wieder.
„Du bist so mitleidslos tüchtig, ja, ich habe die Lieferung für das Gefängnis nicht bekommen, aber du wirst das schon wieder ausgleichen. Ich habe immer in deinem Schatten gelebt, du hast mich deine Überlegenheit nie fühlen lassen, aber ich kam nie hoch, und nun bin ich unten angelangt. Auch unten lässt es sich leben, ich habe ein seltsames Mädchen kennen gelernt, auch sie ist ganz unten, aber auch sie empfindet Schmerz und Freude. Auch unten empfindet man Lust und Leid, Magda, es ist genau wie oben, es ist gleich, ob man oben oder unten lebt. Es ist vielleicht das Schönste, sich fallen zu lassen, mit geschlossenen Augen ins Nichts zu stürzen, immer tiefer in das Nichts. Man kann unendlich fallen, Magda, ich bin noch nicht unten angelangt, ich bin noch nicht aufgeprallt, alle meine Glieder sind noch heil ...“
„Erwin“, sagte sie bittend, „Erwin, rede nicht mehr. Höre auf zu trinken. Du bist krank, Erwin. Komm, lege dich ins Bett, ich will deine Füße verbinden. Deine Füße sehen schrecklich aus, ich will deine Füße verbinden ...“
„Siehst du“, rief ich und trank noch einmal, „du gönnst mir nicht einmal die paar Schlucke, gewiss, es sind deine Flaschen, aber ich bezahle sie dir. Ich bezahle sie dir bar oder gebe sie dir in natura wieder, das ist ein glattes Geschäft, dagegen kannst du nichts sagen. Du fragst mich nach meinen Füßen? Ich habe eine Landpartie gemacht, wenn die tüchtige Chefin arbeitet, kann der Chef sich wohl einmal eine Ausspannung gönnen! Ich bin barfuß gegangen, Barfußgehen soll gesund sein ...“
Sie ließ mich weiterreden. Sie hatte schnell die Küche verlassen und kam mit dem großen Badeschwamm, einer Salbendose und Binde wieder. Sie kniete neben mir, und während ich immer abgerissener und lallender über ihr fortredete, wusch sie meine Füße, wusch den Straßenschmutz aus den Wunden, trocknete sie gelinde ab, salbte sie und wickelte sie ein.
„Gut, gut“, sagte ich und trank, „du bist wirklich gut, Magda; wenn du nur nicht so verdammt tüchtig wärst!“
* * *
Kapitel acht
Kapitel acht
Ich erwache. Ich liege in meinem Bett, die Fenster stehen offen, die Vorhänge bewegen sich leise im Wind, draußen scheint die Sonne. Es muss schon spät sein, das Bett neben mir ist bereits gemacht, das Schlafzimmer ist leer, ich bin allein darin. Mir ist sehr schlecht, mein Magen hat ein trockenes Brennen, nur langsam entschließt sich mein Kopf zu denken. Nur langsam kommen mir die Erinnerungen an die vergangene Nacht zurück, dann fühle ich die Schmerzen in den Füßen. Ich streife die Decke zurück und sehe die Verbände. Und mit einem Schlage steht alles wieder vor mir: das Lauern vor meinem eigenen Geschäft nach den Schatten auf der Glasscheibe, die gemeine Trinkerei in der Schankstube, die schamlose Szene in der Kammer des gemeinen Mädchens, mein schuhloser betrunkener Heimweg und, als Schlimmstes von allem, die Szene in der Küche mit Magda! Wie ich mich beschmutzt habe, ach, wie ich mich beschmutzt habe. Eine brennende Reue überfällt mich. Scham, peinigende, schmerzende Scham, ich verberge mein Gesicht mit den Händen, ich presse die Augen fest zu ... Ich will nichts mehr sehen, ich will nichts mehr hören, nichts mehr denken! Ich stöhne, ich beiße die Kiefer zusammen, ich knirsche mit den Zähnen. Ich stöhne: ‚Es kann nicht wahr sein! Es ist nicht wahr! Das bin ich nicht gewesen, ich habe alles nur geträumt! Ich muss alles vergessen, auf der Stelle muss ich alles vergessen! Es darf nichts wahr sein!’
Das schüttelt mich wie ein Krampf, und dann kommen die Tränen, Tränen über all das, was ich so mutwillig verlor. Endlose, bittere, lange, schließlich doch lösende Tränen.
Und als ich mich ausgeweint habe, ist immer noch die Sonne vor meinen Fenstern, wehen die frischen duftigen Vorhänge im leichten Winde. Immer noch ist das Leben da, jung und lächelnd, du kannst es in jeder Stunde noch einmal beginnen, es kommt nur auf dich an. Neben meinem Bett steht ein Tischchen mit einem Frühstückstablett, der Kaffee ist sorgsam mit einer Haube verdeckt, und nun beginne ich zu frühstücken. Die ersten Bissen der Semmel kaue ich noch zäh und träge im Munde, aber der Kaffee ist extra stark zubereitet; allmählich kommt der Appetit wieder, und ich genieße mit dankbarer Freude all das, was mir Magdas Sorgsamkeit an Extrabissen auf das Tablett gestellt hat: scharfe Anchovis, eine schöne fette Leberwurst und wunderbaren Chesterkäse. Selten habe ich mit solchem Genuss gegessen, ich fühle mich wie ein Genesender. Dankbar begrüße ich die säuberlichen Dinge der bekannten Umwelt, grüße sie wie alte vertraute Freunde, die man lange entbehrt hatte. Nun finde ich auch auf dem Nachttisch einen Zettel von Magda. Sie teilt mir mit, dass sie nur auf wenige Stunden ins Geschäft gegangen sei, sie bittet mich, bis zu ihrer Rückkunft im Bett oder doch im Hause zu bleiben; das Bad sei für mich geheizt.
Eine halbe Stunde später verlasse ich das Haus. Zwar macht mir das Gehen mit meinen wunden Füßen arge Schmerzen, aber ich bin nicht gesonnen, weiter tatenlos zu verharren. Ich habe mich gesäubert von oben bis unten, ich zog frische Wäsche an, meinen besten Anzug – und nun will ich meinen alten Platz in der Welt wieder einnehmen. Wenn ich auch nicht so tatkräftig wie Magda bin, möchte ich doch wieder die Bremse am eilig vorgetriebenen Wagen sein: die Fahrt regelnd und sichernd!
Ich zögere nicht, ich schiele nicht von Torwegen her nach Schatten; ich trete ohne weiteres ein. Ich grüße die Angestellten in meinen beiden vorderen Büros freundlich und trete in mein Chefbüro ein. Magda springt von meinem Schreibtischsessel auf; früher hat sie dort nie gesessen, wenn ich nicht anwesend war; sie hatte einen Platz an einem Nebentisch. Ein wenig schmerzt es mich, dass sie mich so ganz schon von der Liste der Mittätigen ausgestrichen hat; sie wird auch sehr rot.
„Erwin, du?“ ruft sie. „Ich dachte ...“
Und sie schaut erst mich, dann Herrn Hinzpeter an.
„Guten Morgen, guten Morgen, Herr Hinzpeter“, sage ich freundlich und lasse mir nichts anmerken. „Ja, du dachtest ... aber ich fand, dass es mir heute früh doch schon erträglich ging, bis auf die Füße ... die Füße natürlich ... aber lassen wir das. Nun erzähle mir, was ihr festgestellt und was ihr vielleicht sogar schon beschlossen habt. Werden wir den Verlust der Gefängnislieferungen verschmerzen können –?“ Ich hatte mich in den Sessel an meinen Schreibtisch gesetzt. Ich sah sie freundlich an, ganz der Chef, der bereit war, die Vorschläge seiner Angestellten wohlwollend anzuhören, ehe er seine Entscheidung traf. Ich hatte – kaum eine Stunde war es her – in einem Krampf geschrien, dass ich vergessen wollte, dass ich vergessen musste ... Und nun saß ich hier, ich, ich konnte nicht vergessen, schon Magdas Blässe, schon meine in den engen Schuhen schmerzenden Füße erinnerten mich stets, aber sie mochte ich vergessen. Keine fünf Minuten, und es musste Magda wie ein böser Traum vorkommen, dass sie mich vor noch nicht zwölf Stunden am Küchentisch hatte sitzen sehen, drei Flaschen vor mir, die verschmutzten Füße in einer Schüssel, der Fliesenboden überschwemmt – nichts wie ein böser Traum! Vergessen! Vergessen!! (Auch dies, es war mir klar, war Schamlosigkeit; wortlos ging ich über das Geschehene fort, wischte es aus, duldete keine Anspielung, keinen nachdenklich forschenden Blick ... schamlos auch das!) Im Übrigen zeigte es sich, dass ich nicht umsonst auf Magdas Tatkraft gerechnet hatte. Schon am frühen Morgen СКАЧАТЬ